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Unterschätzt

5. April 2011

Die Telekom verkauft ihre US-Tochter T-Mobile - mit zehn Milliarden Euro Verlust. Nicht der erste Konzern, der sich in den USA eine blutige Nase geholt hat.

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T-Mobile- Laden am Times Square in New York (Foto: dapd)
Ist bald verschwunden: T-Mobile- Laden am Times Square in New YorkBild: dapd
Telekom-Chef Rene Obermann (Foto: dapd)
Telekom-Chef Obermann: Alleine nicht genug KapazitätenBild: AP

Vor gut zehn Jahren kaufte die Deutsche Telekom für rund 40 Milliarden Euro einen US-Mobilfunkanbieter, um im Wachstumsmarkt Amerika ganz vorne mit dabei zu sein. Etwa ein Jahrzehnt und viele Milliardeninvestitionen später soll T-Mobile, von vielen Amerikanern wegen Unzufriedenheit bei der Netzabdeckung auch "Terrible-Mobile" genannt, an den Branchenriesen AT&T verkauft werden. Ein weiterer deutscher Konzern, für den der Traum vom Erfolg am US-Markt nicht aufging.

Eigentlich war T-Mobile gerade dabei, sich mit einem starken 4G-Netzwerk, der neusten Technologiegeneration im Mobilfunkbereich zu brüsten. Eine ganze Reihe von US-Werbespots zeigt ein junges, dynamisches Mädchen, das von der schnellen Funktionalität ihres Handys schwärmt. Die Konkurrenten AT&T und Verizon werden als alte Männer in Rock'n'Roll Klamotten dargestellt, die ihrer Zeit hinterher zu hinken scheinen.


Aktionäre atmen auf

Eine Jacke mit dem adidas-Schriftzug wird in einem Sportgeschäft in Frankfurt über einem T-Shirt von Reebok geschlossen (Foto: dpa)
Mit dem Kauf von Reebok hat sich adidas eine Menge Probleme aufgehalstBild: dpa

Die Realität am US-Telekommunkationsmarkt sieht etwas anders aus. Der weitaus größere und erfolgreichere Branchenbruder AT&T wird, wenn die Wettbewerbsbehörde keine Einwände hat, den deutschen Anbieter T-Mobile übernehmen. Dessen Aktionäre sind erleichtert, denn der Ausbau des im Spot angepriesenen 4G-Netzes in den USA hätte weitere Investitionen bedeutet. "Zusammen mit AT&T können wir ein drahtloses Breitband-Netz der Extra-Klasse aufbauen", sagt Telekom-Chef René Obermann dem US-Fernsehsender CNBC und gibt zu: "Alleine hätten wir die Kapazitäten nicht gehabt."

Damit hat sich mal wieder ein deutsches Unternehmen in den USA verhoben. In den vergangenen Jahrzehnten gab es viele Beispiele von Konzernen, die mit hohen Erwartungen in den US-Markt eingestiegen sind, um dann später das Feld - meist mit finanziellen Verlusten - wieder zu räumen. Beispielsweise der Energieversorger E.ON und auch Konkurrent RWE. Beide haben es auf dem amerikanischen Markt versucht und sich im vergangenen Jahr zurückgezogen. Auch der Sporthersteller Adidas kaufte die US-Firma Reebok, seither läuft die Wiederbelebung der Marke schleppend.

Der US-Markt wird unterschätzt

Nachhaltige Küche Deniz Ilkme (Foto: Birkenstock/DW)
German Engineering ist gefragt, wenn der Preis keine Rolle spieltBild: Günther Birkenstock / DW

Sven Oehme ist Präsident der European-American Business Organization in New York City. Er berät europäische Unternehmen, die im US-Markt aktiv werden wollen. Der amerikanische Markt werde unterschätzt, meint er, und das fange schon bei der Größe an: "Dass man fünf Stunden von New York nach Los Angeles fliegt ist vielen nicht so klar." Er rät seinen Partnern daher oftmals, sich erst auf ein bestimmtes geographisches Gebiet zu konzentrieren, bevor sie in der gesamten USA tätig werden.

Ebenfalls ohne Erfolg im US-Markt blieb DHL, der Paketdienst der Deutschen Post. Der konnte sich gegen die US-Konkurrenten Fed-Ex und und UPS nicht durchsetzen. Es haperte an der Zuverlässigkeit der Zustellung. Kaum verzeihlich in den weitläufigen Vereinigten Staaten, in denen ein funktionierender Versand eine noch größere Bedeutung hat als in Europa. Auch hatte DHL in den USA vermehrt deutsche Manager eingesetzt. "Häufig macht es Sinn, in einer leitenden Funktion einen Amerikaner zu haben", meint Oehme. "Jemand, der Kontakte hat, die man sozusagen mit einkauft.“

Verträge sind wichtig

Sven Oehme ist Präsident der European-American Business Organization in New York City (Foto: privat)
Berater Oehme: Die US-Märkte werden unterschätztBild: Sven Oehme

Dabei bleibe es wichtig, dass man gute vertragliche Regelungen trifft. Überhaupt werde die rechtliche Situation in Amerika unterschätzt. Deutsche Unternehmer seien verwöhnt. Man könne in den USA nicht einfach sagen, bei allem, was nicht vertraglich geregelt ist, greife man auf das Gesetz zurück. "Weil es oft keine gesetzliche Regelung gibt", meint Sven Oehme von der European-American Business Organization. Deswegen seien die Verträge in den USA regelmäßig sehr dick und umfangreich. "Das führt dann wieder dazu, dass die Leute sich die nicht durchlesen wollen, und auch da werden Fehler gemacht."

Zwar schätzen die Amerikaner in Nischenmärkten deutsche Qualität und Technik - Autos, Küchen oder auch Koffer mit dem Label "German Engineering" werden gerne gekauft. Aber bei der Masse der Alltagsprodukte sei der Preis für viele immer noch das wichtigste Argument. "Wenn ich es irgendwo billiger kaufen kann, dann kaufe ich es da wo es billiger ist", meint Sven Oehme. Selbst wenn dann die Qualität nicht ganz so gut sei.

Behutsam vorgehen

Siemens-Schriftzug an einem Gebäude, im Vordergrund ist die amerikanische Flagge zu sehen. (Foto: DW/Miriam Braun)
In den USA gibt sich Siemens möglichst amerikanischBild: DW/M.Braun

Auch deswegen ist beispielsweise die deutsche Discounter-Kette Aldi erfolgreich in den USA. Landesweit werden die Läden von den Konsumenten gut angenommen. Sogar in New York City, wo dem US-Riesen Wal-Mart seit Jahren der Marktzugang verwehrt wird, gibt es seit Februar einen Aldi-Markt in Queens. "Die Preise sind gut", sagen die Kunden. "Eier und Lebensmittel sind viel billiger und das Obst ist frisch."

Der Markt und die Kundenbedürfnisse müssten gut analysiert werden, meint Sven Oehme. Auch werde Die "Einfach-Machen"-Mentalität der Amerikaner unterschätzt - und von den Deutschen oft falsch kopiert. Sie versuchten, den US-Markt irgendwie nebenbei zu erobern. Schritt für Schritt gilt es, durchdacht vorzugehen. Auch einer der Erfolgsfaktoren der Firma Siemens, die nicht nur nach aussen hin versucht, sich als amerikanische Unternehmung zu etablieren, sondern sich durch schrittweise Zukäufe seit Jahren mehr und mehr vergrößert.

Die Übernahme von T-Mobile durch AT&T wird noch von der Wettbewerbsbehörde geprüft. Auf die Frage, ob er sich beim ebenfalls zugeschalteten Chef von AT&T für die frechen Werbespots entschuldigen will, sagte Telekom-Chef René Obermann im US-Fernsehen: "Noch sind wir Konkurrenten und die Spots sind gut gemacht." Darüber konnten beide Firmenchefs lachen.

Autorin: Miriam Braun, New York
Redaktion: Rolf Wenkel