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Des Schreibers Schlemmerbordell

Patrick Tippelt27. März 2006

Pressefreiheit? Leserverdummung? Die Beziehung zwischen Bangkoks Gastronomie und Lifestyle-Magazinen verleiht dem Begriff "inzestuös" neue Bedeutung.

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Die E-Mail klang versöhnlich, aber dahinter steckte eine klare Drohung. Zum Dinner sah sich der Herausgeber von Bangkoks jüngstem Stadtmagazin eingeladen, hoch oben über den Dächern Bangkoks, in einem der schicksten Gastro-Tempel der Stadt. Was ihm die Galle hochtrieb, den Angstschweiβ ausbrechen lieβ. Denn just dieses Restaurant hatte er gewagt zu verreißen.

Die kurze Kritik war nun nicht gerade voller vernichtender Urteile; beinahe dezent wies sie Leser auf Unstimmigkeiten im Preis-Leistungs-Verhältnis und auf eine für Bangkok strenge Kleiderordnung hin.

Stundenlange Tiraden

Das aber reichte vollkommen für die Vorladung zum Abendessen. Der Herausgeber folgte dem Befehl und lieβ eine stundenlange Tirade über sich ergehen – vom wütenden Restaurantmanager. Man würde die Zeitschrift vor Gericht bringen, wegen Verleumdung; ob er denn nicht wisse, welchen Clans das Etablissement gehöre; was für ignorante, freche (und dazu noch westliche) Schreiberlinge er da angestellt habe, die wohl aus Neid Lügen verbreiteten. Anschlieβend überreichte der Manager dem Herausgeber eine dünne Mappe, gefüllt mit Forderungen. Der Text müsse umgeschrieben werden.

Etwas für Bangkok bisher Ungeschehenes, geradezu Unmögliches passierte: der Herausgeber spurte nicht, sondern ignoriert seitdem das Restaurant – für Leser seines Magazins existiert es schlichtweg nicht. Applaus erhielt er von Kollegen stadtweit, aber nur leisen.

Dies kam für einen Chefredakteur einer anderen Lifestyle-Zeitschrift zu spät. Er wurde, Anfang März, von einem Tag auf den anderen entlassen, weil er eine zu negative Rezension eines Wellness-Hotels durchgehen lieβ. Dumm nur, dass die Hotelkette einer der Hauptinserenten des Blattes war.

Gänseleber, Hummer und Kobe-Steak

Alltag in Bangkoks Presselandschaft. Kritik an Gastrobetrieben, Bars und Hotels ist unbekannt in lokalen Magazinen und Zeitungen. Die eiserne Regel der guten Miene lautet: Leistet sich ein Restaurant nicht zu übersehende Patzer im Service oder in der Küche, bleibt die Rezension einfach unveröffentlicht.

Dafür leben viele, die für lokale Blätter schreiben, recht fürstlich. Tag für Tag umsonst speisen, Weine flaschenweise, auch mal freie Übernachtungen in den Luxushotels oder gar Ausflüge nach Samui und Phuket. Und kein gediegenes Hotel macht eine Ausnahme. Täglich kann man – ausnahmslos überall, im traditionellen Oriental und im just eröffneten Hilton – Schreiber beobachten, die von den PR-Beratern abgefüttert werden. In diesem kleinen Milieu gibt es stadtbekannte Schlemmer-Schmarotzer, die für ein Gratis-Dinner alles schreiben, was ihnen diktiert wird. Dafür muss es dann aber auch schon Gänseleberpastete, Hummer, Kobe-Steak sein.

Objektivität ist unerwünscht

Vetternwirtschaft? Inzest eher. Nicht nur zu Weihnachten gibt es grandiose Geschenkkörbchen. Die bekannteren Gesichter der Branche erhalten im Wochenturnus Pakete mit Kalendern, Esswaren und Gutscheinen. Und die Gastro-Branche profitiert selbstverständlich auch.

In Bangkok setzt einer immer noch einen drauf. Eine der PR-Damen, im Dienst eines international gepriesenen Restaurants, arbeitet weiterhin als "objektive", freie Schreiberin und verfasst für so manch unwissenden Reiseredakteur glühende Kritiken eben jenes Etablissements.

Eine eigentlich perfekt funktionierende Beziehung also. Nur dass es natürlich auch hier Dumme gibt: die Leser. Der Konsument kauft ein Stadtmagazin und erhält eine teure PR-Sammlung.