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Desinformation und Stärkebeweis

Peter Philipp7. April 2003

Die punktuellen Vorstöße der US-Truppen ins Zentrum Bagdads beweisen noch nicht viel. Der Krieg ist erst entschieden, wenn das Regime von Saddam Hussein seinen Einfluss verloren hat. Ein Kommentar von Peter Philipp.

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Militärische Erfolgsmeldungen sind integraler Bestandteil jeder Kriegführung. Und es darf deswegen nicht verwundern, wenn wir aus dem Irak täglich widersprüchliche Nachrichten hören. Wie oft waren Orte des Süd-Irak angeblich bereits erobert und wie oft waren sie dann wieder umkämpft. Oder der Flughafen von Bagdad: Die USA erobern ihn angeblich, während der Irak von der Vertreibung der US-Soldaten spricht. Und jetzt dasselbe Bild bei den Kämpfen im Zentrum von Bagdad: Amerikanische Panzer drangen in einen Präsidentenpalast ein. Das Informationsministerium und das berühmte "Al Rashid"-Hotel sollen eingenommen sein. Iraks unerschütterlicher Informationsminister Mohammed Al Sahhaf aber dementiert all dies.

Die irakische Führung dementiert auch das, was man weltweit in live ausgestrahlten Fernsehübertragungen hatte sehen können. Und diese Tatsache ist gegenwärtig wohl das Hauptproblem der Iraker. Das Problem der USA hingegen ist, dass auch noch so beeindruckende Vorstöße ins Zentrum der irakischen Hauptstadt kaum mehr sind und kaum mehr sein können, als eine kurzfristige Demonstration der Stärke. Nach dem Motto: Wir können zu jeder Zeit überall auftauchen. Wir haben die Initiative.

Die Initiative heißt freilich noch nicht: Die Stärke zum raschen Sieg. Denn die amerikanischen Vorstöße dürften nicht gleichgesetzt werden mit einer Einnahme von Teilen Bagdads. Sie sind mehr psychologisch motiviert und haben wahrscheinlich noch nicht das Ziel, die von ihnen erreichten Stadtteile auf Dauer zu halten.

Aber auch dies mag - wie so vieles in diesem Krieg - im Fluss sein. Sollte der irakische Widerstand in Bagdad nicht so gefährlich werden, wie man immer befürchtet hatte, könnten die US-Truppen leicht dazu verleitet werden, das von ihnen kontrollierte Gebiet in die Hauptstadt hinein auszuweiten. Wird der Widerstand gefährlich, dann ziehen die Amerikaner sich wieder zurück und deklarieren das Ganze als gelungene Einzeloperation. Wie auch immer: In dieser Phase des Krieges wird es offiziell nur Sieger geben. Denn man verheimlicht die eigenen Rückschläge und glorifiziert die Schlappen der Gegenseite als eigene Erfolge.

So aber wird die Entscheidung nicht zu erringen sein. Eine Entscheidung kann nur fallen, indem die Kämpfe weitgehend zum Stillstand kommen und das Regime Saddam Husseins seinen Einfluss auf die irakischen Bevölkerung verliert. Natürlich auch, wenn eine andere Autorität auftritt, um die Leitung des Landes - oder zumindest der Hauptstadt - zu übernehmen. Und hiervon scheint man noch weit entfernt zu sein. Obwohl in Kuwait bereits eine Interimsregierung auf ihren Einsatz warten soll und obwohl es bei der immer desolateren Lage der Zivilbevölkerung gerade dieser zu wünschen wäre, dass die Kampfhandlungen möglichst rasch zu Ende gehen.

Trotz immer wieder demonstrierter Loyalität Bagdader Bürger zu Saddam Hussein, ist kaum anzunehmen, dass die Verletzten in den überfüllten Krankenhäusern oder die Flüchtlinge und die Ausgebombten in diesen Stunden sich wirklich ernsthaft Sorgen um den Diktator machen.