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Deutsche Firmen verlassen den Irak

Martin Koch19. Juni 2014

Der Irak bietet ausländischen Unternehmen große Chancen. Doch der Krieg zerstört den Aufschwung der vergangenen Jahre. Auch deutsche Firmen wandern ab - und lassen einen Schatz ungehoben zurück.

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Deutsche Krankenhäuser im Irak
Bild: DW/Munaf Al-Saidy

"Es ist eine Tragödie, was sich da jetzt abspielt. Ich kann nur hoffen, dass irgendwann doch mal wieder Vernunft und Ruhe einkehrt." Bauunternehmer Ernst-Joachim Trapp aus Wesel am Niederrhein ist sichtlich bewegt, wenn er über den Irak spricht. Seit 1952 ist der Familienbetrieb, den er gemeinsam mit seinem Sohn leitet, im Land von Euphrat und Tigris aktiv.

Trapp hatte damals als 17-Jähriger seinen Vater begleitet und ihm als Übersetzer zur Seite gestanden. Diese engen und über Jahrzehnte gewachsenen Kontakte waren für seine Geschäftsbeziehungen sehr hilfreich, erzählt er. Vor allem eines lernte er schnell: "Wichtig ist, dass man gute Partner hat, die dort zuhause sind und sich auskennen." Letztlich sei es egal, ob in Bagdad ein König oder ein Parlament regiere: "Die lokale Macht liegt bei den Scheichs. Das ist schon seit Jahrhunderten so und ist es bis heute. Wenn man da einen guten Kontakt hat, ist man ziemlich sicher."

Neue Gefahr für alte Strukturen

Vor diesem Hintergrund startete die Baufirma von Ernst-Joachim Trapp 2012 ein Projekt in der Provinz Anbar im Westen des Landes - und wurde von den aktuellen Ereignissen überrascht: "Als wir da vor zwei Jahren anfingen, hieß es, das ist das Sicherste, es ist im äußersten Westen kurz vor der syrischen Grenze. Aber genau das ist jetzt von Al-Kaida oder ISIS beherrscht", erzählt der 77-Jährige. Die Baustelle laufe zwar noch weiter, aber ausschließlich mit lokalen Arbeitskräften. Die deutschen Ingenieure wurden aus Sicherheitsgründen abgezogen. Auch Siemens und andere internationale Unternehmen sind dem Beispiel gefolgt und haben ihre Leute in sichere Regionen oder außer Landes gebracht.

Deutschland Wirtschaft Ernst Trapp
Trapp: "Es ist eine Tragödie, was im Irak passiert"Bild: Trapp

Anbar ist neben Ninive und Salaheddin eine der drei besonders heftig umkämpften Regionen des Irak, bestätigt Steffen Behm vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Deshalb rate seine Organisation allen Unternehmen zu größter Vorsicht und zum Abzug ihrer Mitarbeiter, sagt der Referatsleiter für die Regionen Nordafrika sowie den Nahen und Mittleren Osten: "Es gibt Berichte, dass indische und türkische Arbeiter entführt wurden. Das ist ein ganz klares Zeichen dafür, dass es in diesen Regionen momentan nicht sicher ist und man jederzeit mit Zwischenfällen rechnen muss."

Der DIHK ist mit zwei Büros im Irak vertreten: Im Norden in Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan, und in der Landeshauptstadt Bagdad. Die Experten vor Ort unterstützen deutsche Unternehmen bei der Suche nach verlässlichen lokalen Geschäftspartnern und beraten sie in enger Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt bei Sicherheitsfragen.

Shar Park in Erbil, Irak
In Erbil im Norden des Irak sind besonders viele deutsche Firmen tätigBild: picture alliance/Robert Harding

Große Chancen, große Probleme

Aktuell sind nach DIHK-Angaben im Zentralirak rund um Bagdad und um die Hafenmetropole Basra im Süden des Landes 30 deutsche Firmen mit ständigen Vertretungen oder Niederlassungen präsent. In der Autonomen Region Kurdistan im Norden des Landes sind es etwa 40 Unternehmen.

Steffen Behm
Behm: Iraks Devisenreserven versprechen lukrative Aufträge für deutsche FirmenBild: DIHK

Besonders in den Bereichen Logistik, Baugewerbe und Gesundheitswesen sowie Stromerzeugung und -versorgung habe sich die deutsche Wirtschaft in den vergangenen Jahren engagiert, berichtet Behm: "Ab 2008 ist das Interesse der deutschen Unternehmen am Irak gestiegen, die Aufmerksamkeit für den Irak hat sich sehr beschleunigt und positiv entwickelt. Man muss aber auch sagen, dass das seit ca. zwei Jahren doch wieder etwas abgeebbt ist, auch aufgrund der Verschlechterung der Sicherheitslage."

Der Irak war für Deutschland im vergangenen Jahr mit Ausfuhren in Höhe von 1,3 Milliarden Euro das sechstgrößte Exportland im arabischen Raum. Im Vergleich zu den Vereinigten Arabischen Emiraten (ca. 10 Mrd. Euro) und Saudi-Arabien (ca. 9 Mrd. Euro) spielt Bagdad nur eine untergeordnete Rolle.

Doch perspektivisch bietet das Land nicht nur wegen der weltweit zweitgrößten Erdölreserven ungeahnte Chancen, betont Steffen Behm: "Der Irak verfügt über rund 80 Milliarden US-Dollar an Devisenreserven. Dieses Geld ist im Grunde genommen vorgesehen für Infrastruktur- und Investitionsprojekte, liegt momentan aber sozusagen auf Eis, weil zum Beispiel für 2014 das irakische Parlament noch keinen Haushalt verabschiedet hat."

Zwischen Hoffen und Bangen

Dadurch herrsche schon seit einigen Monaten eine Art Projektstau. Aber sollte der Haushalt verabschiedet werden, kämen in nächster Zukunft Projekte wieder ins Rollen und damit seien dann auch wieder lukrative Aufträge für deutsche Firmen verbunden, ist der DIHK-Experte sicher. Aber vermutlich nicht für alle: "Diejenigen, die schon vor Ort sind, dort auch zu Zeiten des Embargos präsent waren, die werden schnell wieder zurückkehren, sobald sich die Lage einigermaßen wieder beruhigt. Aber für neue Firmen sehe ich, dass die Zurückhaltung wegen des Ausmaßes der Eskalation noch einige Zeit anhalten wird."

Auch Bauunternehmer und Landeskenner Ernst-Joachim Trapp hält sich mit einer Vorhersage zur weiteren Entwicklung im Irak zurück: "Wenn ich das wüsste, wäre ich der beste Berater von Obama und vielen anderen", sagt er mit einem Lachen und fährt dann nachdenklich fort: "Das irakische Volk und die führenden Leute, die ich kenne, sind eigentlich sehr vernünftig, so dass ich hoffe, dass sie eine Lösung finden, dass sich das Land wieder eint und eine bessere Zukunft bekommt."