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Des Kanzlers Affront

Judith Hartl3. Juni 2005

Eigentlich hätte Bundeskanzler Gerhard Schröder den Bundespräsidenten als Ersten über seine Neuwahl-Absichten informieren müssen. Hat er aber nicht. Offensichtlich gibt es da ein erhebliches Kommunikationsproblem.

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Natürlich könnte es so gewesen sein. Der Herr Bundespräsident hatte einfach das Handy nicht an. Hat der Regierungssprecher gesagt. Dass der Kanzler versucht hat, den Köhler zu erreichen. Um ihm mitzuteilen: "Du Horst, ich sag‘s jetzt mal so - ich will Neuwahlen und das sag ich den Leuten jetzt gleich ....“. - "Aber wir erleben das ja alle mal, dass wir versuchen, jemanden anzurufen und es klappt nicht ...“, hat der Regierungssprecher ganz ernsthaft den Journalisten gesagt.

Häääääh? Klappt nicht??? - Handy ausgeschaltet, Festnetz kaputt, Telefonrechnung nicht bezahlt, Zusammenbruch bei der Telekom? Oder war der Akku leer? Klar - kennen wir natürlich. Da muss der Köhler jetzt auch nicht sauer sein, dass er, der erste Mann im Staat - die Knaller-Meldung - Neuwahlen – nicht persönlich vom Kanzler, dem vierten Mann im Staat, erfahren hat sondern aus dem Fernsehen.

Nicht wichtig genug?

Wobei der Bürger ja eigentlich vermuten könnte, dass der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland eventuell zwei oder drei Telefone hat oder mehrere Nummern. Vielleicht noch eine geheime, die immer frei ist und nur einige wenige kennen, wie zum Beispiel der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Für wichtige, ganz, ganz wichtige Angelegenheiten.

Also war die Angelegenheit für Schröder vielleicht nicht wichtig genug? Oder hat er, der Bundeskanzler die protokollarischen Regeln vergessen? Sind ihm vielleicht die Nerven durchgegangen nach dem verheerenden Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen? War es eine Kurzschlussreaktion und hat er sich erst wieder an den Bundespräsidenten erinnert - da war doch was - als dieser dann letztendlich zum Telefonhörer griff, um sich beim Kanzler zu erkundigen, was das denn nun sei mit den Neuwahlen und so?

Zwingen zum Weiterregieren?

Denn schließlich ist er es, der Bundespräsident, der entscheiden muss, ob Neuwahlen zulässig sind oder nicht. War es dem Kanzler peinlich als Köhler anrief und speiste er ihn tatsächlich mit der Erklärung ab - "Du, als der Franz Müntefering das mit den Neuwahlen vor hunderten von Mikrofonen verkündete, da war das noch gar nicht spruchreif sondern erst so eine angedachte Idee ....."

Das jedenfalls behauptet ebenfalls Schröders Regierungssprecher. Hat Köhler in den Hörer gebrüllt? Oder dem Kanzler gedroht, ihn zum Weiterregieren zu zwingen, oder meinte er vielleicht nur lakonisch - "Is mir alles egal - Hauptsache ihr Sozis seid bald weg?“ Wir werden‘s leider nie erfahren. Aber Schröders Verhalten war - ganz klar ein Affront, war eine Respektlosigkeit gegenüber Horst Köhler. Aus welchen Gründen er den Bundespräsidenten so einfach ignoriert hat, spielt dabei keine Rolle.