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Deutsche Wirtschaft besorgt über die Türkei

Zhang Danhong1. August 2016

Deutschland und die Türkei sind wichtige Handelspartner. Rund 6000 deutsche Unternehmen sind in der Türkei engagiert. Die neue Entwicklung in Ankara könnte die Partnerschaft trüben.

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Türkei Istanbul Containerschiff
Bild: Imago/OceanPhoto

Nach dem gescheiterten Putsch sackten die Aktienkurse in der Türkei ab, die Landeswährung Lira eilte von einem Rekordtief zum nächsten. Die Ratingagentur Standard & Poor's senkte die Kreditwürdigkeit des Landes von "BB+"um eine Stufe auf "BB". Bereits die vorherige Note war im sogenannten Ramschbereich. Seit dem Putschversuch habe sich die politische Landschaft polarisiert, begründete S&P die Entscheidung. Dem Land stehe eine längere Phase der politischen Unsicherheit bevor. Dies dürfte die Kapitalzuflüsse aus dem Ausland belasten. Dies könnte verheerende Auswirkung für die Türkei nach sich ziehen, da das Schwellenland seit Jahren ein Leistungsbilanzdefizit aufweist und auf Kapitalzuflüsse angewiesen ist.

Der Putschversuch und die darauf folgenden Säuberungsaktionen des türkischen Staatspräsidenten Erdogan haben auch den deutschen Wirtschaftsvertretern Sorgenfalten ins Gesicht getrieben. "Das schlägt unmittelbar auf die Geschäfte der deutschen Wirtschaft in der Türkei durch", warnt Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).

Beide Länder sind durch enge Handelsbeziehungen miteinander verflochten. 2015 betrug das bilaterale Handelsvolumen über 36 Milliarden Euro. Die Türkei exportierte Waren im Wert von 14 Milliarden Euro in die Bundesrepublik und kaufte im Gegenzug deutsche Produkte für 22,4 Milliarden Euro. Damit landete die Türkei auf Platz 14 der wichtigsten deutschen Exportmärkte. Rund 60 Prozent der deutschen Ausfuhren dorthin entfielen auf den Maschinenbau sowie auf die Automobil- und die Chemiebranche.

Ein wichtiger Markt für Auto- und Maschinenbauer

Vor allem für die Autobranche ist die Türkei ein wichtiger Handelspartner und Produktionsland. Alle Autohersteller, die Rang und Namen haben, sind im eurasischen Land vertreten und tragen ihrerseits zum türkischen Export bei. So ist das Werk vom weltgrößten Autozulieferer Bosch in Bursa allein für 1,5 Prozent der Ausfuhren des Schwellenlandes verantwortlich. In den vergangenen beiden Jahren wurde es für eine halbe Milliarde Euro ausgebaut.

Nun sehen die Vertreter der Automobilindustrie und des Maschinenbaus ihre künftigen Geschäfte gefährdet. Für die deutsche Autoindustrie sei nun entscheidend, "dass dieses Land wieder zur politischen Stabilität zurückfindet und damit Planbarkeit für die Unternehmen gegeben ist. Das gilt auch für die Rechtsstaatlichkeit", teilt der Verband der Automobilindustrie (VDA) mit. Die deutschen Maschinenbauer haben zwar die erste Jahreshälfte mit vollen Auftragsbüchern abgeschlossen, "die jüngsten politischen Entwicklungen, darunter der Brexit und der Putschversuch in der Türkei, mahnen jedoch zur Vorsicht", sagte Ralph Wiechert, Chefvolkswirt des Verbandes deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Mögliche Investitionen in der Türkei würden jetzt "besonders kritisch geprüft", heißt es aus einer Mitteilung des Verbandes kurz nach dem Putschversuch.

Weniger Direktinvestitionen erwartet

Vorsichtig sind nicht nur die Maschinenbauer, die gesamte deutsche Wirtschaft scheut neue Investitionen im Land am Bosporus. 85 Prozent rechnen mit einem erheblichen Rückgang als Folge der fragilen politischen Lage, geht aus einer Umfrage unter Managern hervor. Nur vier Prozent geben an, dass die Geschäfte deutscher Firmen vor Ort durch die jüngsten Entwicklungen nicht beeinträchtigt werden.

Im vergangenen Jahr erreichten die deutschen Direktinvestitionen in der Türkei rund 9,2 Milliarden Euro, 1,2 Milliarden mehr als im Jahr zuvor. Im Moment gibt es dort gut 6000 deutsche Unternehmen oder Firmen mit deutscher Kapitalbeteiligung.

Seit Anfang des neuen Jahrtausends hat das Land dank politischer Stabilität hohe Wachstumsraten von bis zu zehn Prozent verzeichnet und ausländische Investitionen angelockt. Damit ist es erst mal vorbei. Durch eine Reihe von Anschlägen ist die Tourismusbranche, die zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Türkei ausmacht, eingebrochen. Laut dem deutschen Reiseverband ging die Zahl der deutschen Urlauber, die wichtigste Besuchergruppe, in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um 35 Prozent zurück. Die türkische Notenbank erwartet für 2016 dennoch ein Wachstum von 3,5 Prozent.