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Der schmale Pfad des Rechts

Peter Philipp24. Februar 2004

Der Bau der israelischen Sperranlage wird vor Gericht verhandelt. Dabei muss der Internationale Gerichtshof auch über die Frage einer Besatzung durch die Israelis entscheiden. Peter Philipp kommentiert.

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Der Internationale Gerichtshof im Haager "Friedenspalast" hat von der UN-Vollversammlung im Dezember letzten Jahres aufgetragen bekommen, seine Meinung über den Bau einer gigantischen Sperranlage zu äußern, die Israel gegenwärtig errichtet. Um die Infiltration von Selbstmordtätern zu verhindern, behauptet Israel. Um vollendete Tatsachen zu schaffen und noch mehr palästinensischen Boden zu enteignen, klagen die Palästinenser.

Die dreitägige Anhörung vor dem Haager Gerichtshof seit Montagfrüh zeigt, welch schmalen Pfad die 15 Richter des renommierten Hauses gehen müssen und es wird deutlich, dass dies eine delikate Gratwanderung zwischen Politik, Propaganda und juristischer Abwägung ist. Nur letzteres aber sollte den Ausschlag geben. Und es ist den Palästinensern hoch anzurechnen, dass sie – obwohl Hauptbetroffene – genau diese Rechts-Frage in den Vordergrund ihres Vortrages stellten.

Verlauf des Zauns ist entscheidend

Dabei stellt sich auch heraus, dass es um weit mehr geht als nur den Bau der Sperranlage. Denn – da scheinen sich die meisten einig zu sein – am Bau der Anlage selbst gäbe es nicht sonderlich viel auszusetzen, wenn die Mauer oder der Zaun entlang der Waffenstillstandslinie von 1949 verliefe und nicht auf palästinensischem Gebiet. Wenn durch den Verlauf nicht Dörfer zerschnitten, Äcker zerstört und die Palästinenser weiter schikaniert würden. Und wenn die Anlage nicht auch zum Schutz illegaler Siedlungen da wäre und deswegen wohl die Grundlage darstellen soll für eine mögliche zukünftige Grenze.

"Besetzt" oder "Umstritten"

All dies steht aber im Widerspruch zu internationalen Konventionen – wie der Haager Kriegsordnung oder der Vierten Genfer Konvention. Wenn man daran festhält, dass die von Israel 1967 eroberten Gebiete im völkerrechtlichen Sinne "besetzte Gebiete" sind - was Israel seit vielen Jahren vehement zurückweist: Diese Gebiete seien "umstritten", heißt es in Jerusalem.

Der Internationale Gerichtshof wird deswegen mit seiner Empfehlung an die UN-Vollversammlung wohl oder übel auch darüber befinden müssen, ob es sich hier völkerrechtlich um eine Besatzung handelt – wie alle Welt es längst sieht, niemand aber bisher juristisch verbindlich festgestelt hat.

Israel hat Grund zur Sorge

Es dürfte noch Wochen dauern, bis die Richter sich auf eine Formel geeinigt haben, aber es besteht eigentlich kaum ein Zweifel, wie diese aussehen wird: Sie dürfte von "Besatzung" sprechen und den Rechten und Pflichten des Besatzers sprechen. Vieles von dem, was Israel seit Jahren in den Gebieten unternimmt, steht im klaren Widerspruch dazu: von der Errichtung jüdischer Siedlungen über die Enteignung arabischen Bodens und die massive Behinderung der palästinensischen Zivilbevölkerung bis hin zum Bau der Sperranlagen jetzt.

Die Beschlüsse des Internationalen Gerichtshofes sind zwar nicht bindend, sie haben aber Gewicht. Grund genug für Israel, sich Sorgen zu machen: nicht wegen der angeblichen Parteilichkeit des Gerichts, sondern einzig und allein wegen der eigenen – israelischen – Missachtung internationaler Konventionen und internationalen Rechts.