1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der Weltmeister stürzt ab

Dirk Kaufmann11. Oktober 2014

Die deutsche Nationalelf war als haushoher Favorit zur WM-Qualifikation nach Polen gereist. Doch die polnischen Außenseiter erkämpfen sich einen glücklichen, aber verdienten 2:0-Heimsieg.

https://p.dw.com/p/1DTjR
EM-Qualifikation Polen - Deutschland 11.10.2014
Bild: Reuters/Kacper Pempel

Vor Spielbeginn schien schon alles klar zu sein: Der polnische Fußball ist in einer Umbruchphase, der deutsche dagegen in einem Hoch, noch nie haben die Polen gegen eine DFB-Vertretung gewonnen und die kamen zudem als frischgebackene Weltmeister. Doch wie so oft, kam es auch an diesem schönen Herbstabend in Warschau ganz anders, als man denkt. Das zweite Pflichtspiel mit vier WM-Sternen auf der Brust wurde für die Deutschen am Ende ganz bitter. Der unterschätzte Gastgeber gewann dank effizientem Konterfußball mit 2:0 (0:0).

Der Bundestrainer musste auf viele Stammspieler verzichten, darunter Benedikt Höwedes, Marco Reus, Ilkay Gündogan, Bastian Schweinsteiger und Mesut Özil. Die Personalnot brachte aber einem Senkrechtstarter der jungen Bundesligasaison eine unverhoffte Chance: Karim Bellarabi von Bayer Leverkusen machte sein erstes Länderspiel. Ein anderes Debüt gab es an der Seitenlinie, wo Thomas Schneider zum ersten Mal als Assistent von Bundestrainer Joachim Löw auf der Bank saß.

Bemüht, aber erfolglos

Die Deutschen taten sich unter den Augen von 60.000 Zuschauern im vollen Nationalstadion von Warschau, unter ihnen Außenminister Frank-Walter Steinmeier, vom Anpfiff an sehr schwer. Erst nach zehn Minuten schoss Thomas Müller erstmals aufs Tor, aber aus mehr als 20 Metern konnte er Polens Keeper Wojciech Szczesny keine Probleme bereiten.

Dann die 17. Minute: Toni Kroos brachte einen Freistoß auf den langen Pfosten, aber Mats Hummels bekam den Kopf nicht richtig hinter den Ball - auch nur eine halbe Chance. Nach vorn gelang zunächst gar nicht viel: Zu oft standen die deutschen Offensivspieler mit dem Rücken zum Tor, wenn sie angespielt wurden, da konnte kein Spielfluss aufkommen.

In den letzten Minuten der ersten Hälfte kontrollierte die deutsche Mannschaft das Spiel dann zunehmends und kam zu Chancen: So schoss der starke Debütant Karim Bellarabi in der 38. Minute nur knapp am langen Pfosten vorbei. Direkt im Anschluss hatte Müller die Konterchance, wieder ging der Ball knapp vorbei. Drei Minuten später köpfte Müller über die Latte, dann hatte Bellarabi noch eine Chance, aber Szczeszny hielt. Das Unentschieden zur Pause ist etwas glücklich für die Polen

EM-Qualifikation Polen - Deutschland 11.10.2014
Der erste Sieg einer polnischen Mannschaft über eine DFB-Elf ist perfekt.Bild: Reuters/Kacper Pempel

Bemüht, aber schnell bestraft

Die Deutschen kamen mit Energie aus der Pause, drängen die Hausherren hinten rein - doch die konnten kontern: Borussia Dortmunds Lukasz Piszczek flankte, Manuel Neuer kam zu spät heraus, sah dabei gar nicht gut aus und Arkadiusz Milik nutzte diese Situation eiskalt aus. Per Kopf erzielte er das 1:0 für Polen (50.) - die erste Chance der Gastgeber im Spiel.

Deutschland wollte antworten, kam aber nicht recht dazu: Schlenzer von Schürrle, Szczesny parierte, wieder nichts mit einem Tor für die DFB-Elf (55.). Die Deutschen ließen sich aber nicht entmutigen und machten weiter Druck. Die Polen lauerten auf Konter, doch Manuel Neuer spielte nun wie gewohnt als letzter Mann gut mit.

Doch der Elf von Bundestrainer Löw lief die Zeit davon. Die Angriffsbemühungen brachten einfach nichts Zählbares. In der 77. Minute reagierte Löw und brachte den in Polen geborenen Deutsche Lukas Podolski für den nicht immer glücklich agierende Andre Schürrle in die Partie. Beinahe wäre dies der goldene Wechsel des Spiels geworden.

Bemüht, aber zunehmend kopflos

Denn in der 81. Minute stand Podolski plötzlich frei vor dem polnischen Tor und schoss volley an die Latte. Zwei Minuten später zog Joachim Löw sein letztes Ass aus dem Ärmel: Gladbachs Stürmer Max Kruse kam für Verteidiger Antonio Rüdiger. Mit drei nominellen Spitzen wollte die DFB-Elf, die polnische Defensive knacken - was aber nicht gelang. Bellarabis Schuss in der 87. Minute wurde abgeblockt, der Nachschuss ging knapp drüber. Und dann konterten die Polen noch einmal - und wie! In der 88. Minute machten sie den Sack zu und erzielten das verdiente 2:0. Lewandowski ließ Verteidiger Durm stehen und passte in die Mitte: Sebastian Mila ließ Manuel Neuer keine Chance. Polens zweite Chance und Polens zweites Tor.

Deutschland warf noch einmal alles nach vorne: Ein Podolski-Schuss wurde abgeblockt – die Polen verteidigten mit Herz und Leidenschaft. Deutschland musste sich am Ende geschlagen geben das Spiel und dass, obwohl sie Chancen für zwei Spiele gehabt haben.

Neuer: "Mein Fehler!"

Bundestrainer Löw wollte der Mannschaft nach dem Abpfiff "keinen Vorwurf machen, vielleicht einen: Wir sind mit den Chancen zu fahrlässig umgegangen." Torwart Neuer machte ebenfalls die Chancenverwertung für die Pleite verantwortlich: "Die Niederlage war vermeidbar. Wenn wir in Führung gehen, gewinnen wir auch." Selbstkritisch verschwieg er aber auch seinen eigenen Anteil am Spielausgang nicht: "Beim ersten Gegentor komme ich zu spät, mein Fehler."

Wie stolz die polnischen Spieler über den ersten Sieg gegen eine DFB-Elf waren, brachte Lukasz Piszczek zum Ausdruck: "Wir sind überglücklich. Wir haben Geschichte geschrieben." Der für Borussia Dortmund spielende Verteidiger analysierte das Spiel treffend: "Wir haben auf unsere Konterchancen gewartet. Den Unterschied hat gemacht, dass wir unsere Chancen genutzt haben."

Gibraltar hat auch verloren

In der deutschen Gruppe, der Qualifikationsgruppe D, spielten heute auch Schottland gegen Georgien und Irland gegen Gibraltar. Die Männer vom britischen Felsen am Mittelmeer werden ihren Besuch auf der grünen Insel so schnell nicht vergessen, sie verloren nämlich deutlich: Irland - Gibraltar: 7:0 (3:0). Die Schotten ließen ihren Gästen aus Georgien keine Chance und gewannen mit 1:0 (1:0), knapp aber ungefährdet.

In der Gruppe I spielten Armenien gegen Serbien 1:1 (1:1) und Albanien gegen Dänemark 1:1 (1:0). In der Gruppe F gab es heute Abend drei Spiele: Rumänien gegen Ungarn 1:1 (1:0), Finnland gegen Griechenland 1:1 (1:0) und Nordirland gegen die Färöer-Inseln 2:0 (2:0).