1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Deutsche Tradition und namibische Moderne

Sandra Petersmann21. Dezember 2004

In Namibia gibt es seit 25 Jahren ein deutsches Hörfunkprogramm. Die Jahre der Rassentrennung im Land haben auch beim Sender NBC bis heute ihre Spuren hinterlassen.

https://p.dw.com/p/61GR
Einst verfolgt: Hereros in NamibiaBild: AP

Das deutsche Hörfunkprogramm der namibischen Rundfunkgesellschaft NBC feiert 2004 seinen 25. Geburtstag. 1979, als in Windhoek alles begann, hieß das heutige Namibia noch Südwestafrika. Das Land stand unter der Verwaltung des Apartheid-Regimes in Südafrika. Die staatlich organisierte Rassentrennung und die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit durch die weiße Bevölkerungsminderheit griffen im Protektorat Südwest genauso wie bei der selbst ernannten Schutzmacht. Die Mehrheit der Deutsch sprechenden Südwester unterstützte die Apartheid und arrangierte sich mit dem System.

Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Seit dem Beginn des Sendebetriebs 1979 ist das deutsche Hörfunkprogramm die Stimme der deutschen Gemeinschaft. 25 Jahre später ist aus dem südafrikanischen Protektorat Südwestafrika das unabhängige Land Namibia geworden. Die ehemalige schwarze Widerstandsbewegung SWAPO (South West African People's Organisation) stellt seit 1990 die Regierung. Und das deutsche Hörfunkprogramm des damaligen Südwestafrikanischen Rundfunks (SWABC) ist seit der Unabhängigkeit ein Teil der öffentlich-rechtlichen namibischen Rundfunkgesellschaft NBC. Das Programm von heute hat mit dem von gestern nicht mehr viel gemeinsam - aber der lange Weg von der deutschen Tradition zur namibischen Moderne ist noch nicht zu Ende.

Gedenktafel für die Opfer des deutschen Völkermordes in Namibia
Eine Gedenktafel für die Opfer des deutschen Völkermordes in Namibia von 1904 bis 1908Bild: dpa

Als die Programm-Macher im November 1979 zum ersten Mal auf Sendung gingen, wollte der deutsche Hörfunk sein Publikum unterhalten und die deutsche Kultur fördern. Aber in einem Apartheid-Land, in dem die finanzstarke, deutsch sprechende Gemeinschaft bis zur Unabhängigkeit 1990 auf der Seite der Unterdrücker stand, war auch ein Unterhaltungsprogramm niemals völlig unpolitisch. Die Programm-Macher von heute müssen wie die gesamte namibische Gesellschaft mit dieser Vergangenheit leben und sich mit ihr auseinandersetzen.

15 Stunden Programm täglich

Michaela Jaeger ist seit April 2003 Leiterin des deutschen Hörfunkprogramms der NBC. Sie sagt: "Natürlich möchten wir zur Versöhnung im Land beitragen. Wir möchten ein Programm machen, das zur Versöhnung und zu dem Erhalt der deutschen Sprache und der deutschen Kultur beiträgt." Jaeger und ihre acht Redakteure senden heute täglich 15 Stunden Programm für alle Altersklassen. Der eigene Anspruch ist klar definiert: NBC deutsch will kein deutsches Radio für Deutsche sein - sondern ein namibisches Radio in deutscher Sprache.

Namibia Wahlen Plakat von SWAPO
SWAPO-Wahlplakat der Abstimmungen im Herbst 2004Bild: AP

Doch die SWAPO-geführte Regierung soll den öffentlich-rechtlichen Rundfunk des Landes politisch unter Druck setzen. So verlangte Uazuva Kaumbi, Aufsichtsratsvorsitzende der NBC, im November ein entschieden politischeres deutsches Programm: "Wir wünschen uns, dass unser deutsches Hörfunkprogramm auch die heißen Eisen und sensiblen Themen anpackt, die den deutschen Namibiern unangenehm sind. Denn manchmal hat man den Eindruck, dass sich die Deutschen hier weiter ihr eigenes kleines Deutschland bauen wollen. Sehr wichtig sind zum Beispiel die Themen Landreform, Enteignung und Völkermord an den Herero."

"Keine politische Partei"

Programmleiterin Jaeger wehrt sich gegen jede einseitige politische Vereinnahmung und stemmt sich gegen Angriffe auf die Pressefreiheit. Sie sagt: "Wir sind keine politische Partei. Natürlich werden wir über Politik berichten, genauso wie wir über Wirtschaft und Soziales berichten werden. Wir werden über Kultur berichten. Aber wir haben keine politischen Ziele. Unser Ideal ist ein gemeinsames Namibia, in dem niemand ausgegrenzt wird. Wir haben das Privileg in Namibia, mit unwahrscheinlich vielen Kulturen zusammenzuarbeiten und zusammenzuleben. Und das spiegelt sich auch in unserem Programm und in unserem Aufgabenbereich wider."

Hererofrau mit traditionellem Kopfputz
Porträt einer Herero-Frau vom Stamme der Bantu mit traditionellem KopfputzBild: dpa

Die 35-jährige Jaeger setzt deshalb personell auch auf junge Namibier, die die nötigen Brücken schlagen können. Zum Beispiel Natascha Scheid. Sie ist schwarz und spricht fließend Deutsch. Ihre Eltern haben sie während des namibischen Befreiungskampfes nach Deutschland geschickt und von Freunden in Düsseldorf adoptieren lassen, damit sie in Sicherheit aufwachsen kann.Die 31-jährige Scheid arbeitet seit Januar 2002 im deutschen Hörfunkprogramm des NBC. Sie nennt Namibia und Deutschland ihre Heimat. "Wir müssen alle gemeinsam versuchen, dieses Land nach vorne zu bringen. Darüber hinaus fände ich es sehr wichtig, dass es in Namibia auch so etwas wie eine Wahrheitskommission gäbe, denn die Vergangenheit muss aufgearbeitet werden. Nur, wenn wir wissen, was passiert in der Vergangenheit ist, können wir zum Schluss kommen und sagen, 'ich kann dir vergeben und ich gehe jetzt weiter nach vorne'", sagt Scheid.