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Deutsche Kriegsfotografin erschossen

4. April 2014

Einen Tag vor der Präsidentenwahl ist die renommierte Foto-Journalistin Anja Niedringhaus im Osten Afghanistans erschossen worden. Ein Polizist hatte das Feuer auf sie eröffnet. Eine kanadische Kollegin wird verletzt.

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Kriegsfotografin Anja Niedringhaus (Archivfoto 2005: dpa)
Bild: picture-alliance/AP Photo

Afghanistan: Deutsche Fotografin getötet

Der Zustand der mit Anja Niedringhaus mitreisenden kanadischen Reporterin Kathy Gannon ist stabil, wie die US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) mitteilte. Beide Frauen arbeiteten seit Jahren für AP und verfügten über langjährige Erfahrung in der Region und anderen Kriegsgebieten.

Schütze schreit: "Gott ist groß"

Die beiden Reporterinnen waren zur Berichterstattung über die Präsidentenwahl, die am Samstag stattfindet, in die ostafghanische Unruheprovinz Chost gefahren. Dort waren sie laut AP mit Wahlhelfern unterwegs, die Stimmzettel aus dem Zentrum der Stadt Chost in den Distrikt Tani brachten. Afghanische Soldaten und Polizisten schützten den Fahrzeugkonvoi.

Kurz nach der Ankunft in der schwer gesicherten Distrikt-Verwaltung hätten Niedringhaus und Gannon zusammen mit einem freien Mitarbeiter des AP-Fernsehens und dem Fahrer in ihrem Auto gesessen, als ein Polizist auf sie zugelaufen sei. Er habe "Allahu Akbar" (Gott ist groß) gerufen und mit seiner Kalaschnikow auf die beiden Frauen auf der Rückbank gefeuert, berichtete der überlebende AP-Mitarbeiter. Die 48-jährige Deutsche war laut offiziellen Angaben sofort tot. Ihre 60-jährige Kollegin wurde durch zwei Kugeln schwer verletzt. Der Schütze, ein Kommandeur einer Polizei-Einheit, ergab sich seinen Kollegen und wurde festgenommen.

Anja Niedringhaus (r.) und ihre kanadische Kollegin Kathy Gannon 2013 in Zürich (Foto: dpa)
Anja Niedringhaus (r.) und ihre kanadische Kollegin Kathy Gannon 2013 in ZürichBild: picture-alliance/dpa

Die Provinz Chost grenzt an die pakistanische Region Nord-Wasiristan, die als völlig gesetzlos gilt. Viele Gruppen mit Verbindungen zu den extremistischen Taliban oder Al-Kaida haben dort ihr Rückzugsgebiet.

Das Fahrzeug, in dem beide Frauen auf dem Rücksitz saßen (Foto: DW)
Das Fahrzeug, in dem beide Frauen auf dem Rücksitz saßenBild: DW/F.Zahir

2005 mit dem Pulitzer-Preis geehrt

Anja Niedringhaus war eine der bekanntesten deutschen Kriegsfotografinnen und arbeitete seit mehr als 20 Jahren in Krisengebieten wie Afghanistan, Libyen, dem Irak und Bosnien. Für ihre Aufnahmen aus dem Irak erhielt sie 2005 gemeinsam mit anderen AP-Kollegen den renommierten Pulitzer-Preis. Sie bekam für ihre Arbeit etliche weitere Ehrungen. AP-Chefredakteurin Kathleen Carroll würdigte in New York Anja Niedringhaus als eine "lebhafte, dynamische Journalistin, die wir alle wegen ihrer einfühlsamen Aufnahmen, ihrer Warmherzigkeit und ihrer Liebe zum Leben sehr mochten". 2010 wurde Niedringhaus in Afghanistan verletzt, als sie Soldaten im Süden des Landes begleitete. Auch Gannon erhielt für ihre Arbeit zahlreiche Preise.

Deutsche Botschaft bemüht sich um Aufklärung

Die Bundesregierung schaltete sich in den Mordfall ein. Die deutsche Botschaft in Kabul sei "mit Nachdruck um Aufklärung bemüht", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin. Bundespräsident Joachim Gauck sagte, die Welt habe eine bedeutende "Augenzeugin" verloren. "Ohne ihre Arbeit, ihren Mut und ihr Engagement wäre unser Bild von der Welt unvollständig." Der afghanische Präsident Hamid Karsai kondolierte der Familie von Niedringhaus.

Die Vereinten Nationen verurteilten den "Terrorangriff auf Zivilisten" scharf. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sowie die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) reagierten bestürzt. ROG-Geschäftsführer Christian Mihr forderte für Reporter Schutz von der afghanischen Regierung. DJV-Chef Michael Konken erklärte: "Wer Journalisten tötet, löscht Leben aus und versetzt der Pressefreiheit einen schweren Schlag. Das darf nicht ungesühnt bleiben."

Im vergangenen Monat war ein schwedischer Reporter in der Hauptstadt Kabul auf offener Straße erschossen worden. Kurz darauf war unter den Opfern eines Taliban-Angriffs auf das Serena-Hotel in Kabul ein afghanischer Reporter der französischen Nachrichtenagentur AFP, auch ein Großteil seiner Familie wurde getötet. Die Sicherheitslage in Afghanistan vor der Wahl ist extrem angespannt.

Afghanistan: Deutsche Fotografin getötet

se/wl (dpa, ape, afp, rtr)