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Im Doppelbett

13. Februar 2010

20 Jahre nach der Wiedervereinigung scheinen sich Ost- und West-Deutschland noch immer nicht richtig angenähert zu haben. Ein Buch erzählt von Liebesgeschichten, die Auskunft geben über den Stand der deutschen Einheit.

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Ein Soldat der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR küsst seine Frau 1989 in Berlin. (Foto: Reinhard Kaufhold, dpa)
Bild: picture-alliance/ ZB

"Ich weiß noch, als die Mauer gefallen ist", erinnert sich Jörg Schlüter. "Da hab' ich zu Hause gesessen mit meinem Vater und ich hab' da gestanden und gedacht, das ganze kostet nur sehr viel Geld und mein Vater saß da mit Tränen in den Augen und hat gesagt, "da wächst zusammen, was zusammen gehört." Da war Jörg Schlüter gerade Anfang 20. Wenige Jahre später verschlägt es ihn, den Sauerländer mit den Sommersprossen, in den hintersten Zipfel Mecklenburgs, 700 Kilometer von der Heimat entfernt. Vorstellungen über das Leben in der ehemaligen DDR hatte er keine, der Kulturschock blieb nicht aus. Spätestens, als er seine erste Plattenbauwohnung bezog. Die Leute, die mochte er. Besonders Anja, Krankenschwester, ein paar Jahre jünger als er.

Antje und Robert Bandemer sind ein Paar, das sich für das Buch "Doppelbett" fotografieren ließ. Foto: Bernd Lasdin
Ossi und Wessi: Antje und Robert Bandemer sind ein Paar, das sich für das Buch "Doppelbett" fotografieren ließBild: Bernd Lasdin

Langsam nähern sie sich an. Sie, für die die Wende dramatisch war und Zukunftsangst auslöste, fragte ihn aus nach dem Leben im Westen. Er fragte – nichts. So viel anders erschien ihm der Osten gar nicht. Auch wenn Jörg Schlüter zunächst irritiert war über die Leichtsinnigkeit und Gutgläubigkeit, mit der seine Frau sich ins kapitalistische Leben stürzte. Doch die Werte, die ihre Eltern ihnen mit ins Leben gegeben haben, sind die gleichen: Disziplin, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit. Sie sind die Basis für ihre mittlerweile 13-jährige Ehe und das sind die Werte, die sie auch an ihre zwei Kinder weitergeben wollen.

Vorurteile und Missverständnisse

Was passiert, wenn die Liebe ins Spiel kommt, wenn abseits rationaler Argumente und politischer Diskurse "Ossi" und "Wessi" plötzlich Gefühle füreinander entwickeln? Können sie mit den Unterschieden in der Sozialisation umgehen, und sind die gewachsenen Gemeinsamkeiten in einer Beziehung vielleicht bald viel wichtiger als die trennenden Vorurteile? Niemand weiß genau, wie viele Ost-West-Partnerschaften es derzeit in Deutschland gibt, wie viele jährlich hinzukommen oder vielleicht gar schon gescheitert sind. Und woran? Mit diesen Fragen im Kopf betrachtet die Journalistin Christiane Stelzer den Stand der Einheit Deutschlands und die Diskussion darüber aus einem ganz eigenen, persönlichen Blickwinkel. Ihre Tochter hat einen "Westmann" geheiratet, in ihrem Bekanntenkreis lernte sie viele "gemischte Ehen" kennen. Die Erkenntnis wuchs, dass es doch ein bisschen anders zugeht, als in Ehen zwischen Ost-Ost und West-West.

Mauer im Bett?

Bildband Cover: "Doppelbett – Ost-West-Paare"
Was verbindet? Was trennt? Eine Bestandsaufnahme der deutsch-deutschen Beziehungen

Zieht sich die Mauer in den Köpfen also auch durch Beziehungen? Das hat sie 58 Ost-West-Paare gefragt, der Neubrandenburger Fotograf Bernd Lasdin hat die Paare fotografiert. Arzt und Krankenschwester, Künstler und Muse, Soldat und Rechtsanwältin, jung, alt, gleichgeschlechtlich. Entstanden ist das Buch "Doppelbett – Deutsche Poträts und Selbstauskünfe", in dem die Paare ihre Liebesgeschichte erzählen, ihr Leben davor, ihre Zukunftspläne, aber auch von Vorurteilen und Ost-West-Konflikten, die in der Beziehung eine Rolle spielen. "Reden wir über die DDR", sagt Mathias Weymar, 30-jähriger Psychologe aus dem Westen, "kann es schon mal hitzig werden." Die Mauer hat seine West-Berliner Kindheit geprägt, auch wenn er und seine Lebensgefährtin Franziska Schulz aus Stralsund am 9. November 1989 noch Kinder waren. Sie erinnert sich an eine geborgene Kindheit in der DDR, er an eine geteilte Stadt. Doch allen Paaren ist gleich, dass die Unterschiede nicht trennen. Wenn die Familie also wirklich die kleinste Einheit der Gesellschaft ist – und wenn die Paare, die sie befragt hat, für die Zukunft der gemeinsamen Bundesrepublik stehen, dann, sagt Christiane Stelzer, gibt ihr das "ein bisschen Hoffnung für die Zukunft."

Autorin: Almuth Knigge
Redaktion: Elena Singer