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Der Schattenmann

Tanja Selmer14. Juni 2004

Der Präsident der USA sollte eigentlich die Nummer eins sein und im Rampenlicht stehen. George Bush gelingt das derzeit gar nicht, er muss stattdessen Platz machen für eine ganze Riege seiner Vorgänger.

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Der Auftakt von Präsident Bushs Schattendasein war der Tod von Ronald Reagan. Nachdem Reagan bereits seit zehn Jahren aus dem öffentlichen Leben entschwunden war, hatten die Amerikaner jetzt Gelegenheit, sich an den "größten Präsidenten der Moderne zu erinnern". Einen, zu dem sie aufschauen konnten. Einen, den sie auch in diesen unruhigen Zeiten gut gebrauchen könnten. Bushs Imageberater dachten, ihre große Stunde sei gekommen. Mit pompösen Trauerfeierlichkeiten hofften sie auch, dem selbst ernannten Erben Reagans zu mehr Beliebtheit zu verhelfen. Weit gefehlt. Statt mit Reagan Bush gleich mitzubewundern, trauerten die Amerikaner lediglich um ihren großen Verlust. Und Bush musste zuschauen.

Bush junior im Schatten

Die meiste Zeit der Trauerwoche war er beim G-8-Gipfel auf Sea Island gefangen und hielt nur am Ende eine öffentliche Rede zum Tode Reagans. Und selbst da verblasste er neben seinem Vater, George Bush senior, acht Jahre lang Vizepräsident unter Reagan. Bush der Ältere war in seiner Ansprache den Tränen nah und zeichnete ein sehr persönliches Bild von seinem früheren Chef. Er betonte dessen Persönlichkeit, eben wegen derer auch die Amerikaner Reagan so geliebt hatten. Bush der Jüngere hingegen lobte Reagans politische Überzeugungen, und es klang fast, als wollte er seine eigenen gleich mit beweihräuchern.

Beliebtheit auf neuem Tiefstand

Über Reagans große Leistungen wurde vergangene Woche jedenfalls viel gesprochen, der politische Wahlkampf kam zum Ruhen, und weitere Schreckens- oder Skandalmeldungen aus dem Irak gab es kaum. Bushs Beliebtheit hat die Trauerwoche aber dennoch nicht geholfen. Nach einer neuen Umfrage vom Montag (14.6.04) sind gerade einmal 41 Prozent der Bevölkerung mit Bushs Politik zufrieden, mehr als die Hälfte lehnen sie ab. Bei der Frage nach der Irak-Strategie sieht das Bild noch düsterer aus.

Die Woche war also allenfalls eine Verschnaufpause für Bush. Doch schon dominieren wieder Nachrichten über Ermordungen, Entführungen, Anschläge und Terrordrohungen im Irak und in Saudi-Arabien die Nachrichten. Schlechte PR für Bush.

Bush senior im Rampenlicht

Positive Schlagzeilen ernten hingegen wieder die anderen, Bushs Vorgänger, und sie stehlen dem jetzigen Präsidenten die Schau: George W. Bushs Vater, George H. Bush, wurde 80 Jahre alt. Und er dachte gar nicht daran, dieses würdige Alter gediegen und mit beiden Beinen auf dem Boden zu feiern. Nein, luftige Höhen mussten es sein. George H. Bush ließ sich mit dem Fallschirm aus knapp 4000 Meter Höhe fallen, ein Bild, das es im Massenblatt "USA Today" auf die Titel-Seite schaffte. Bush dem Jüngeren fiel hingegen bei der Geburtstagsrede nichts Besseres ein, als bei seinem eigenen Imageverlust ordentlich mitzuhelfen. Er erzählte den schlechtesten Witz seiner Amtszeit. Er erzählte, wie er zu seinem Namen gekommen sei: Ein Freund der Familie habe über seiner Wiege gerülpst und horche da, es klang wie George W! Unglaublich!

Clinton zurück im Oval Office

Und jetzt noch das. Bei seiner Rückkehr nach Washington stand Bush eine heikle Aufgabe bevor, auf die er sich sehr gefreut haben muss: Er hatte seinen direkten Vorgänger, Bill Clinton, samt Frau Hillary und Tochter Chelsea ins Weiße Haus eingeladen, weil dort die offiziellen Portraits von Bill und Hillary enthüllt wurden. Ein einmaliges Ereignis. Während Clinton davon sprach, dass er mit gemischten Gefühlen zu Bush ins Weiße Haus gekommen sei, lobte Bush ausgerechnet den Mann in den höchsten Tönen, der angeblich am Ende seiner Amtszeit alle Ws (für George "W" Bush) aus den Computertastaturen hat entfernen lassen. Clinton, so Bush, habe sein Amt mit Energie und Freude gefüllt und mit Enthusiasmus gute Leistungen vollbracht.

Bush weiß, dass Clintons Portrait nicht das Einzige ist, was den ehemaligen Präsidenten ins Rampenlicht rückt und diesem mehr Aufmerksamkeit bringen wird als dem eigentlichen Amtsinhaber. Kommende Woche kommt Clintons Biographie "My Life" in die Buchläden und wird schon jetzt als heißester Schmöker des Jahres gehandelt.

Kostenlose PR für John Kerry

Clinton wird in den Sommerwochen durch die Lande touren und aus seinem Buch vorlesen. Der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Medien kann er sich gewiss sein. Großzügig hat er daher angekündigt, dass er sich nicht nur in seinem Ruhm sonnen wird, sondern seine Beliebtheit nutzen will, um dem demokratischen Kandidaten, John Kerry, zu unterstützen. Und Bush wird wieder nur zuschauen können. So sehr er sich in seinem Hamsterrad dreht und Milliarden ausgibt für Fernsehspots - die Scheinwerfer ignorieren ihn, wenn es Gutes zu vermelden gibt und beleuchten nur die anderen.