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Deutsche Auslandsgeschäfte im Zwielicht

21. Juni 2017

Aufgelistet werden Fälle zum Beispiel in Kolumbien, Mexiko, Sudan, Kenia oder der Türkei: Germanwatch und Misereor klagen deutsche Energiekonzerne an, bei ihren Großprojekten die Menschenrechte oft zu missachten.

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Kolumbien Hidrosogamoso Staudamm
Umstrittenes Staudamm-Projekt Hidrosogamoso in Kolumbien Bild: Imago/Zumapress

Es geht um Rechte an Rohstoffen, Land und Anbaugebieten, Umwelt- und Naturschutz, politische Mitspracherechte der Betroffenen, letztlich um die gesamten Lebensbedingungen: Gerade bei Großprojekten würden Menschenrechte verletzt oder gefährdet sowie Proteste unterdrückt und kriminalisiert, werfen Germanwatch und Misereor den deutschen Unternehmen vor. Konzerne wie Siemens, EnBW und Wintershall und ihre Töchter, aber auch die staatseigene KfW-Bankengruppe, hätten in zahlreichen Fällen ihre "menschenrechtliche Sorgfaltspflicht" missachtet, heißt es in der in Aachen veröffentlichten Studie der beiden Organisationen. 

Weltweit betreffe ein Drittel der erfassten Verstöße gegen die Menschenrechte den Energie- und Rohstoffsektor, hieß es in der Untersuchung "Globale Energiewirtschaft und Menschenrechte - Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand". Und es seien auch immer wieder deutsche Konzerne beteiligt.

Christoph Bals NGO Germanwatch Bonn Deutschland
Bundesregierung reagiert zu langsam: Germanwatch-Geschäftsführer Christoph Bals Bild: DW/M.Müller

"Deutsche Unternehmen tragen Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte, wenn sie Kohle und Erdöl aus problematischen Fördergebieten einführen oder sich als Zulieferer und Dienstleister etwa an Großstaudämmen beteiligen", sagte Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch.

Die Entwicklungs- und Umweltorganisation und das bischöfliche Hilfswerk nehmen auch die Strategie der Bundesregierung ins Visier. "Einerseits fördert die Bundesregierung aktiv deutsche Auslandsgeschäfte im Energiesektor durch Außenwirtschaftsförderung, Kredite der KfW IPEX-Bank und Handelsabkommen der EU", erläuterte Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von Misereor. Andererseits habe sie immer noch keine ausreichenden gesetzlichen Vorgaben getroffen, damit in jedem Fall die Menschenrechte von Anfang an respektiert würden.

Regierung zu zögerlich, zu uneffektiv

"Auch in jüngster Zeit sicherte der Bund Projekte ab, bei denen Menschenrechte gefährdet oder verletzt wurden", bilanziert die Analyse von Germanwatch und Miserior. Als aktuelles Beispiel werden Hermesbürgschaften der Bundesregierung aus dem Jahr 2012 an die deutsche Niederlassung des österreichischen Unternehmens Andritz für die Lieferung von Großturbinen zum Staudamm Hidrosogamoso in Kolumbien (Artikelfoto) genannt. Mit dem Staudamm würden große landwirtschaftliche Flächen überschwemmt, 180 Familien müssten umgesiedelt werden und klagten über miserable Ersatzgrundstücke. Viele Familien, die von Fischerei oder Tourismus lebten, hätten gar keine Hilfe erhalten.     

Kenia Olkaria IV Erdwärmekraftwerk
Umstrittenes geothermisches Kraftwerk Olkaria IV in Kenia: Laut Germanwatch wurden Land- und Selbstbestimmungsrechte der indigenen Volksgruppe der Massai missachtet. Es gab Kredite der KfW Entwicklungsbank über 60 Millionen Euro. Bild: Getty Images/AFP/T. Karumba

Auch der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung vom Dezember 2016 bringe bisher keine substanziellen Verbesserungen, so die Kritik der Umweltschützer und des Hilfswerks. Anders als Frankreich, Großbritannien und die Niederlande habe sich Deutschland noch nicht dazu durchringen können, Gesetze mit Menschenrechtsvorgaben für Geschäfte und Investitionen auf der globalen Bühne zu verabschieden. Immerhin plane die Bundesregierung ab 2018 eine jährliche Überprüfung des Auslandsengagements deutscher Unternehmen und wolle je nach Ergebnis ab 2020 gesetzliche Schritte erwägen.

Nicht auf UN-Niveau

Bals erklärt, die Befragung und Analyse von 30 Unternehmen im Energiesektor habe gezeigt, dass einige von ihnen inzwischen menschenrechtliche Grundsatzerklärungen verabschiedet, Risikoprüfungen durchgeführt und Beschwerdemechanismen eingerichtet hätten. Diese erfüllten aber größtenteils noch nicht die Standards der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Das gelte selbst für die zehn größten deutschen Energieversorger, die sich zumeist in kommunalem Eigentum befinden, beklagte der Germanwatch-Chef.

SC/sti (epd, kna, germanwatch)