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Detlef Opitz: Der Büchermörder

Wim Abbink1. September 2005

Ein historischer Kriminalfall - und ein Bibliophilenroman: Detlef Opitz erzählt in einem virtuosen Sprachspiel vom Unglück, die Bücher mehr zu lieben als das Leben.

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Nicht einfach nur einen historischen Kriminalroman oder gar eine Biographie über einen gewissen Johann Georg Tinius (1764-1846) liefert Detlef Opitz in seinem zweiten Roman "Der Büchermörder" ab. Es ist eher ein virtuoses Sprachspiel auf mehreren Ebenen, in dem Opitz die wahre Geschichte des bibliomanen Pfarrers Tinius erzählt. Der Magister der Theologie wurde 1813 im sächsischen Dörfchen Poserna unter dem Verdacht verhaftet, zwei Menschen wegen seiner Büchermanie ermordet zu haben. 40.000 bis 60.000 Bände soll seine Bibliothek umfasst haben, ein Vermögen, das mit dem Salär eines Dorfpfarrers niemals zu erwerben gewesen wäre.

Buchcover: Detlef Opitz - Der Büchermörder

Sieben Jahre recherchiert

Nach über zehnjährigem Indizienprozess wird Tinius 1823 zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt, obwohl es viele Ungereimtheiten gab und er bis zum Schluss jegliche Schuld leugnete. Sieben Jahre lang recherchierte Detlef Opitz zu diesem Thema, besuchte Archive in der ganzen Welt, trieb alte Original-Gerichtsakten und Briefe des manischen Büchersammlers auf. Auf Tinius war Opitz - selbst ein Bibliomane - per Zufall gestoßen. Sein Verleger hatte eigentlich einen kurzen Text über Goethe von ihm gefordert.

Im Laufe seiner Recherchen stolperte Opitz über eine Notiz, dass auch der berühmte Geheimrat einige Bücher des Tinius (laut Lexikon "Räuber und Mörder aus Büchersammelwuth") bei der Versteigerung von dessen Bibliothek 1821 für die Universitätsbibliothek in Jena ersteigern ließ. Den Text über Goethe lieferte Opitz nicht ab. Dafür neun Jahre nach Erscheinen seines ersten Romans ("Klio, ein Wirbel um L.") diesen wunderlichen, rund 350 Seiten dicken Schmöker.

Ein Lesevergnügen - aber kein leichtes

"Der Büchermörder" nähert sich dem kriminellen Bibliophilen auf vielerlei Weise. Zum einen rollt Opitz in seinem Roman den Fall neu auf, präsentiert Zeugenaussagen, Vernehmungsprotokolle und belastende Kassiber des Angeklagten. Zum anderen präsentiert er fast alle existierenden Texte über ihn und erzählt von seinen eigenen Nachforschungen. Dabei springt er mühelos vom verschnörkelten Kanzleideutsch des 18. Jahrhunderts ins Kneipendeutsch der Gegenwart.

Wer sich auf dieses oft mühsame, bestimmt nicht schnell zu konsumierende Spiel mit der deutschen Sprache einlassen mag, erwartet ein ganz besonderes Lesevergnügen.

Detlef Opitz: Der Büchermörder, Eichborn 2005, ISBN 3-8218-5763-3, EUR 24,90