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Deutsches Handwerk zieht es nach Rumänien

Margret Steffen24. März 2005

Während Rumänien um die Anerkennung in der EU kämpft, klagen in Deutschland viele Unternehmen über hohe Steuern und mangelnde Aufträge. Viele verabschieden sich aus der Heimat. Zum Beispiel nach Rumänien.

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Die Stadtmauer in SibiuBild: dpa

Eine Gesellenherberge im mittelalterlichen Sibiu, zu deutsch: Hermannstadt. Hierher zieht es viele Handwerksgesellen aus Deutschland. Rohe Dielen auf dem Boden, gekalkte Wände, Kachelöfen und vier Doppelstockbetten. Daniela Greulich kam vor zwei Jahren auf der Waltz - der Gesellenwanderschaft - hierher. Heute ist die 26-Jährige eine Art Herbergsmutter. "Ich war drei Jahre unterwegs - ich hab dann viel von der Herberge gehört und bin hier hängen geblieben und hab mich einfach in die Stadt und das Land verliebt. Wenn ich hier rumgucke, sehe ich die alten Häuser, die Dächer. Das fasziniert mich. Hier ist ja gerade Aufbruchstimmung, viel Arbeit wird gebraucht und gemacht."

Die römisch-katholische Kirche auf dem Grossen Ring (Piaţa Mare) in Hermannstadt (Sibiu)
Blick auf die Kirche und das bischöfliche PalaisBild: dpa

Hermannstadt wird im Jahr 2007 Kulturhauptstadt Europas. Ehrgeizig locken Bürgermeister und Kommune Investoren an und lassen die alte Bausubstanz sanieren - es wird gegründet und gebaut, was das Zeug hält. Die Herberge gehört zur örtlichen Kirchengemeinde. Die Gesellen schlafen und essen hier, bleiben, so lange es ihnen gefällt und helfen bei der Restaurierung der Kirche mit, die nebenan vor sich hin verwittert.

Erlerntes ausprobieren und neue Erfahrungen sammeln

Wandergesellen - Bild 4 von 5
Bild: dpa

Imre und Richard kommen aus Sachsen. Jeder von ihnen hat schon eine Weltreise hinter sich, Rumänien ist eine ihrer letzten Stationen vor der Heimkehr. In schwarzer Zimmermannskluft balancieren die beiden auf dem Kirchdach und ziehen ein Gerüst hoch, das mit deutschen Vorschriften wenig zu tun hat. Hier in Rumänien lernen sie vor allem zu improvisieren, mit wenigem auszukommen. Wie Niklas aus Baden-Baden, der dritte Geselle. Er gehört zur Maurerzunft und baut mit alten Ziegeln einen Türrahmen auf.

Am späten Nachmittag machen die Vier gemeinsam Pause bei Zigaretten und Bier. Daniela fühlt sich heimisch in Hermannstadt. Sie hat ein Auto und einen Hund und ist ein Profi darin geworden, Baumaterial zu beschaffen. Sie möchte das einfache Leben hier mit keinem anderen tauschen. "Ich hab die letzten fünf Jahre nur auf Baustellen zugebracht. Hab mich dran gewöhnt. Und hier ist halt immer irgendwas zu tun. Ich finds schön, dass noch so viel Altes da ist. Ich sehe hier, dass ich für die nächsten 20 Jahre Arbeit hab, ohne groß rumrennen zu müssen. Ich hab vorher in Marburg gewohnt, sehr schön, aber hab keine Arbeit gefunden."

Keine Kunststoff-Fenster bitte

Hier in Hermannstadt hat sich die Tischlerin aufs Restaurieren von Fenstern und Türen spezialisiert. Die Aussichten sind mehr als gut, denn der Stadtkern ist voller mittelalterlicher Häuser. Unermüdlich versucht Daniela die Rumänen zu überzeugen, keine schicken neuen Kunststoff-Fenster aus dem Westen zu verwenden. Weil sie in den Baufirmen des 30.000-Einwohner-Städtchen wenig Konkurrenz sieht, will sie jetzt selbst ins Gewerbe einsteigen. "Hier ist schon Geld da und es gibt genug Aufträge, aber zu wenige Leute, die das machen wollen und können. Da will ich so ein bisschen der Gegenpol sein. Ich will eben bessere Qualität fürs gleiche Geld anbieten und zeigen, dass es auch anders geht. Das wird sich wohl auf die Oberklasse beschränken und auf Organisationen, die deutsche Standards gewohnt sind."

Vielleicht findet Daniela dann auch ihren dringend benötigten Wunschmann - ein rumänischer Automechaniker soll es sein, der deutsch spricht. Auf jeden Fall wird ihr die Arbeit bis zum EU-Beitritt Rumäniens 2007 kaum ausgehen.