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Der tiefe Schluck aus der Pulle und der Kater danach

Johannes Beck7. Januar 2002

Nicht die Dollarbindung, sondern die argentinische Politik ist gescheitert. Das Land hat einfach über seine Verhältnisse gelebt. Ein DW-Kommentar.

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"Das liberale Wirtschaftsmodell ist gescheitert", verkündete der neue argentinische Präsident Eduardo Duhalde bei seiner Amtseinführung. Prompt stürzte er einen Kernpfeiler dieses Modells: die Bindung des argentinischen Peso an den US-Dollar. Sie sei für die Arbeitslosigkeit von rund 20 Prozent und das Schrumpfen des Bruttoinlandsproduktes um knapp 2 Prozent verantwortlich.

In der Tat ist ein Teil der Probleme auf die starre, ein einem so genannten Currency Board gesetzlich garantierte Bindung des Peso an den Dollar zurückzuführen. Nach der Abwertung des brasilianischen Real Anfang 1999 ist es für argentinische Firmen schwerer geworden, ins Nachbarland zu exportieren. Sicher wäre es Argentinien in den letzten Jahren mit einem freien, flexibleren Wechselkurs besser ergangen.

Unendliche Kredite haben Argentinien ruiniert

Dennoch ist die Dollarbindung nicht die Hauptursache für die Krise Argentiniens. Die argentinische Regierung hat jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt. Seit Beginn der Dollarbindung 1990 hat Argentinien seine Auslandsschulden von 60 auf über 140 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppelt. Ganz so, als hätte es die lateinamerikanische Verschuldungskrise der 80er Jahre nie gegeben.

Solange die argentinische Wirtschaft mit Wachstumsraten von bis zu 10 Prozent jährlich boomte, schien das kein Problem zu sein. Ende der 90er bekam die argentinische Regierung ihren Haushalt aber immer weniger in den Griff. Das Defizit wurde größer und größer. Die internationalen Investoren begannen zu zweifeln, ob sie jemals ihr Geld wieder sehen würden. Argentinien musste immer höhere Zinsen bezahlen, um Kredite zu bekommen. Ein Teufelskreis, der das Land in den Bankrott trieb.

Gläubiger zahlen die Zeche

Die Rezeptur, mit der die neue Regierung aus der Krise will, ist aber die falsche. Ein Currency Board in der Krise zu verlassen, ist mit hohen Kosten verbunden. So musste ein Großteil der Privatschulden der Argentinier per Gesetz von Dollar auf Pesos umgestellt werden. Denn nach der Abwertung hätten sie ihre teurer gewordenen Dollar-Schulden nicht mehr zurückzahlen können. Doch die Umstellung auf Pesos bedeutet, die Banken teilweise zu enteignen. Den gleichen Effekt hatte es, Verträge mit ausländischen Unternehmen zu kündigen, die diesen Einnahmen in Dollar aus Mautgebühren oder Telefondiensten garantiert hatten. Wer wird in Zukunft noch in Argentinien investieren wollen?

Der Rückfall in den Dirigismus droht

Auch wird die Abwertung des Peso wohl kaum so kontrolliert ablaufen, wie sich die Regierung das wünscht. Ein Indiz dafür ist, dass sie bereits einen zweiten, separaten Wechselkurs für Devisengeschäfte aus dem Tourismus angekündigt hat.

Das alles erinnert an die längst gescheitert geglaubte populistische Wirtschaftspolitik der 80er Jahre. Dazu passt, dass der ehemalige Präsident Raúl Alfonsín wieder an politischen Einfluss gewonnen hat. Er hat 1989 als politisches Erbe eine Hyperinflation von mehr als 4000 Prozent hinterlassen.

Wer weiß, vielleicht werden sich bald einige Argentinier nach der Dollarbindung zurück sehnen.