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Deutsche Rechtschaffenheit

Hans Pfeifer21. November 2008

Rechtschaffene Menschen schaffen nicht unbedingt Recht. Zumindest dann nicht, wenn ihnen die rechtliche Vollmacht des Staates fehlt: von absurden Problemen mit Pistolen und Piraten - und fehlenden Polizisten.

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Bild: DW

Im 12. Jahrhundert waren Piraten rechtschaffene Menschen: Nach dem Entern eines Schiffes mit dem Enterhaken, machte der Freibeuter dem feindlichen Kapitän mittels eines so genannten Kaperbriefes die freundliche Aufwartung. Diese staatliche Vollmacht berechtigte in Kriegszeiten den Piraten, feindliche Handelsschiffe zu erbeuten. So hatten diese Seeräuber die Order von höchster Stelle und galten nicht als Kriminelle.

Heute sind die Gegner der Piraten rechtschaffene Menschen: Entert im Golf von Aden eine marodierende Bande somalischer Piraten mit dem Enterhaken einen Supertanker, dann patroullieren anwesende internationale Kriegsschiffe das gekaperte Schiff höflich bis an die Grenze der somalischen Hoheitsgewässer. Wie die mit Torpedorohren, Lenkflugkörpern, Luft-Abwehrraketen und einer 76 Millimeter Kanone ausgestatte deutsche Fregatte “Karlsruhe”, die gekaperte Schiffe in Frieden von dannen ziehen lassen muss. Die in diesem Fall fehlende staatliche Vollmacht erlaubt dem Kriegsschiff nämlich lediglich den Einsatz der Pistole zwecks Warnschuss.

Komplexe Diskussion über komplexe Probleme

Möglich macht diese Posse das deutsche Recht. Denn es verbietet der Bundeswehr, Polizeiaufgaben zu übernehmen. Die Festnahme von Piraten aber ist eine Polizeiaufgabe, auch wenn sie vor der Küste Somalias vollzogen werden soll. Vor Somalia aber patroullieren lediglich deutsche Soldaten und schützen dort all die zivilen Frachter und Tanker. Aber eben nur mit Warnschüssen aus der Pistole. Das nennen nicht wenige Beobachter idiotisch. Was auch die Bundesregierung erkannt hat. Sie überlegt, Polizisten auf die Kriegsschiffe zu schicken. Die könnten die Piraten dann nach deutschem Recht festnehmen.

Aber was dann? Vor ein deutsches Gericht stellen? Also somalische Piraten nach Hamburg fliegen und dem zuständigen Hamburger Gerichtshof zuführen? Einsperren in Hamburgs Stadtgefängnis Santa Fu? Der deutsche Regierungssprecher verweist darauf, dass es sich um komplizierte Rechtsfragen handelt. Da hat er recht! Denn damit verbunden sind zahlreiche Fragen über den Einsatz der Bundeswehr im eigenen Land, also in Deutschland. Und mit der Vermischung von Armee und Polizei hat Deutschland in der Nazizeit verheerende Erfahrungen gemacht. Allerdings sind alle bisherigen Lösungsvorschläge so kompliziert, dass sie ein wirkungsvolles Eingreifen gegen das ausufernde Problem Piraterie ad absurdum führen.

Wofür Deutschland sich in der Diskussion um Piraterie bislang qualifiziert hat ist, komplexe internationale Problemstellungen auf komplexe Art zu diskutieren. Das hilft zwar noch nicht den gekaperten Schiffen samt ihrer Besatzungen. Aber am Ende ist es zur Befriedigung des deutschen Geistes im wahrsten Sinne rechtschaffen.