1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Jazz in New York

30. März 2009

Einmal müsse jeder Jazz-Musiker in New York gelebt haben, heißt es. Organist Matthias Bublath und Bassistin Iris Ornig verwirklichen diesen Traum. Doch die weltweite Wirtschaftskrise trifft auch sie.

https://p.dw.com/p/HMaa
Iris Ornig auf der Straße(Quelle: Kuoppamäki)
Iris Ornig spielt nur Bass, weil sie einen Sportunfall hatte.Bild: Iris Ornig

DW-WORLD.DE: Iris Ornig kommt aus Konstanz, Matthias Bublath aus München. Nun wohnen sie beide in New York. Wie kommt das?

Iris Ornig: Ich war im Jahr 2000 für sechs Wochen in New York, habe ein bisschen Unterricht genommen, habe mir angeschaut, wie das alles so ist und habe gedacht: Wow, hier möchte ich leben.

Matthias Bublath: Ich habe am Berklee-College in Boston studiert. Der natürliche Schritt danach war, nach New York zu ziehen.

Warum gerade New York?

Matthias Bublath an der Orgel (Quelle: Kuoppamäki)
Matthias Bublath spielt Piano und OrgelBild: matthias bublath

Iris Ornig: New York ist die Metropole des Jazz. Angefangen bei den 20er- bis 40er-Jahren, ist praktisch jeder namhafte Komponist - Gershwin, Porter, Berlin - hier aufgewachsen und hat hier seine Musik gespielt. Und dann in den 50er bis 60er Jahren Dizzy Gillespie, Miles Davis, John Coltrane - das sind Musiker, die wirklich den Jazz geprägt haben.

Matthias Bublath: Es gibt jeden Abend eine riesige Menge von Konzerten, die man sich anschauen kann. Es gibt einfach eine sehr vielfältige Jazz-Szene oder vielleicht viele kleine Szenen.

Was macht man den ganzen Tag über, wenn man als hauptberuflicher Jazz-Musiker in New York lebt?

Iris Ornig: Mein Tag gestaltet sich im Prinzip mit Üben. Ich gebe Unterricht. Und wir haben so ein kleines, kollektives Komponistenprojekt, bei dem jeder seine eigenen Songs mitbringt, die wir dann spielen und besprechen. Am Nachmittag bin ich meistens beschäftigt mit kleineren, größeren Sessions von Duo, Trio, Quartett, Quintett bis hin zum Oktett. Und abends spiele ich zwischen zwei und vier Mal die Woche.

Matthias Bublath: Das ist ja auch typisch für New York, dass man in wechselnden Zusammensetzungen alle möglichen Stilistiken und Kombinationen spielt. In Deutschland hat man mehr feste Bands, was den Vorteil hat, dass man richtig mit den gleichen Leuten immer so seinen Sound entwickeln kann. Aber hier wird halt viel rumprobiert.

Wie läuft sowas ab?

Matthias Bublath: Ich wohne zusammen mit zwei anderen Jazz-Musikern, und im Keller haben wir einen Proberaum. Auch wenn jetzt nicht konkret irgendein Auftritt ansteht, kommen gern mal super Musiker vorbei und spielen zwei Stunden, um neue Stücke auszuprobieren. Und deswegen ist das hier eine interessante Spielwiese.

Wie ist es, auf Bühnen zu spielen, wo die alten und neuen Legenden der Jazz-Welt aufgetreten sind?

Ein großer Bassist, den ich bewundere, ist Jaco Pastorius. Der hat zum Beispiel regelmäßig in der „55 Bar“ gespielt. Und als ich das erste mal dort gespielt habe, war ich wie im siebten Himmel und total geehrt, dass ich auf der Bühne spielen darf, wo er gespielt hat.

Matthias Bublath: Sowas ist natürlich die Erfüllung eines Jugendtraumes. Und in solche Situationen kommt man hier öfter, dass man plötzlich mit einem persönlichen Vorbild auf der Bühne steht. Zack Denziger, dieser Schlagzeuger, den ich früher in Deutschland sehr oft gehört habe, lebt jetzt auch hier. Den habe ich schon oft für meine Auftritte angerufen und kann live mit ihm spielen. Oder mit Mike Clark, dieser Herbie-Schlagzeuger, habe ich hier auch mal in einer Band gespielt. Als er mich das erste Mal angerufen hat, war das auch so ein Adrenalinschub, wo man sich das irgendwie gar nicht vorstellen kann, dass man da gerade telefoniert mit dem. Aber das ist halt auch ein Grund, weswegen man hier ist.

New York als Standort der Wall Street ist quasi das Epizentrum der weltweiten Wirtschaftskrise. Allein in Manhattan sind hunderttausende Arbeitsplätze verloren gegangen. Spürt man das auch als Jazz-Musiker?

Iris Ornig auf der Strasse (Quelle: Kuoppamäki)
Iris Ornig lebt seit drei Jahren in New YorkBild: Iris Ornig

Iris Ornig: Ich habe auf einer regelmäßigen Basis in einem Club und einem Restaurant gespielt. Der Club macht keine Live-Musik mehr, und das Restaurant hat komplett zugemacht, weil die Geschäftslage zu schlecht war. Das sind die Beispiele, wo ich in meinem nächsten Umfeld gespürt habe, dass Rezession ist.

Matthias Bublath: Ich merke es bei meinen Auftritten. Manchmal spielt man so gut bezahlte Privatpartys auf einer Dachterasse irgendwo in Manhattan. Früher habe ich das viel gemacht. Es ist relativ entspannt, mal als Duo zwei Stunden auf einer Party zu spielen. Aber das gibt es jetzt überhaupt nicht mehr.

Lesen Sie im zweiten Teil über Iris Ornings und Matthias Bublaths musikalische Anfänge, Melodie und Groove.

DW-WORLD.DE: Iris Ornig und Matthias Bublath, heute sind Sie beide hauptberufliche Jazz-Musiker in New York. Wie kamen Sie ursprünglich zum Musizieren?

Iris Ornig: Mit 16 Jahren hatte ich noch nie Musik gemacht. Ich war immer beim Sport, habe gezeichnet, Skulpturen modelliert. Dann habe ich mit die Achillessehne gerissen, konnte nicht mehr laufen und war ein bisschen deprimiert. Da sagte mir ein Freund, sie bräuchten in seiner Band noch einen Bassisten. Meine Mutter kaufte mir einen Elektrobass. Den habe ich dann autodidaktisch spielen gelernt, und später auch den Kontrabass.

Porträt Matthias Bublath (Quelle: Kuoppamäki)
Der Berliner Jazzmusiker Matthias Bublath lebt in New YorkBild: Aarni Kuoppamäki

Matthias Bublath: Ich spiele Klavier und Orgel. Angefangen habe ich mit acht Jahren, mich dann autodidaktisch entwickelt mit viel Blues und Boogie-Woogie. Das darf ich eigentlich gar nicht laut sagen, aber Noten lesen habe ich erst so mit 20 Jahren gelernt.

Haben Sie dann Musik studiert?

Iris Ornig: Erst habe ich bis zum Vordiplom Volkswirtschaft studiert. Dann wechselte ich zum Musikstudium an der Jazz-Schule in St. Gallen. An der Guildhall School in London habe ich mein Handwerk verfeinert. Ich habe auf alle Fälle meine Kämpfe gehabt mit meiner persönlichen Beziehung zur Musik und dem Leben als Musiker. Manchmal gibt es einfach laue Zeiten, wo man nicht viel Geld verdient. Ich habe das durchgezogen und werde das bis an mein Lebensende durchziehen.

Matthias Bublath: Ich habe am Bruckner-Konservatorium in Linz gelernt und am Berklee College in Boston. Danach bin ich halt in Amerika geblieben und nach New York gezogen, so wie viele meiner Mitstudenten.

Inwiefern hat die Stadt Ihre musikalische Entwicklung geprägt?

Matthias Bublath: Es ist sicher gut, wenn man in so einer musikalisch reichen Umgebung anfängt, sich zu entwickeln. Ich war 22 Jahre jung, als ich hier rüber kam, da ist man jetzt noch nicht wirklich entwickelt. Von daher hat einen die Stadt sicher beeinflusst. Ohne die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum dauernd neue Sachen auszuprobieren, wäre ich kaum soweit gekommen, eigene CDs aufzunehmen.

Wie würden Sie Ihren Stil heute selbst beschreiben?

Matthias Bublath: Mein Ding war immer, dass ich viele verschiedene Stile spiele. Aber es könnte sein, dass ich das in Zukunft aufweiche, dass man dann viele Einflüsse hört, die meinen eigenen Stil ausmachen. Ich sehe das an meinen CDs, denn ich habe ja eine Latin-CD gemacht, eine eher funk-beeinflusste CD und dann eine mit straight-ahead Jazz. Daraus schält es sich schon irgendwie heraus. Das ist wie ein großer Topf, wo man alles verrührt. Mir ist einfach wichtig, dass es ordentlich groovt. Deswegen spiele ich auch gern mit Schlagzeugern aus der RnB-Szene, die einen richtigen Backbeat haben. Oder einfach einen erdigen Sound, weil ich ja ursprünglich vom Blues komme. Und wenig verkopft. Auch gerne so eingängigere Melodien.

Iris Ornig auf der Straße(Quelle: Kuoppamäki)
Iris Ornig spielt nur Bass, weil sie einen Sportunfall hatte.Bild: Iris Ornig

Iris Ornig: Meine Band besteht aus Saxophon, Trompete oder Posaune, Piano, Schlagzeug und mir selbst am Bass. Meine Kompositionen sind traditioneller Jazz mit vielen Überraschungen. Ich bin aufgewachsen mit einfachen Kinderliedern, und daher sind meine Stücke sehr melodisch. Das Publikum verlässt mein Konzert und singt die Melodien. Harmonie und Rhythmus, die darunter liegen, sind sehr versteckt und vielfältig. Weil ich in jungen Jahren so viel gemalt habe, sind meine Kompositionen visuell angelegt. Also wenn ich was sehe, gibt mir das Inspiration.

Ist der Bass - kein klassisches Melodieinstrument - nicht ungewöhnlich für einen Bandleader?

Iris Ornig: Ja, schon. Aber eine Band, sei es eine Rockband, eine Jazzband, eine Funkband, oder ein klassisches Orchester, klingt ohne Bass einfach nicht. Der Bass ist das Fundament, auf dem alles andere aufgebaut ist. Was die Melodie anbelangt, kann ein Saxophonspieler oder ein Pianospieler einfach viel schneller mit den Fingern spielen. Am Bass ist man einfach irgendwann eingeschränkt.

Autor: Das Interview führte Aarni Kuoppamäki

Redaktion: Matthias Klaus