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Der Sieg des Außenseiters

19. April 2004

- Ivan Gasparovic wird neuer Präsident der Slowakischen Republik

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Bonn, 18.4.2004, DW-RADIO, Vladimir Müller

Der langjährige slowakische Parlamentspräsident Ivan Gasparovic ist überraschend klar zum neuen Präsidenten des Landes gewählt worden. Bei der Stichwahl am Samstag (17.4.) besiegte er den umstrittenen Ex-Ministerpräsidenten Vladimir Meciar mit fast 60 Prozent der abgegebenen Stimmen. Unklar ist, ob der neue Präsident, der von der stärksten Oppositionspartei "Smer" (Richtung) unterstützt wird, seine verfassungsmäßige Macht nutzen wird, um den radikalen wirtschaftlichen Reformkurs des jetzigen konservativen Ministerpräsidenten Dzurinda zu blockieren. Warum hat in Bratislava der Außenseiter Gasparovic und damit erneut das "kleinere Übel" gesiegt? Dazu ein Kommentar von Vladimir Müller.

Noch vor zwei Wochen, beim ersten Wahlgang, hätte kaum jemand auf den 63-jährigen Gasparovic gesetzt. Der farblose Jurist war in den 90er Jahren Parlamentspräsident und zweitstärkste Mann in der damaligen Regierungspartei "Bewegung für eine demokratische Slowakei" HZDS. Nach einem Streit mit dem HZDS-Vorsitzenden Vladimir Meciar verließ Gasparovic im Jahr 2002 die Partei, um eine eigene "Bewegung für Demokratie", HZD, zu gründen. Diese blieb jedoch bei der letzten Parlamentswahl unter der Fünf-Prozent-Grenze und verpasste so den Einzug in den Nationalrat in Bratislava.

Den Erfolg im ersten Wahlgang verdankte Gasparovic vor allem der uneinheitlichen Haltung der slowakischen Regierungsparteien: Diese haben mehrere Kandidaten ins Rennen um das höchste Amt im Staat geschickt. Der allgemein favorisierte Außenminister Eduard Kukan landete darauf auf den dritten Platz: Die 4,1 Millionen Wähler wollten offensichtlich die Mitte-Rechts-Regierung des Ministerpräsidenten Mikulas Dzurinda für die radikale Sparpolitik abstrafen, die im Sozialbereich und im Gesundheitswesen große Opfer gerade von den Schwachen abverlangt.

Das Ergebnis - in den zweiten Wahlgang rückten Vladimir Meciar und sein ehemaliger Weggefährte Ivan Gasparovic vor - schockierte vor allem das Ausland: Man konnte sich noch sehr gut an die autokratische Regierungszeit Meciars erinnern. Mit seinem Namen ist eine ganze Reihe von zum Teil bis heute unaufgeklärten Affären verbunden. Die vom slowakischen Geheimdienst organisierte Entführung des Sohnes des damaligen Präsidenten Michal Kovac war nur die bekannteste. Meciars undemokratische Praktiken und unkontrollierte Ausfälle waren auch der Grund, warum die Slowakei erst nach seiner Abwahl 1998 zu EU-Beitrittsverhandlungen eingeladen wurde und Mitglied der NATO werden konnte.

Man erinnerte sich aber auch daran, dass Gasparovic über Jahre aufs Engste mit Meciars Politik verbunden war. So wurde der zweite Wahlgang am Samstag (17.4.) wieder einmal zur Wahl zwischen einem "größeren" und einem "kleineren Übel". Wie vor fünf Jahren, als Meciar vom jetzt noch amtierenden, aber immer schon von den meisten Slowaken ungeliebten Rudolf Schuster geschlagen wurde. Dass nun wiederum das "kleinere Übel" gesiegt hat, zeigt, dass die slowakischen Wähler doch noch die Vernunft walten ließen und vor einem Meciar-Revival zurückschreckten.

Ivan Gasparovic hat im Wahlkampf einige seiner früheren Entscheidungen als Meciars rechte Hand bedauert. Er wird aber noch beweisen müssen, ob er die demokratischen Spielregeln tatsächlich einhalten will. Die konsequente Reformpolitik der Slowakei wird der neue Präsident nicht rückgängig machen können. Nicht nur, weil seine Vollmachten begrenzt sind - Slowakei ist trotz direkter Wahl keine Präsidialdemokratie -, sondern auch deshalb, weil die demokratischen Grundlagen des Staates seit 1998 erheblich gestärkt wurden.

Keineswegs harmonisch wird sich die Zusammenarbeit zwischen Präsident und Regierung gestalten. Gasparovic ist doch als klarer Oppositionspolitiker angetreten, der nicht nur seine eigene kleine Partei hinter sich hat. Zu seinem Sieg trugen vor allem die Wähler der stärksten Partei "Smer" ("Richtung") des Linkspopulisten Robert Fico bei. Trotz ihres Namens ist aber die Ausrichtung dieser Protestpartei recht unklar. Ivan Gasparovic wird jetzt Gelegenheit erhalten, Konturen zu zeichnen. (fp)