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Der Versöhnliche

22. Mai 2009

Die letzte Rede Zhao Ziyangs war einer der berührendsten Momente im Frühjahr 1989. Stets hatte sich der Reformer dafür eingesetzt, den Studenten mit Offenheit zu begegnen. Durchsetzen konnte er sich nicht.

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Zhao ZiyangBild: AP

Das letzte, was die Welt von Zhao Ziyang sah, war das Bild eines verzweifelten Mannes. "Wir sind zu spät gekommen", rief er den Studenten auf dem Tiananmen-Platz durch ein Megafon zu - und fügte mit erstickter Stimme hinzu: "Es tut uns leid." Zum letzten Mal appellierte er eindringlich an die Studenten, ihren Hungerstreik aufzugeben. Noch wusste niemand, dass er seinen Kampf gegen die Hardliner im Politbüro bereits verloren hatte. Am nächsten Tag verhängte die Regierung den Ausnahmezustand über Peking. Zhao trat nie wieder öffentlich in Erscheinung.

Jugend im Dienst der Partei

Begonnen hatte Zhao Ziyangs Parteikarriere fünfzig Jahre zuvor. 1919 als Sohn eines Grundbesitzers geboren, trat er bereits mit 13 Jahren in die Kommunistische Jugendliga ein. 1938, während des chinesisch-japanischen Kriegs wurde er in die Kommunistische Partei aufgenommen. Nach der Gründung der Volksrepublik setzte er die Landreform in der Provinz Guangdong um und diente dort in den sechziger Jahren als Provinzgouverneur. Während der Kulturrevolution wurde er als "stinkendes Element der Gutsherrenklasse" verfolgt und öffentlich gedemütigt.

China Flashgalerie Peking Tiananmen Jahrestag 19 Mai 1989 Zhao Ziyang spricht zu den Studenten
Zhao spricht zu den Studenten auf dem Platz: Es war sein letzter AuftrittBild: AP

Nach seiner Rehabilitierung in den siebziger Jahren wurde er Gouverneur der Provinz Sichuan, wo er sich einen Namen als mutiger Reformer machte. Vor allem seine landwirtschaftlichen Reformen führten zu einer spürbaren Verbesserung der Lebensmittelversorgung. "Yao chi liang, zhao Ziyang" ging ein geflügeltes Wort in der Provinz: "Willst du essen, such Ziyang" - ein Wortspiel mit seinem Familiennamen, der klingt wie das Verb "suchen".

Verständnis für die Studenten

1980 holte Deng Xiaoping Zhao als Premierminister nach Peking, um die Reformen im ganzen Land zu dirigieren. Gemeinsam mit Generalsekretär Hu Yaobang galt er als Wortführer der Reformer in der Partei. Als Hu sich 1987 Studentenprotesten gegenüber versöhnlich gezeigt hatte, musste er seinen Posten räumen. Zhao wurde sein Nachfolger als Parteichef.

Chinas ehemaliger Parteichef Zhao Ziyang gestorben
Gelegentlich konnte er später sein Haus verlassenBild: dpa

Zu Beginn der Proteste vom Frühjahr 1989 trat Zhao kaum in Erscheinung. Ende April, als die Proteste bereits in vollem Gang waren, hielt er an einem geplanten Besuch in Nordkorea fest. Zhao hielt sich auch in Pjöngjang auf, als im Parteiorgan "Volkszeitung" der verhängnisvolle Leitartikel erschien, der die Proteste scharf verurteilte und damit erst zur Radikalisierung beitrug. Nach seiner Rückkehr schlug Zhao dann aber schnell einen versöhnlicheren Ton gegenüber den Studenten an. Er lobte die Bewegung als "patriotisch“, sicherte zu, dass die Regierung die Beschwerden ernst nehme und bot Gespräche an. In den folgenden Tagen wurde allerdings immer offensichtlicher, dass Zhao nicht für die gesamte Parteispitze sprach. Er konnte sich nicht gegen die Hardliner durchsetzen.

"Gebt uns Zhao Ziyang zurück"

Viele Studenten verstanden wohl erst im Nachhinein, was sie an ihm gehabt hatten. Forderten einige zu Beginn der Proteste noch seinen Rücktritt in einer Reihe mit Premierminister Li Peng und Deng Xiaoping, so hieß es nach seiner Absetzung: "Gebt uns Zhao Ziyang zurück!" Sie bekamen ihn nicht wieder. Zhao stand bis zu seinem Tod 2005 unter Hausarrest.

Eine private Trauerfeier für Zhao Ziyang der ehemalige KP-Generalsekretär Chinas
Trauerfeier in seinem HausBild: Xiao Xu

Vier Jahre danach sind nun seine Erinnerungen erschienen. Auf Tonbändern wurden sie aus der Volksrepublik herausgeschmuggelt. Bereut hat er seine Haltung nicht. "Welche Beweise für einen geplanten Umsturz haben denn die vielen Verhöre erbracht?", fragt er in den Aufzeichnungen trotzig und spricht sich für die westliche Demokratie aus. Für einen chinesischen Kommunisten unerhört. Mit seinem eigenen Schicksal hat er sich wohl abgefunden. "Ich bin alt", hatte er den Studenten bei seinem letzten Auftritt noch gesagt. "Da macht es nichts mehr."

Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Matthias von Hein