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Rotfront und ihr erstes Album

31. August 2009

Emigrantski Raggamuffin, so heißt das erste Album der Berliner Formation Rotfront, und so klingt es auch: ein kunterbuntes, gleichwohl geordnetes Durcheinander.

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CD-Cover Rotfront und Emigrantski Raggamuffin (Quelle: Maak Roberts)
Rotfront und ihr erstes Album Emigrantski RaggamuffinBild: Rotfront

Rotfront nennt sich eine multikulturelle Formation aus Berlin, entstanden aus einer losen Ansammlung von Musikern, die sich vor fünf Jahren im Umfeld der Berliner Russendisko gründeten.

Die Omnipräsenz des Russendisko Initiators Wladimir Kaminer macht auch vor dem Album Emigrantski Raggamuffin nicht halt. Zu Beginn hört man ihn einen russischen Berlin-Reiseführer zitieren, der jedem empfiehlt, seine persönliche Flagge auf dem Reichstag zu hissen und Berlin zu erleben und zu erobern. Zumindest Kaminer ist das ja bereits gelungen, er hat tatsächlich Berlin erobert und fast die ganze Bundesrepublik dazu. Ja, selbst die Flagge auf dem Reichstag trauen wir ihm irgendwann auch noch zu, da steht dann ganz sicher Russendisko drauf. Bei Rotfront aber hat mal nicht er den Hut auf, sondern Yuriy Gurzhy und Simon Wahorn. Sie sind die einzigen, die seit dem Beginn dieser Band überlebt haben, sagt Gurzhy. Der Rest sei jedoch nicht dem Wodka zum Opfer gefallen, sondern schlicht anderweitig tätig. Wie auch Gurzhy, der sonst neben Kaminer die andere Hälfte der Russendisko ist, und Wahorn, der Initiator des HungaroGroovers Soundsystem.

Multiple Musikmischung

Porträt Wladimir Kaminer (Quelle: Wladimir Kaminer)
Wladimir Kaminer: Der Erfinder der RussendiskoBild: Wladimir Kaminer

Ihr Hauptquartier haben Rotfront im Prenzlauer Berg, ein kleines Büro im Souterrain, von wo aus die Aktivitäten der Band gesteuert werden. Ringsherum wuseln nahezu alle denkbaren Nationalitäten durcheinander. Kein Wunder, dass sich das bei Rotfront niedergeschlagen hat. Denn auch wenn Ska und Reggae überwiegen, ist doch die Musik insgesamt geographisch nicht einzuordnen. Das hat auch mit der Herkunft der Bandmitglieder zu tun. So stammt Yuriy Gurzhy aus der Ukraine, Simon Wahorn ist Ungar, und der Rest der immer mal wieder wechselnden Belegschaft kommt von irgend einem anderen Flecken der Welt. Das findet sich auch in der Mehrsprachigkeit von Emigrantski Raggamuffin wieder. Da jedes Bandmitglied ein Stück der eigenen Kultur mitbringt, geht es auch in den Texten babylonisch zu. Der gemeinsame Nenner ist die Arbeitssprache, und die ist deutsch. Geplant war das nicht, es ergab sich einfach so, sagt Gurzhy. Überhaupt scheinen Spontaneität und Spaß an der Sache ein treibendes Element bei Rotfront zu sein, denn statt osteuropäischer Musikfolklore im Reggae-Gewand kann es auch mal ein Titel wie Remmidemmi von Deichkind sein.

Multikulti als Alltagserfahrung

Thematisiert wird die Multikulti-Gesellschaft in den Texten von Rotfront nicht direkt, man lebt sie halt vor und schildert das Migrantendasein in Deutschland inklusive Heimweh, Liebeskummer und was sonst so dazugehört. Dem Wort "zuhause" kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu, sagt Gurzhy: "Also, wenn man das positiv sieht, kommen wir aus einem Land, wo wir eben nicht mehr wohnen und sind dann hier zuhause, also wir haben praktisch zwei Heimatländer. Und die andere Seite: In depressiven Phasen denkt man, dass man kein zuhause mehr hat weil man zuhause verlassen hat und nicht angekommen ist."

Porträt der Band Rotfront (Quelle: Maak Roberts)
Rotfront: Der Sound der EmigrationBild: Maak Roberts

So fließend, wie die beiden Bandleader Deutsch sprechen und so selbstverständlich sie sich im Berliner Nachtleben tummeln, hat man allerdings nicht den Eindruck, hier sei jemand nicht angekommen. Für Simon Wahorn, auch er Gitarrist und Sänger, ist das freiwillige Emigranten-Dasein sogar mehr als nur Neugierde oder Abenteuerlust, nämlich eine regelrechte Lebensform, die täglich mehr Anhänger findet. Und für die, die noch zögern, liegt jeder CD schon mal ein Pass bei, mit dem man Bürger der Emigrantski-Republik wird.

Autor: Luigi Lauer

Redaktion: Matthias Klaus