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Lena: 12 points

28. Februar 2011

Zur besten Sendezeit trällerte sich die 19-jährige Lena Meyer-Landrut in drei Abendshows durch zwölf Lieder. Daraus wählten die Zuschauer ihren Favoriten für den Eurovision Song Contest 2011.

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Titelverteidigerin Lena (Foto: picture alliance/ dpa)
Titelverteidigerin LenaBild: picture alliance/dpa

"Unser Song für Deutschland" ist gewählt. Am 14. Mai tritt Lena in Düsseldorf mit "Taken by a stranger" an, um die Eurovisionskrone zu verteidigen. Der schräge Elektro-Pop Song teilte sich von Anfang an die Favoritenrolle mit der Ballade "Push forward" und machte mit 79 Prozent der Stimmen das Rennen. Die Entscheidung trafen die Zuschauer per Telefonvotum.

Mit "Taken by a stranger" aus der Feder des Autoren-Trios Nicole Morier, Gus Seyffert und Monica Birkenes sei ein Song am Start, sagte Moderator Stefan Raab, der den Rest von Europa schocken werde. In der Tat: Für Eurovision Contest-Verhältnisse klingt das mysteriöse Elektropop-Stück äußerst gewagt. Lena zeigte sich von einer nahezu verruchten Seite, und das Publikum applaudierte frenetisch. Die Entscheidung für den Siegersong kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Fernsehspektakel rund um den Vorentscheid vor allem durch gepflegte Langeweile auszeichnete. Denn Lena trat an allen drei Abenden gegen sich selbst an, und so fehlte der Show von Anfang an jede Spannung.

Diva und Jungmädchenlook

Ein bisschen Kuschelrock stand auf dem Programm und Möchtegern-Soul à la Amy Winehouse. Dann wieder rang Lena mit düsterem Elektrosound und jodelte sich durch Gospel-Pop. In kurzen Einspielfilmen erzählten die Komponisten etwas zur Entstehungsgeschichte der Songs, und dazu gab es immer wieder Statements von Lena, die sich im roten Sessel fläzte und alles "wahnsinnig toll" und "voll geil" fand. Am abwechslungsreichsten war noch die Garderobe der Sängerin zwischen Diva- und Jungmädchenlook und immer mit High Heels.

Saengerin Lena Meyer-Landrut sang am 18.2. den Finalsong. Neben ihr Tänzerinnen im Ganzkörperkondom ( Foto: Roberto Pfeil/dapd)
Lena mit dem SiegersongBild: dapd

Die beste Sängerin der Weltgeschichte

Vom ersten Ton an war klar: Richtig singen kann Lena Meyer-Landrut immer noch nicht. Ohne viel Variation in der Stimme trug sie die Songs vor, und so manche Note blieb dabei auf der Strecke oder kam schlichtweg falsch heraus. Aber Lena ist eine souveräne Performerin, und mangelndes Stimmvolumen gleicht sie mit einer gehörigen Portion Charme aus. Obwohl sie seit ihrem Sieg in Oslo im Rampenlicht steht, sind Starallüren an ihr vorübergezogen, und wie eh und je kommt sie als das natürliche nette Mädchen von nebenan rüber. So sieht das auch ihr Ziehvater Stefan Raab: Lena gehe unbekümmert an die ganze Sache ran, was ihr Authentizität verleihe. "Wir brauchen ja gar nicht darüber diskutieren, ob sie die beste Sängerin ist, die die Weltgeschichte je gesehen hat, das ist sie auf jeden Fall", kommentierte er schelmisch, "aber interpretatorisch ist sie eben ganz weit vorne."

Zauber ade

Quotentechnisch spielte die One Woman-Show allerdings nicht in der Oberliga mit. Die Einschaltquoten waren enttäuschend, und das Vorentscheid-Finale wollten so wenig Leute sehen wie seit 1998 nicht mehr. Fast jedes andere Fernsehformat, das Stefan Raab produziert, ist auf Wettkampf aufgebaut. Warum er bei "Unser Song für Deutschland" darauf verzichtete, ist ein Rätsel, das sich vielleicht mit der Euphorie nach Lenas Sieg in Oslo erklären lässt. Doch mittlerweile ist der Zauber verflogen. Längst ist Lena nicht mehr die Außenseiterin, die sie einmal war. Und jetzt wirkt ihre besondere Art des Nichttanzen- und Nichtsingen-Könnens plötzlich nicht mehr so erfrischend. Die Titelverteidigerin ein zweites Mal antreten zu lassen, ist also ungefähr so passend, wie die aktuelle Miss World im kommenden Jahr wieder ins Rennen zu schicken. Und wenn der letztjährige Lena-Hype schon in Deutschland verflogen ist, warum sollten dann Spanier, Griechen oder Briten für sie stimmen?

Kolumbus und die arme Sau

TV-Moderator Stefan Raab spielt Gitarre zu Lenas Gesang (Foto: apn Photo/Roberto Pfeil)
Lena-Mentor Stefan Raab mit seinem SchützlingBild: AP

Raab reagierte auf die Medienschelte zunehmend bissig. Bei Kolumbus habe auch jeder gesagt, dass seine Pläne niemals funktionieren würden. Am Ende hätten ihn dann alle gefeiert, ließ er verlauten. Und überhaupt, er kenne keinen, der zum Eurovision Song Contest fahre, um zu verlieren. "Wenn sich allerdings die Möglichkeit ergibt, noch mal zu gewinnen, dann sollte man sie beim Schopfe packen", beharrt Raab auf Lenas Chancen.

Lena selbst sieht das offenbar alles etwas lockerer. "Um Gottes Willen, du arme Sau, auf dir liegt ja jetzt ein wahnsinniger Druck", bekomme sie oft zu hören. Aber dem sei gar nicht so, sagte sie: "Nö, ich finde es jetzt gar nicht so wichtig, noch mal zu gewinnen. Wir haben einmal gewonnen, mehr kann man nicht erreichen." Viel wichtiger sei, dass sie den Contest nach Deutschland gebracht hätte. Da könne man der Welt zeigen, dass die Deutschen großartige Gastgeber seien und zusammen eine Wahnsinnsparty feiern. Böse Zungen behaupten ja, die Vorentscheid-Show sei eine gigantische Marketingmaschine gewesen, um Lenas neue CD "Good News" unters Volk zu bringen. Fakt ist, dass die Scheibe sich wie geschnittenes Brot verkauft und auf Anhieb Platz Eins der Charts erreichte. So viel Lenamania wird selbst Lena zuviel. Nach dem Eurovision Song Contest plant sie erstmal eine Auszeit. "Ich will dann erstmal weg, irgendwohin, wo mich keiner kennt", sagte die 19-Jährige. "Ich will dann in ein Café gehen. Und schmatzen. Und schlabbern. Und keinen interessiert's."

Autorin: Suzanne Cords

Redaktion: Matthias Klaus