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Derzeit kein Platz für die Türkei

Andrea Kröll5. Februar 2004

In Brüssel verabschiedet die konservative Europäische Volkspartei ihr Programm für die Europawahlen. Mit dabei: CDU-Chefin Merkel. Sie muss wieder einmal Streit in den eigenen Reihen schlichten.

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Die Türkei als EU-Mitglied?
Angela Merkel und Edmund Stoiber im Bundestag
Merkel und StoiberBild: AP

Die Schwesterparteien sind sich nicht einig. Was die CDU will, findet nicht immer Beifall bei der CSU. Vier Monate vor der Europawahl streiten die Unions-Parteien über eine gemeinsame Linie gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei. Beide Parteien lehnen zwar einen EU-Beitritt der Türken ab, aber die CSU positioniert sich wesentlich deutlicher als ihre Schwesterpartei gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türken. Bis 2017 dürfe es keine weiteren EU-Beitritte geben - schon gar keinen der Türkei, heißt es aus München.

Türkei als Wahlkampfthema

Für weiteren Wirbel sorgte jetzt die Ankündigung des CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber, die Beitrittsfrage zum Wahlkampfthema Nummer Eins zu machen. Alles Unsinn - von einem Zwist in der Union wollte die CDU-Vorsitzende Angela Merkel am Mittwoch (4.2.2004) nichts wissen: "Es ist ein Thema, über das die Menschen sprechen, das auf der Tagesordnung ist, aber das Hauptthema ist die Frage: Wirtschaftswachstum, Wohlstand in Europa und Sicherheit in Europa."

Dennoch: Außer Acht lassen können die christdemokratischen Wahlkämpfer das Dauerthema "Beitritt ja oder nein" sicher nicht. Die meisten Einwanderer in Deutschland stammen aus der Türkei. Rund 600.000 türkisch-stämmige Wähler werden am 13. Juni 2004 mit über die Stimmverteilung im EU-Parlament entscheiden.

Beitritts-Option à la Kohl?

Trotzdem ist die Mehrheit der Unionsführung gegen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Von einer Beitrittsoption, die einst auch der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl den Türken gegeben hatte, wollen die Kohl-Enkel nichts wissen. Angela Merkel sieht allerdings keinen Widerspruch zwischen dem Versprechen Kohls und der momentanen Unions-Position.

"Richtig ist, das der Türkei - im Übrigen seit 1963 - versprochen wurde, dass sie Mitglied der Europäischen Union werden kann. Richtig ist aber auch zu den verschiedenen Zeitpunkten, weder die Integrationstiefe noch die Frage überblicken konnte, was genau die EU zu ihrem jetzigen Zeitpunkt zu verkraften hat", erklärte Merkel in Brüssel.

Merkel: keine falschen Versprechen

Es gibt mehrere Gründe warum die Union im Moment für die Türkei keinen Platz im Europäischen Haus sieht: zu schlechte Wirtschaftsdaten und kein ausreichender Schutz der Menschenrechte. Weiteres zentrales Kriterium für die Aufnahme von Gesprächen werde die türkische Unterstützung für eine Wiedervereinigung Zyperns sein.

Außerdem müsse die Europäische Union erst einmal die EU-Erweiterung am 1. Mai 2004 verkraften, bevor weitere Beitrittsverhandlungen beginnen könnten. Klare Ansagen, statt falscher Versprechen - so das Credo von Angela Merkel.

Eine Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union schließt Merkel auf absehbare Zeit aus. Stattdessen wirbt die CDU-Chefin für einen "dritten Weg". Wie der genau aussehen soll, kann sie den Türken in zwei Wochen selbst erklären. Bei ihrem Besuch in Ankara wird sie auch Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan treffen.