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16. Dezember 2010

In Deutschland ist das Umweltbewusstsein vergleichsweise hoch. Carsharing und Ökostrom nutzen aber trotzdem nur die wenigsten. Woran liegt das?

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Mann knabbert an einer Fleischkeule herum (Foto: dpa)
Wer viel Fleisch isst, verschlechtert seine persönliche KlimabilanzBild: picture-alliance/ dpa

Marianne Schumann lebt mit ihrem Mann und ihrer Katze in Berlin. Sie bezeichnet sich selbst als einen umweltbewussten Menschen, durchaus bedacht darauf, auch im täglichen Handeln den die Umwelt schädigenden Fußabdruck nicht zu groß werden zu lassen. Die Schumanns kaufen deshalb wenig Fleisch, achten darauf, dass Gemüse und Obst nicht mit Pestiziden belastet sind und fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.

Eine Kundin kauft Bio-Gemüse im Supermarkt (Foto: dpa)
Laut Studie kaufen weniger Deutsche Biolebensmittel als noch vor zwei JahrenBild: picture-alliance/ dpa

Allerdings, so muss auch Marianne Schumann einräumen, ganz so makellos wie es scheint, ist die persönliche Ökobilanz im Detail doch nicht. "Wir trennen den Müll, aber nicht mehr so, wie wir das noch vor einigen Jahren gemacht haben", sagt die 55-Jährige. Papier und die Flaschen werden weiterhin getrennt entsorgt, Kartoffelschalen und anderer Bioabfall hingegen nicht mehr. "Nachdem ich in einem Beitrag im Fernsehen gesehen habe, dass der getrennte Müll nachher sowieso wieder zusammengeschüttet wird, machen wir das nicht mehr ganz so streng", rechtfertigt sich Marianne Schumann.

Hartnäckige Lücke

Das Verhalten des Berliner Ehepaars ist beispielhaft für viele Deutsche. Das zeigt die Studie "Umweltbewusstsein in Deutschland 2010" des Umweltbundesamts, eine repräsentative Umfrage, die alle zwei Jahre durchgeführt wird. Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes, zieht aus der aktuellen Studie die Erkenntnis, dass bei den Deutschen durchaus ein hohes Umweltbewusstsein vorhanden ist - zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffe allerdings eine beachtliche Lücke.

Mann übergibt die Schlüssel für einen Wagen eines Car-Sharing-Unternehmens an eine Kundin (Foto: dpa)
Beim Carsharing teilen sich viele Menschen ein AutoBild: dpa

So stimmen beispielsweise 85 Prozent der Befragten dem Statement zu: "Wir brauchen einen konsequenten Umstieg auf Erneuerbare Energien." Der Anteil der Ökostrombezieher ist seit 2008 aber nur von drei auf acht Prozent gestiegen. Nur jeder vierte Befragte findet das umweltschonende Car-Sharing für sich selbst attraktiv und zu Bio-Lebensmitteln greifen nur noch 34 Prozent der Deutschen – 2008 waren es noch 43 Prozent.

Es sei eine bekannte Erkenntnis aus der politischen Ökonomie, dass, wenn es um öffentliche Güter gehe, die Bereitschaft zum eigenen Handeln dann gering sei, wenn man dem eigenen Beitrag eine geringere Auswirkung im Vergleich zum Gesamt-Tun der Gesellschaft beimesse, so Jochen Flasbarth. "Also, wenn ich auf der Autobahn als einziger mit 100 Stundenkilometern fahre, weil ich das für ökologisch richtig halte und alle anderen fahren an mir vorbei, dann sinkt die Neigung, etwas für die Gemeinschaft zu tun", erklärt der Präsident des Umweltbundesamtes.

Politik soll strengere Gesetze erlassen

Eine Frau stellt einen Kasten mit leeren Flaschen in einen Pfandautomaten (Foto: dpa)
Getränke in umweltschädlichen Einwegflaschen sind trotz Zwangspfand beliebter gewordenBild: PA/dpa

Gutverdiener mit ökologischen Einstellungen verschmutzen die Umwelt sogar stärker mit Klimagasen als ärmere Bürger ohne ausgeprägtes Umweltbewusstsein. Für Jochen Flasbarth ist das zunächst leicht zu erklären: Sie haben schlicht mehr Geld für Flugreisen oder Autos. Die Deutschen tendieren aber auch dazu, den Handlungsbedarf eher bei anderen als bei sich selbst zu sehen.

So sagen 62 Prozent der Befragten, der Staat tue nicht genug für den Umweltschutz. Bezogen auf die Industrie sagen das sogar neun von zehn Befragten. 85 Prozent glauben beispielsweise, dass die Automobilindustrie mehr für den Umwelt- und Klimaschutz tun kann durch die Produktion und Bereitstellung umweltfreundlicherer Autos. 82 Prozent der Deutschen wollen, dass die Politik mehr Druck auf die Wirtschaft ausübt, damit sie genau diese Umwelt- und Klimaschutzbeiträge erfüllt. Dreiviertel der Befragten erwarten strengere Gesetze und den Abbau umweltschädlicher Subventionen.

Außerdem wünschen sich immer mehr Bürger, dass Deutschland beim internationalen Klimaschutz eine Vorreiterrolle einnehmen soll. Die Berlinerin Marianne Schumann erwartet von der Politik zudem mehr Vorbildfunktion. Solange die Politiker trotz Handys und Videotelefonen ständig in der Welt hin und her jetten würden, werde sie auf ihre individuellen Fernreisen jedenfalls nicht verzichten.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Kay-Alexander Scholz