1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Drahtzieher aus Berlin

23. November 2009

Der Fußball-Wettskandal zieht immer größere Kreise: 200 Spiele in neun Ländern stehen unter Manipulations- verdacht. Die meisten wurden in Deutschland getürkt. Der DFB und die DFL richteten eine Task Force ein.

https://p.dw.com/p/KdCk
Symbolbild Wettskandal (Foto: Picture Alliance)
32 Spiele wurden in Deutschland manipuliertBild: picture-alliance / Sven Simon

Im größten Wettskandal der europäischen Fußballgeschichte kommen immer mehr Details ans Licht. Nach übereinstimmenden Medienberichten handelt es sich bei den Drahtziehern um eine fünfköpfige Gruppe: vier Berliner südosteuropäischer und türkischer Herkunft sowie der schon im Fall Hoyzer bekannt gewordene Ante Sapina. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll die Wettmafia womöglich zwei von ihr angeheuerte Spieler bei dem bosnischen Verein NK Travik als Gastkicker installiert haben.

Thomas Reichenberger vom VfL Osnabrück (Foto: dpa)
Er habe von nichts gewusst, beteuert Thomas Reichenberger vom VfL OsnabrückBild: picture-alliance/ dpa

Außerdem soll wieder ein DFB-Schiedsrichter unter Verdacht stehen, der offenbar im Mai in der Regionalliga Süd Schmiergeld kassiert haben soll. DFB-Präsident Theo Zwanziger kündigte ein rigoroses Vorgehen an. "Spieler, die sich an der Manipulation von Fußballspielen beteiligt haben, werden bei uns so schnell nicht wieder auf den Platz kommen. Bei den Schiedsrichtern – das hat man ja beim Hoyzer-Fall gesehen – haben wir klare Strafen verhängt, und das wird auch so bleiben." Der DFB und die Deutsche Fußball Liga (DFL) setzten miltlerweile eine Task Force ein. Die Arbeitsgruppe soll sich mit den Auswirkungen der Manipulations-Affäre beschäftigen. "Es wird die Wahrheit auf den Tisch kommen", versprach Zwanziger, der vor Vorverurteilungen warnte. DFB und DFL haben Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft Bochum beantragt.

Haupttatort: Deutschland

Die Hauptverdächtigen kommen also aus Deutschland. Und hier sollen auch die meisten Spiele manipuliert worden sein – insgesamt 32, so Friedhelm Althans von der Polizei Bochum: "In Deutschland sind es derzeit vier Spiele aus der Zweiten Bundesliga, drei Spiele der dritten Bundesliga, 18 Spiele der Regionalligen, fünf Spiele der Oberligen, sowie zwei Spiele von U19-Mannschaften."

Besonders der SSV Ulm und der VfL Osnabrück sind ins Visier der deutschen Ermittler geraten. Bei Ulm sollen gleich vier Regionalligaspiele aus der Endphase der letzten Saison unter Manipulationsverdacht stehen. Die drei in den Wettskandal verwickelten Profis des Zweitliga-Absteigers VfL Osnabrück haben inzwischen ihre Unschuld beteuert. "Ich möchte sagen, dass ich nie mit einer Wettmafia, Wettskandal oder sonstigen Kontaktleuten in Verbindung gebracht wurde", gab Thomas Reichenberger, der noch immer in Osnabrück spielt, am Samstag seinen Fans per Stadionmikrofon bekannt.

Frühwarnsystem hat versagt

Insgesamt wurden in Deutschland 15 Haftbefehle vollstreckt. Es gab mehr als 50 Durchsuchungsbeschlüsse. Das nach dem Hoyzer-Skandal installierte Frühwarnsystem, das die Liga vor weiteren Betrügereien warnen sollte, hatte keinen Alarm gegeben. Theo Zwanziger verteidigt das System dennoch: "Ich will jetzt noch nicht sagen, es hat versagt, ich glaube, das wäre zu früh, aber wir müssen mal gucken, warum wir nicht gewarnt worden sind", gab der DFB-Präsident zu bedenken. Es habe auffällige Spiele gegeben, allerdings außerhalb Deutschlands, diese seien jetzt auch Gegenstand der Ermittlungen.

Theo Zwanziger (Foto: dpa)
Das Frühwarnsystem hat nicht versagt, beschwichtigt ZwanzigerBild: picture-alliance/ dpa

In sechs europäischen Ligen sollen sogar Erstligaspiele betroffen sein. Dem Internetportal Süddeutsche.de liegt offenbar eine Liste mit verdächtigen Spielen vor, beteiligt seien dort vor allem kleinere Vereine aus der Schweiz, Belgien, Kroatien und der Türkei. Der Schweizer Zweitligist FC Thun sperrte seinen Stürmer Omar Faye für ein Pokalspiel, nachdem der von der Polizei verhört worden war. Auch Ligakonkurrent FC Gossau hat mittlerweile seinen Mittelfeldspieler Mario Bigoni suspendiert, nachdem der zugegeben haben soll, "dass in der letzten Rückrunde bei einem Spiel nicht alles sauber gelaufen" sei.

Auch 15 Spiele der aktuellen Europapokal-Saison, also in der Europa League und der Champions League stehen unter Manipulationsverdacht. Insgesamt sollen 200 Spiele in neun europäischen Ländern verschoben worden sein.

Neuer Wettskandal in Italien

Angeblich unabhängig von dem größten europäischen Wettskandal hat es auch in der italienischen Liga Unregelmäßigkeiten gegeben. Acht Spiele sollen im Land des Weltmeisters manipuliert worden sein: ein Zweitliga- und sieben Drittligaspiele. Die Ermittlungen richten sich gegen bis zu 20 Personen. Die Drahtzieher sitzen nach Polizeiangaben bei der Mafia, neun Verdächtige wurden am Montag festgenommen, darunter sind der Präsident des Drittligisten Potenza SC und ein bekannter Mafioso.

Autorin: Olivia Fritz

Redaktion: Manfred Götzke