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Der Weltmeister der Townships

17. Mai 2010

Llevellyn und Danny Jordaan sind ein ungleiches Bruderpaar. Der eine organisiert Südafrikas WM, der andere bekämpft Gewalt und Drogen - mit Hilfe des Fußballs.

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Sozialarbeiter Llevellyn Jordaan in seinem Büro (Foto: DW)
Mit Fußball gegen Gewalt: Sozialarbeiter Llevellyn JordaanBild: DW/Schadomsky
Südafrikas WM-Chef Danny Jordaan mit Maskottchen (Foto: DW)
Südafrikas WM-Chef Danny Jordaan mit Maskottchen ZakumiBild: DW/Boettcher

Einmal mehr hat Llevellyn Jordaan kein Glück gehabt. Die Sekretärin seines Bruders hat ihn auch heute wieder abblitzen lassen: "Sorry, Danny ist beschäftigt." Llevellyn nimmt es mit Gelassenheit. Noch glaubt er daran, dass sein berühmter Bruder sein Versprechen einlösen und ihn noch vor der Weltmeisterschaft in Lavender Hill besuchen wird. Dort, in Kapstadts notorischstem Gangland, arbeitet der jüngste Bruder von Südafrikas WM-Chef weit ab von der Glitzerwelt der FIFA und des Ausrichterkomitees mit den härtesten Gangstern des Landes. Tag für Tag wird er im Hinterhof der Vorzeigemetropole Kapstadt mit dem anderen, dem hässlichen Südafrika konfrontiert: den Drogen, den Bandenkriegen, der ausufernden Gewalt. Viel haben sie nicht gemein, die beiden Jordaan-Brüder.

Das ungleiche Bruderpaar

Hier Danny: glamourös und mit Dreitagebart, der "Beckenbauer" der südafrikanischen Fußballwelt, aufbrausend vor allem gegenüber allzu kritischen Journalisten. Dort der ruhige Llevellyn, der um 9 Uhr morgens nicht Sepp Blatter, sondern die misshandelten Frauen und Freundinnen von Gangmitgliedern empfängt.

Südafrikanische Jugendliche auf Bolzplatz (Foto: DW)
Jugendliche auf einem Bolzplatz in dem Kapstadter Township und notorischen Gangland Lavender HillBild: DW/Ludger Schadomsky

Doch eine Vision eint die beiden unterschiedlichen Brüder: Der Glaube, dass Fußball die brutalisierte südafrikanische Gesellschaft verbessern kann. "Das erste, was die Gangster sagten, war: 'Lasst uns Fußball spielen!'", erinnert sich Llevellyn Jordaan. Kurz vor den ersten demokratischen Wahlen am Kap 1994 stand die Township Lavender Hill wie das gesamte Land kurz vor dem Bürgerkrieg. Es rächte sich die perfide Rassenpolitik der weißen Minderheitenregierung, Farbige und Schwarze in Wohnbatterien ohne jede Infrastruktur abzuschieben. Das produzierte Gewalt und Hoffnungslosigkeit. Die Gangkriege forderten täglich Todesopfer, die Armee stand kurz davor einzumarschieren. Also griff Sozialarbeiter Llevellyn kurzerhand zum Ball. Er schaffte es, die Mitglieder der härtesten Gangs, der "Boston Kidz" und der "Mongrels", zu einem Fußballspiel zusammenzubringen.

Die versöhnende Kraft des Fußballs

Auch wenn dem einen oder anderen die Pistole im Hosenbund juckte - am Ende herrschte Frieden, Kapstadts Tageszeitungen feierten den Sozialarbeiter Jordaan auf der ersten Seite. "Ich habe sofort Danny angerufen und gesagt: 'Stell Dir vor, die verfeindeten Banden spielen gegeneinander Fußball!'" Der Bruder, damals schon einflussreich, half, den neugegründeten Fußballclub FC Lavender Hill in der lokalen Fußballliga zu etablieren. Der Slogan "A child in sport is a child out of court" - "ein Kind, das Sport treibt, ist ein Kind, das nicht straffällig wird" - wurde geboren. Jordaan lacht, wenn er sich an die frühen Gangstermatches erinnert. "Viele der ersten Spiele eskalierten. Wenn ein Team zu verlieren drohte, zückten die Spieler die Waffe und bedrohten den Schiedsrichter."

Im Fadenkreuz der sozialen Probleme

Township in Soweto (Foto: Das Fotoarchiv)
Noch immer von Armut geprägt: Townships in SüdafrikaBild: Das Fotoarchiv

16 Jahre später hat sich in Lavender Hill mit seinen 85.000 Einwohnern nicht viel geändert, auch wenn die tödliche Bandengewalt etwas rückläufig ist. Mit seiner Jugendarbeitslosigkeit von 85 Prozent, dem Alkohol-, Frauen- und Kindermissbrauch steht der Vorort stellvertretend für Südafrikas Post-Apartheid-Probleme. Doch Sozialarbeiter Jordaan vertraut weiter dem runden Leder. An diesem Sonntag ist der Bolzplatz gut besucht, statt Drogen jagen die Kinder im FC-Liverpool-T-Shirt dem Ball mit den WM-Farben Südafrikas nach. Llevellyn Jordaan sieht es mit Freude: "Wir müssen das Potential dieser Jungs nähren und entwickeln, und es ist unsere Verantwortung, dass sie nicht in die falschen Händen geraten", sagt er. Weil sein Projekt aus Deutschland gefördert wird, kann Jordaan auf die Unterstützung und den Fußballsachverstand deutscher Zivildienstleistender bauen. Sie geben nachmittags den Kindern von Lavender Hill Nachhilfeunterricht - mit und ohne Ball.

Von der Straße auf den Fußballplatz

Panorama von Kapstadt mit Meer und Tafelberg (Foto: picture alliance)
So sieht sich Kapstadt gerne: als moderne Metropole vor malerischer KulisseBild: picture alliance/dpa

Auch Turner Adams ist dann mit von der Partie. Er ist der ehemalige Anführer der notorischen Gefängnisgang "28", die Lavender Hill jahrelang terrorisiert hat. Heute hat der ganzkörpertätowierte Hüne den Drogen und den tödlichen Revierkämpfen abgeschworen und ist zum Fußball-Botschafter des Viertels aufgestiegen. "Wir haben hier in Lavender Hill zehn Ronaldinhos und zehn Messis", ist sich Turner sicher. "Es ist jetzt an uns Ehemaligen, den Kids Kriminalität und Drogen auszureden." Und dann schimpft Turner, wie viele in diesen Tagen, auf die FIFA und Südafrikas Fußballbosse. "Von dem ganzen Geld kommt hier unten nichts an", sagt er. "Jemand vom südafrikanischen Fußballverband oder den WM-Organisatoren könnte sich hier mal blicken lassen."

Das ist auch die Hoffnung von Llevellyn Jordaan. An diesem Morgen macht er wieder die Runde durch Lavender Hill. In der letzten Nacht hat es Schießereien gegeben, die Gangs stecken ihr Revier ab, die WM verspricht lukrative Drogengeschäfte. Bislang hat es Danny Jordaan nicht geschafft, seinen Bruder zu besuchen. Dabei war das doch die Trumpfkarte von Südafrikas WM-Bewerbung: Entwicklung durch Fußball - wie es Llevellyn Jordaan und seine deutschen Zivis versuchen. "Wir warten darauf, dass er die Zeit findet und seinen Worten endlich Taten folgen lässt."

Autor: Ludger Schadomsky

Redaktion: Dirk Bathe/Jan-Philipp Scholz