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Der Tsunami als Friedensbringer

Hendra Pasuhuk25. Dezember 2005

Der Tsunami brachte nicht nur Tod und Zerstörung: In der indonesischen Unruheprovinz Aceh ermöglichte die Katastrophe einen Friedensprozess, der zu einem dauerhaften Ende des Bürgerkrieges führen könnte.

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Aceh-Rebellen geben ihre Waffen abBild: AP
Friedensvertrag mit Rebellen in Aceh
Mitglieder der GAMBild: AP

Aguswandhi ist gerade nach Aceh zurückgekehrt. "Was jetzt gerade geschieht, ist etwas Erstaunliches", sagt der ehemalige Studentenaktivist, der früher Protestaktionen gegen das indonesische Militär organisierte und dann ins Ausland floh. "Ich bin überrascht, und viele Acehnesen auch. Der Friedensprozess verläuft bisher ziemlich reibungslos. Es gibt keine größeren Probleme." In England absolvierte Aguswandhi ein Studienjahr über Menschenrechte und Konfliktlösung. Seit einigen Wochen ist er wieder in Aceh und hilft der Aceh Monitoring Mission, AMM.

Die von der EU geführte Mission überwacht den Friedensprozess in Aceh. Nach monatelangen Verhandlungen unter Vermittlung des finnischen Ex-Präsidenten Martti Ahtisaari haben die indonesische Regierung und die Bewegung Freies Aceh (GAM) im August in Helsinki ein Friedensabkommen unterzeichnet. Die GAM hat die Forderung nach Unabhängigkeit fallen gelassen, Indonesien stimmte im Gegenzug Verhandlungen unter internationaler Vermittlung zu.

Änderung der Sichtweise

Die Beobachtermission AMM hat heute über 230 Beobachter aus der EU, der Schweiz, Norwegen und fünf asiatischen Ländern über die ganze Region verteilt. Seitdem sind Vertreter der lokalen Behörde und GAM gemeinsam unterwegs, um die Bevölkerung bis in die Dörfer über das Friedensabkommen aufzuklären.

Nach dem Seebeben Indonesien Hilfe
Hilfslieferungen in Aceh nach dem TsunamiBild: AP

"Die Flutwelle hat die Friedensverhandlungen zwischen Indonesien und der GAM erst möglich gemacht", sagt Teuku Kamaruzzaman. "Erst danach haben beide Seiten ihre Sichtweise und ihre Positionen geändert. So können sie in die Verhandlung gehen." Noch vor wenigen Monaten saß Teuku Kamaruzzaman im Gefängnis auf der Insel Java. Er war vor dem Tsunami GAM-Unterhändler bei Waffenstillstands-Verhandlungen mit den indonesischen Militärs. Als der Waffenstillstand scheiterte, wurde er in Aceh verhaftet und nach Java gebracht.

Die Unterzeichnung des Friedensabkommens in Helsinki hat Kamaruzzaman noch im Gefängnis verfolgt. "Der Gefängnisdirektor hat uns einen Fernseher gegeben", erzählt er. "Bisher hat die indonesische Regierung gezeigt, dass sie wirklich gewillt ist, alle Vereinbarungen zu halten. Dies ist eine sehr positive, noch nie da gewesene Entwicklung."

Rebellen geben letzte Waffen ab

Überall trauen sich die Menschen auch in der Dunkelheit wieder auf die Straße. Die typischen Straßencafés in Banda Aceh sind abends fast voll und viele Geschäfte bleiben bis 22 Uhr noch geöffnet. "Früher war fast niemand da. Jetzt sind wieder viele Menschen unterwegs", sagt eine Verkäuferin.

Kamaruzzaman betont immer wieder den Unterschied zwischen einem Waffenstillstand und einem Friedensabkommen. Am Montag (19.12.2005) gaben die Rebellen ihre letzten Waffen ab. Die mit der Regierung festgelegte Zahl von 840 Waffen sei nun erreicht worden, sagte eine Sprecherin der Beobachtermission. AMM. Gemäß der im August geschlossenen Friedensvereinbarung ist im Gegenzug nun der Abzug von 5600 weiteren Sicherheitskräften geplant. "Wir haben unser Versprechen erfüllt", sagte GAM-Sprecher Irwandi Yusuf. Die Regierung will insgesamt mehr als 21.000 Mann aus der Provinz an der Nordspitze Sumatras abziehen.

Amnestie für die Separatisten

Dies ist nur möglich, wenn beide Seiten genug Vertrauen in den Friedensprozess haben. Dabei spielt die Anwesenheit ausländischer Beobachter eine wichtige Rolle. Lange Zeit hat Indonesien dies verhindert und den Konflikt in Aceh stets als "innere Angelegenheit" deklariert.

"Der Tsunami hat der internationalen Gemeinschaft eine Möglichkeit eröffnet, endlich den Konflikt in Aceh aufzugreifen", sagt Aguswandhi. "Viele sind gekommen, um beim Wiederaufbau zu helfen. Aber sie können nicht sinnvoll helfen, wenn es noch Krieg gibt. Also fragte die Europäische Union, wie der Konflikt friedlich beigelegt werden kann."

Nach dem Friedensabkommen von Helsinki wurde den GAM-Rebellen eine Amnestie zugesichert. Sie bekommen ein Stück Land und eine finanzielle Unterstützung. Kamaruzzaman hat jetzt ein Büro im Regionalparlament von Aceh als GAM-Vertreter. Die Abgeordneten haben gerade einen Entwurf zum neuen Autonomie-Gesetz nach Vorgabe des Helsinki-Abkommens fertig gestellt. Der Entwurf wird jetzt nach Jakarta gebracht und muss noch vom nationalen Parlament und von der Regierung bestätigt werden. 2006 sollen dann in Aceh allgemeine Wahlen stattfinden.

Vorsichtiger Optimismus

Teuku Kamaruzzaman will auf jeden Fall kandidieren. Für welches Amt weiß er noch nicht. Aguswandhi macht sich noch Sorgen. Die Beobachtermission hat zunächst nur ein Mandat bis Ende März 2006. Was geschieht, wenn die Ausländer fort sind? Wird die GAM-Fraktion so geschlossen und diszipliniert bleiben wie bisher oder wird sich die Organisation spalten? Werden die Menschen, die jahrelang mit Waffen gekämpft haben die Reintegrationsprogramme akzeptieren?

Doch der Menschenrechtsaktivist ist vorsichtig optimistisch. "Die Konflikte, die Auseinandersetzungen sind ja nicht über Nacht verschwunden. Da machen wir uns keine Illusion", sagt Aguswandhi. "Doch was uns sehr freut, ist die Tatsache, dass es jetzt Mechanismen gibt, wie diese Auseinandersetzungen mit friedlichen, demokratischen Mitteln ausgetragen werden können."