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Des Pleitegeiers weite Kreise

Claus-Dieter Gersch 29. Juli 2002

98,6 Milliarden Euro - das war der Schuldenstand der deutschen Kommunen, also der Landkreise, Städte und Gemeinden, Ende 2001. Eine (er-)drückende Last, meint Claus-Dieter Gersch.

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Die deutschen Städte sind hochverschuldet. Vielen steht das Wasser bis zum Hals. Die Hauptstadt Berlin ist fast pleite, und in München, der heimlichen Hauptstadt mit Herz - bisher reich und aufstrebend - hat der Oberbürgermeister eine Hauhaltssperre verfügt. Denn die Kassen sind leer, und wenn die Kassen leer sind, kann man auch nichts mehr ausgeben.

Das sei wirklich Horror, sagte kürzlich die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Petra Roth, angesprochen auf die riesigen Steuerausfälle der Städte und Gemeinden. Ohne eine tiefgreifende Reform der Gemeindefinanzen könnten die Städte nicht überleben, warnte Petra Roth. Sie weiß, wovon sie spricht, denn sie ist Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main. Allein in Frankfurt sank das Steueraufkommen aus der Gewerbesteuer gegenüber dem Vorjahr um 37 Prozent. Die Gewerbesteuer erheben die Gemeinden von den gewerblichen Betrieben, also den Unternehmen. Einen großen Teil der Gewerbesteuereinnahmen behalten sie ein, den Rest müssen sie an das Land und den Bund abführen. Eine schwache Konjunktur wirkt sich also direkt auf die Kassen der Städte aus.

Nun, da die Zahlen für das erste Halbjahr 2002 vorliegen - die Einnahmen aus der kommunalen Gewerbesteuer sind um 14 Prozent gesunken -, schlagen die Stadtkämmerer Alarm. Die bayerische Landeshauptstadt München mit ihrem Notruf an den Bundeskanzler, er möge doch sofort eingreifen, ist ein Beispiel dafür, wie auch reiche Kommunen in Bedrängnis geraten können. Neben München haben viele andere Städte in Bayern, darunter Nürnberg und Würzburg, eine Haushaltssperre verhängt. Anderswo sieht es nicht besser aus: über Essen kreist der Pleitegeier, sogar Ludwigshafen ist betroffen, in der Stadt sitzt der weltgrößte Chemiekonzern BASF. Und hier liegt einer der Gründe für die drohende Pleite der Städte: Viele große Unternehmen zahlen teilweise überhaupt keine Gewerbesteuer mehr.

Auf der einen Seite sinken die Einnahmen; auf der anderen Seite steigen die Aufgaben, die Bund und Länder beschließen und den Kommunen zuweisen, ohne dass diese sich dagegen wehren könnten. So sind zum Beispiel die Städte für die Zahlung der Sozialhilfe zuständig. Da die Zahl der Sozialhilfeempfänger steigt, die Abgaben der gewerblichen Wirtschaft sinken, entsteht ein Teufelskreis, aus dem die Städte aus eigener Kraft nicht herauskommen.

Deshalb ist eine Gemeindefinanzreform längst überfällig. Die Kommunen - die ja der unmittelbare Lebensraum der Menschen sind - müssen finanziell planen, müssen Zukunft gestalten können. Sie müssen aber auch effizienter wirtschaften, zum Beispiel in der Verwaltung. Städtische Subventionen sollten immer wieder auf den Prüfstand. Hier könnten, mehr als bisher, die Wirtschaft, aber auch wohlhabende Privatleute einspringen, die sich ja immer erfolgreicher vor der Zahlung von Steuern drücken: die Wirtschaft und wohlhabende Bürger als Sponsoren der Oper und des Theaters, der Schwimmbäder und Kindergärten. Das ist keine neue Erfindung. Nur herumgesprochen hat es sich noch nicht. Und sanfter Druck der Kommunen könnte manches Wunder bewirken.