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Der Zweck bin ich

Rafael Heiling21. Februar 2003

Menschen nicht mehr zu zeugen, sondern zu erzeugen – das ist ethisch absolut unvertretbar, sagen Wissenschaftler. Denn: Niemand soll sich mit der Klon-Technik ein genetisches Ersatzteillager züchten dürfen.

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Die einzig erlaubten Klone: eineiige ZwillingeBild: AP

Das so genannte reproduktive Klonen böte verführerische Möglichkeiten: Man könnte Nachkommen herstellen, die genauso aussehen, wie die Eltern es sich wünschen. Oder man könnte vielleicht eine Kopie von sich selbst erzeugen, die einem im Ernstfall problemlos ein Organ spenden kann. Das wäre ethisch gesehen der blanke Horror.

Klonen verletzt die Würde

"Das zentrale Problem ist, dass ein Mensch mit einem bestimmten Ziel, einem Zweck, erschaffen würde", erklärt Volker Gerhardt, Professor für Philosophie an der Berliner Humboldt-Universität, gegenüber DW-WORLD. "Aber der Mensch ist dieser Zweck selbst. Alles andere widerspricht unserem Grundverständnis vom Menschen." Daran sei auch die Würde geknüpft: Menschen sollten selber frei entscheiden, warum sie auf Erden sind.

Auch Sigrid Graumann vom Institut Mensch, Ethik, Wissenschaft (IMEW) in Berlin lehnt Klonen zur Fortpflanzung eindeutig ab. "Da würde mit einem Grundprinzip gebrochen, nämlich mit der Achtung des Anderen ohne Bedingungen", erklärt sie DW-WORLD. Für Volker Gerhardt ist es extrem wichtig, dass niemand allein nach Maßstäben anderer erzeugt wird.

Für immer bloß Nummer zwei

Sigrid Graumann sieht noch ein weiteres Problem: Bisher braucht man fürs Klonen Hunderte Eizellen – "die Frauen müssten mit Hormonen behandelt werden, die krebserregend sein können, und ihre Fruchtbarkeit wird gefährdet." Die Wissenschaftlerin befürchtet eine Ausbeutung der Frauen. "In den USA ist es am deutlichsten, da gibt es schon jetzt Geld fürs Eizellenspenden: um die 10.000 Dollar. Junge Frauen, die es sich sonst nicht leisten könnten, finanzieren sich ihr Studium damit." Die Eizellenspende für künstliche Befruchtung werde "als altruistische Tat für andere Paare propagiert", sei aber in Wirklichkeit ein massiver Eingriff in die "menschliche Integrität". In Deutschland sei diese Spende ganz verboten.

Gerhardt sieht diese Gefahr zwar auch, findet sie aber weniger entscheidend im Klon-Streit. Auch die Befürchtung, Klon-Menschen könnten Identitätsprobleme bekommen, weil sie nicht einmalig sind, teilt er nicht: "Zwillinge kommen damit ja auch ganz gut zurecht. Wenn es von einem Menschen viele Klone gäbe, wäre es aber sofort ein Problem." Graumann dagegen berichtet, dass auch Kinder, die durch gespendete Samen zur Welt kamen, eine schwierige Identitätsentwicklung hätten. Seelische Schäden seien demnach auch bei Klonen zumindest möglich – "besonders wenn man weiß, dass man ist nur als Abbild geschaffen worden ist".

Gute Gründe gibt es nicht

Graumann plädiert für ein komplettes Klon-Verbot – auch fürs therapeutische Klonen, "denn da werden Embryonen erzeugt, um später zu sterben". Und ob die Stammzellforschung überhaupt Krankheiten heilen könne, "das steht noch völlig in den Sternen". Gerhardt hingegen erklärt, dass er sich das therapeutische Klonen durchaus als möglich vorstellen könnte. In den ersten drei Monaten des Emryonen-Daseins könne man Forschung daran vertreten - "medizinische Zwecke immer vorausgesetzt, also für Krankheiten, die man anders nicht heilen kann", betont der Philosoph. Der vollständige Lebensschutz greift in seinen Augen erst, "wenn das Kind den Körper verlassen hat".

Doch dass ein Mensch eine Kopie von sich produzieren lässt, das lehnen beide Experten nachdrücklich ab. "Positive Argumente sehe ich ehrlich gesagt nicht", betont Graumann. Und Gerhardt pflichtet bei: "Wir dürfen es uns auf gar keinen Fall erlauben, Kinder zu klonen".