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"Design kann die Welt verändern"

3. März 2010

Funktional und effizient - diese Attribute hört man oft, wenn von deutschem Design die Rede ist. Doch der Trend geht woanders hin: Emotionen sind gefragt, sagt Andrej Kupetz vom deutschen "Rat für Formgebung".

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Detail der Fassade des Bauhaus-Gebäudes in Dessau (Foto: dpa)
Das Bauhaus - Die Geburt des deutschen DesignsBild: picture-alliance/dpa

Andrej Kupetz ist seit 1999 Hauptgeschäftsführer des deutschen "Rates für Formgebung". Das Institut zählt zu den weltweit wichtigsten Kompetenzzentren für Kommunikation und Wissenstransfer in der Welt des Design. DW-WORLD hat mit ihm über die Wurzeln des deutschen Designs und seine heutige Bedeutung in einer globalisierten Welt gesprochen.

DW-WORLD.DE: Wie einflussreich war deutsches Design im internationalen Vergleich in den letzten 100 Jahren?

Andrej Kupetz: Deutsches Design war sehr einflussreich, auch wenn dies eher dem Zufall geschuldet war. Durch die gesteigerte industrielle Produktion der 1920er Jahre konnte die Bauhaus Bewegung in Deutschland schnell an Einfluss gewinnen. Doch in den 1930er Jahren flohen viele Bauhaus Designer und Architekten vor dem Nazi-Regime. Und die USA hießen sie willkommen. 1932 organisierte Philip Johnson eine große Ausstellung im Museum of Modern Art in New York, die er "Modern Architecture: International Exhibition" nannte. Sie zeigte hauptsächlich deutsches Design, das fortan als "International Style" bekannt wurde. Dies war die Geburt des deutschen Designs, wie Bauhaus es erfunden hatte: modern und sehr funktionstüchtig in seiner Form. Dadurch, dass deutsche Designer aus politischen Gründen Deutschland verlassen mussten, wurde ihre Arbeit also der ganzen Welt bekannt. Darüber hinaus war es sehr einfach den Bauhaus-Stil in industrialisierten Ländern einzuführen, da er auf der Idee basierte, die Maschinen und Materialien der Zeit am besten und effizientesten zu nutzen.

Bauhaus Hocker C4 von Marcel Breuer (Foto:dpa)
Bauhaus-Design schlicht und modern: der Bauhaus Hocker C4 von Marcel BreuerBild: picture alliance / dpa

Ein anderer Höhepunkt des deutschen Designs war die Braun-Ära…

Die Braun-Ära war in vielerlei Hinsicht eine Fortführung der Bauhaustradition. 1953 entschied der Deutsche Bundestag, einen Rat für Formgebung zu gründen, als Reaktion auf die Tatsache, dass deutsche Unternehmen aufgrund zu schlechtem Produktdesigns auf internationalen Messen – wie der in Chicago 1948 und in New York 1949 – gescheitert waren. Die Regierung hatte also großes Interesse daran, die Wurzeln der erfolgreichen Designtradition der 1920er Jahre wieder aufleben zu lassen. In den 1950er und 1960er Jahren sah Deutschland dann, wie Braun die Ideen des Bauhauses nachbereitete und sie auf andere Produktionszweige übertrug. Während das Bauhausdesign sich sehr auf das Wohnen – also Möbel, Tischindustrie und so weiter – konzentriert hatte, bewegte Braun sich in Richtung der elektronischen Geräte, wenngleich mit demselben Anspruch: Design so funktional wie möglich zu machen.

Ist es diese Funktionalität, die deutsches Design charakterisiert?

Das Braun Radio von 1955 (Foto: Christoph Bickel)
Das Braun Radio von 1955Bild: Christoph Bickel

Der Gründer des Bauhauses, Walter Gropius, sprach immer von der "Effizienz der Form" und auch heute noch hat deutsches Design ein minimalistisches Äußeres, das sehr eng mit diesem Effizienzgedanken verflochten ist. Deutsches Design hat vor allem einen guten Ruf für seine technische Hochwertigkeit, doch häufig sieht es sehr funktional und sogar ein wenig unemotional aus. Doch es gibt ein gewisses Schema: Die Designer, die Deutschland in den 1930er Jahren verließen, waren Botschafter der deutschen Idee in der Welt. Und noch immer ist der deutsche Designstil einer, der ganz leicht von anderen Firmen übernommen werden kann. Schauen sie sich das Beispiel von Apple an: In den letzten Jahren hat das Unternehmen sehr erfolgreich die Designsprache von Braun aus den 1950er und 1960er Jahren übernommen und neue Ideen in die Welt der Unterhaltungselektronik überführt.

Wo befindet sie das neue Zentrum des deutschen Designs?

Eine Stadt wie Berlin ist für internationale Designer aufgrund seiner niedrigen Mieten, der günstigen Arbeitsräume und -bedingungen und der kreativen Atmosphäre sehr attraktiv. Berlin hat eine sehr lebendige Szene mit einer Menge kleiner und mittlerer Designbüros, die für Designer die größte Offenheit bedeuten. Doch auch wenn es das Drehkreuz in Bezug auf ein internationales Bewusstsein ist, die Zentren, um mit Design Geld zu verdienen und Beziehungen zwischen der Industrie und den Designern zu knüpfen, liegen immer noch in München und der Region um Stuttgart. Hier treffen die Designer auf mittelständische und große Unternehmen, die wissen wie wichtig gute Designer für ihre Arbeit sind.

Ist Design als solches von der Finanzkrise betroffen?

Andrej Kupetz (Foto: German Design Council)
Andrej KupetzBild: German Design Council

Die Finanzkrise hat unser Verständnis geschärft, was Design ist und was es sein sollte. In den letzten zwanzig Jahren war die Industrie vor allem kommerziell orientiert, wenn es um Design ging: Man benutzte es, um sich von den Produkten der Konkurrenz abzuheben, das ganze Prinzip war also sehr eng damit verbunden, mit einem Produkt und einem Unternehmen Geld zu verdienen. Heute sind Designer in dieser Hinsicht kritischer und wollen zu ihren Wurzeln zurückkehren. Das bedeutet, dass sie es sind, die die Bedürfnisse der Gesellschaft ausdrücken – beispielsweise durch Nachhaltigkeit und Bedürfnisorientierung ihrer Produkte. Während Firmen, die langfristige Pläne hatten und auf ein wiedererkennbares Markendesign setzten, heute gut dastehen, sind Firmen, die Design nur als kurzfristiges Marketinginstrument genutzt haben, oft verschwunden.

Neben der Nachhaltigkeit, was sind derzeit die Trends im Bereich Design?

Ein Trend, der in Deutschland, wo jahrelang funktionale Ansätze verfolgt wurden, erkennbar ist, ist dass wir jetzt mehr Emotionen sehen. Der Premium-Sektor von Autobauern, etwa Audi, BMW und Mercedes, ist immer noch unser größter Industriezweig. Ihre Designer haben begonnen mehr Emotionen zu schaffen, etwa mit ausdrucksstarken Formen und neuer Materialqualität im Interieur. Das ist ein neuer erfolgreicher Ansatz in Deutschland.

Sie sind der Sohn von Günter Kupetz. Er hat einige Ikonen des Deutschen Designs kreiert, etwa die Mineralwasserflasche der Deutschen Brunnengesellschaft. Können Sie erklären, was Designsymbole wirklich zu Ikonen werden lässt?

Die Perlenwasserflasche (Foto: Rainer Zenz)
Perlenwasserflasche von Günter KupetzBild: Rainer Zenz

Da müssen viele Dinge zusammenkommen. Zum einen muss man sich am Kunden orientieren. Man kann kein Symbolprodukt schaffen, ohne dass es zugleich einen Nutzen für den Kunden bringt. Die Mineralwasserflasche war eng mit der Entwicklung eines Softgetränkemarktes in den 1960er Jahren verbunden. Ein Design, das auf Symbole baut, muss zu der Zeit passen. Es geht hier nicht nur um die Form, sondern auch um die Marktlage. Und manchmal braucht es auch Zeit, damit ein bestimmtes Design zur Ikone wird. Denken Sie an die "Tizio"-Lampe von 1972 von Richard Sapper, ebenfalls eine deutsche Designikone. Es brauchte 10 bis 15 Jahre bis diese Schreibtischlampe es wirklich geschafft hatte, obwohl sie schon bei ihrer Einführung als innovativ galt. Aber der Hersteller Artemide glaubte an das Produkt und irgendwann wurde diese Schreibtischlampe wirklich zur Ikone. Man braucht also immer auch eine Firma mit einer Vision.

Haben Sie einen persönlichen Lieblingsgegenstand unter den deutschen Designobjekten?

Der Porsche 911, entwickelt 1963 von Ferdinand Alexander Porsche. Er hat seine Form niemals wirklich geändert, Porsche ist eine Ikone unter den Sportautos. Damals sagte er, dass er ein Auto bauen wolle, das in seiner Form neutral sei. In gewisser Hinsicht hat er sein Ziel also verfehlt.

Sind Sie optimistisch was die Zukunft des deutschen Designs betrifft?

Nicht so sehr was ein "made in Germany" angeht, denn viele Firmen, die auf dem Weltmarkt aktiv sind, produzieren nicht mehr in Deutschland. Wenn es aber um "designed in Germany" geht, so könnte dies auch auf lange Sicht eine Marke bleiben. Insgesamt ist deutsches Design sehr beliebt in der Welt.

Ist Design Luxus oder eine Notwendigkeit?

Definitiv eine Notwendigkeit. Die deutsche Industrie kann es sich nicht leisten nicht in Design zu investieren. Wir leben in einer globalisierten Welt und Deutschland muss etwas Besonderes anbieten – genau das kann Design sein. Designer drücken Veränderung in der Gesellschaft und in den Bedürfnissen der Menschen aus. Design kann die Welt verändern.

Interview: Jane Paulick (SJH)
Redaktion: Petra Lambeck