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Deutsch lernen per #Heimkino

Greta Hamann22. Dezember 2014

Wie bringt man über 100 Menschen gleichzeitig ein bisschen Deutsch bei? Vor dieser Frage standen Julia Dombrowski und Markus Möller bei ihrer ersten Stunde im Flüchtlingsheim. Ihre Lösung ist nicht nur kreativ.

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Screenshot Youtube. (Foto: YouTube/Markus Möller)
Bild: YouTube/Markus Möller

Deutsche Welle: Sie sind keine Deutschlehrerin und haben auch sonst wenig Erfahrung in der Flüchtlingsarbeit. Wie kam es dazu, dass Sie in der Burbacher Erstaufnahmeeinrichtung jetzt ein Mal pro Woche Deutsch unterrichten?

Julia Dombrowski: Das Burbacher Flüchtlingsheim, das durch die Misshandlungsskandale in die nationalen Medien gekommen ist, war auch in der lokalen Tageszeitung bereits thematisiert worden. Die lokale Tageszeitung hatte vor rund 1,5 Jahren einen sehr rassistischen Artikel über dieses Flüchtlingsheim veröffentlicht. Das hat mich damals irrsinnig wütend gemacht und ich habe daraufhin einen offenen Brief geschrieben. Doch damit hat diese Zeitung es auch geschafft, dass das Heim in meinen Fokus geraten war. Denn bevor es den Artikel gab, wusste ich gar nicht, dass es in Burbach überhaupt ein Flüchtlingsheim gibt. Also habe ich mich an die Einrichtung gewandt mit der Frage, wie ich helfen kann. Die Antwort war: Deutschunterricht wäre das Richtige. Dann habe ich mich einfach getraut, obwohl ich keinerlei Erfahrungen habe. Ich habe mir gedacht, irgendwas machen ist besser als gar nichts tun.

Und der erste Kurs, den Sie gemeinsam mit Ihrem Freund Markus Möller gaben, war direkt gut besucht…

Der Ansturm war gigantisch, deutlich gigantischer als ich gedacht hatte. Wir standen dann zu zweit vor ungefähr 120 Personen und alles, was wir uns an Unterrichtskonzepten und spielerischen Ideen ausgedacht hatten, war vollkommen blödsinnig, weil es gar nicht denkbar war, normalen Unterricht zu geben.

Daraufhin haben wir uns etwas anderes einfallen lassen. Wir haben angefangen, unseren Deutsch-Unterricht durch kleine selbst gemachte Videos zu vermitteln. Wir haben unsere Freunde gebeten: Sprecht doch in eure Handykameras kleine Sätze. Die schneiden wir dann zusammen und nutzen das Ergebnis für unsere Lehrvideos.

Wie reagierten Ihre Schüler auf die Videos?

Uns ist immer sehr wichtig zu erklären, woher die Videos kommen. Also zu sagen, dass es mehr ist als ein Lernvideo, sondern auch einen Willkommensgruß und dass es Menschen in ganz Deutschland waren, die Lust hatten, ihnen mit diesem Willkommensgruß die ersten Schritte zu erleichtern. Um das klar zu machen, bitten wir immer Leute, die Englisch sprechen, es in ihre Landesprachen zu übersetzen, sodass es auch alle wissen. Wir bekommen sehr dankbare Reaktionen.

Über Ihre Erfahrungen bei den Deutschkursen bloggen sie auch. Einer Ihrer Einträge beginnt so:Ich heule ein bisschen, während ich seinen Text hier einstelle. Aber das ist okay. Wir sind ja keine Roboter. Und wollen es auch gar nicht sein.“ Wie gehen Sie emotional damit um?

Im Sommer, als wir begonnen hatten, hat es uns emotional einfach umgehauen, in das Heim zu gehen, wo so viele Menschen auf engem Raum zusammen leben müssen und wir haben das Bedrückende stark gespürt. Hinzu kommen die Geschichten von der Flucht, die uns die Leute erzählen. In den ersten Wochen hat uns das richtig mitgenommen und wir hatten beide wahnsinnige Schlafprobleme.

Inzwischen konzentrieren wir uns mehr auf die Begegnungen und freuen uns einfach daran, welche Menschen wir treffen. Dabei entstehen auch Freundschaften. Ich habe mal von einer anderen Ehrenamtlichen den Rat bekommen: Immer vorsichtig damit sein, deine Handynummer heraus zu geben. Das ist völliger Unsinn. Ich gebe jetzt genauso meine privaten Kontakte raus wie ich das immer mache, also nach Gefühl. Wenn ich jemandem vertraue und ich habe das Gefühl, das wird was, dann tauschen wir Nummern. Wenn ich denke, den muss ich nicht näher kennen lernen, mache ich das nicht. Und ob das jetzt jemand aus Syrien, aus dem Kosovo oder ein Deutscher ist, es ist immer dieselbe Art und Weise, wie man zwischenmenschlich aufeinander zugeht.

Porträt - Julia Dombrowski, Markus Möller und Samir aus Syrien. (Foto: privat)
Samir aus Syrien, Markus Möller und Julia Dombrowski unterwegsBild: privat

Man trifft eben auf Menschen und man mag sich oder man mag sich eben nicht. Da sitzen auch manchmal Leute in dem Kurs, wo ich denke, die sind mir nicht auf Anhieb sympathisch und manchmal hat man sofort einen Draht und man hat sich was zu erzählen und der andere interessiert sich auch für mich. Das ist dann eine Freundschaft. Man muss aufhören, in erster Linie an Geflüchtete zu denken. Man hat da Menschen vor sich, ganz normale Menschen. Die hätte man überall auf der Welt zu einem anderen Zeitpunkt auch treffen können. Nun haben wir sie getroffen, weil sie geflohen sind, aber das ändert nichts an unserem Umgang miteinander.