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Des einen Freud', des andern Leid - <br>Streit um die Urheberrechtsnovelle

Andreas Noll22. September 2003

Geht es um die Formulierung neuer Gesetze, wittern Lobbyisten ihre Chance, Einfluss zu nehmen. Auch bei der Urheberrechtsnovelle versuchten sie zu retten, was vielleicht nicht mehr zu retten ist.

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Auf der Gewinnerseite: der weltgrößte Musikkonzern Universal

Wenn die Interessenvertreter zur Lobbyarbeit nach Berlin ausschwärmen, dann wollen sie eigentlich nur informieren. Informieren über die wirtschaftliche Situation ihrer Branche, informieren über Folgen eines neuen Gesetzes oder auch über angeblich verzerrte Argumente der Gegenseite. Im Vorfeld der neuen Urheberrechtsreform wurde in den vergangenen zwei Jahren viel informiert: ungewöhnlich laut und häufig mit dem Hinweis auf einen drohenden wirtschaftlichen Niedergang.

Doch auch düstere Prognosen müssen erst einmal die Abgeordneten in Berlin erreichen. Das geht am besten auf den so genannten Anhörungen. Eingeladen war jedoch nur ausgewähltes Publikum, so der Medienjournalist Stefan Krempl. "Das waren fast nur Industrievertreter, von der GEMA, dem DIN-Institut und dem Börsenverein. Von der Nutzerseite dagegen saßen da nur der Bundesverband der Verbraucherzentrale und die IFROD. Die waren zu zweit alleine gegen eine Horde von Lobbyisten aus der anderen Industrie."

Erfolg für die Musikindustrie - Nachteile für Buchverlage

Aber auch ohne Anhörung haben es Initiativen wie "Rettet die Privatkopie" geschafft, sich bemerkbar zu machen – mit über vierzigtausend Protestmails an die Justizministerin. Die Musikindustrie hingegen kämpft seit Jahren gegen das hemmungslose private Kopieren von Musik. Das neue Gesetz gibt ihr jetzt ein Werkzeug in die Hand – denn in Zukunft ist das Kopieren nur unter strengen Auflagen erlaubt. Ein Erfolg für die großen Plattenfirmen.

Urheberrecht wird ausgehöhlt

Unzufriedenheit dagegen bei den Buchverlagen: sie sorgen sich wegen eines neuen Paragrafen: der erlaubt staatlichen Bibliotheken das Digitalisieren von wissenschaftlichen Artikeln. Ein enger Kreis von angemeldeten Forschern kann diese dann am eigenen Computer lesen. Gut für die Bibliotheken, die nur noch ein Exemplar der teuren Fachzeitschriften kaufen müssen.

Schlecht für die Wissenschaftsverlage, die sich in ihrer Existenz bedroht sehen. Langfristig bedeute das neue Gesetz gar eine Aushöhlung des Urheberrechts im Bereich von Lehre und Forschung, klagt Edith Caros, Geschäftsführerin des Verlegerausschusses im Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Sie fürchtet, dass "in der Zukunft der Wert des Urheberrechts immer weiter gering geschätzt wird". Dass der Gesetzgeber die Laufzeit des strittigen Paragrafen vorerst bis 2006 befristet hat, wird zwar beim Börsenverein begrüßt, doch rechtliche Schritte gegen das Gesetz erwägen die Interessenvertreter trotzdem. Möglicherweise eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Politik bleibt unbeeindruckt

Die Drohung mit einer solchen Klage gehört zum Alltag im deutschen Politik-Betrieb. Hans-Joachim Otto – medienpolitischer Sprecher der FDP – nimmt den Druck der Interessenverbände jedenfalls gelassen: "Als Politiker muss man damit leben können, darf sich nicht unter Druck setzen lassen und darf sich da auch nicht bedrängt fühlen. Wir sind dazu da, einen vernünftigen Ausgleich der Interessen herbeizuführen – um der Sache willen. Ich habe mich nie abhängig gemacht".

Ob der Ausgleich der Interessen im Fall des neuen Urheberrechts auch zu einer praktischen Lösung mit Bestand führt, bezweifelt der FDP-Politiker. Er rechnet damit, dass das Urheberrecht in den nächsten Jahren zu den großen Baustellen in der Politik gehören wird.