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Wirtschaftsrecht

Sabine Kinkartz11. Mai 2012

Effektiv und kostengünstig, so beurteilen deutsche Unternehmen das deutsche Rechtssystem. Im globalen Wettbewerb mit dem angelsächsischen Recht zieht es allerdings häufig den Kürzeren.

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Paragraph Symbolbild mit Menschen und Geldmünzen (© Gina Sanders(
Bild: Fotolia

Wenn der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Hans-Heinrich Driftmann, im Ausland unterwegs ist, dann wird er regelmäßig auf die robuste deutsche Wirtschaft angesprochen. Nach den Gründen für den Erfolg befragt verweist Driftmann gerne auf die soziale Marktwirtschaft und das gute deutsche Ausbildungssystem. Eine ganz wichtige Säule für den Standort Deutschland sei aber auch das Rechtssystem. "Es garantiert weitgehende unternehmerische Freiheit, gewährleistet ein hohes Maß an Rechtssicherheit und bringt widerstreitende Interessen in aller Regel zu einem fairen Ausgleich." Außerdem arbeite die deutsche Justiz im internationalen Vergleich auch effektiver und kostengünstiger.

Wie die meisten anderen europäischen Rechtsordnungen gehört das deutsche Recht zur kontinentaleuropäischen Rechtsordnung. Man nennt es kodifiziertes Recht, weil seine wichtigsten Grundlagen in Gesetzbüchern festgeschrieben sind. Für die Wirtschaft sind das Bürgerliche Gesetzbuch, das Handels-, das Gesellschafts- und Aktiengesetz, aber beispielsweise auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb am wichtigsten. Werden Verträge abgeschlossen, dann basieren sie auf diesen Gesetzen, es müssen nur noch Details geregelt werden.

Suche im Gesetzbuch( © rupbilder)
Deutliche Unterschiede zwischen kontinental-europäischen Recht und den Traditionen des angelsächsischen "common law".Bild: pbilder - Fotolia.com

Angelsächsisches Recht hat weltweit die Nase vorn

Im angelsächsischen Recht hingegen gilt grundsätzlich nur, was in den Verträgen steht. Englische oder us-amerikanische Verträge seien daher viel umfangreicher und aufwendiger, betont DIHK-Präsident Driftmann. Trotzdem verhandeln Unternehmen international immer häufiger nach angelsächsischem Recht miteinander. Bundesjustizministerin Sabine Leuthäuser-Schnarrenberger spricht von einem Wettbewerb zwischen den Traditionen des kontinental-europäischen Rechts und den Traditionen des angelsächsischen "common law", der schon lange im Gang sei. "Das ist eine der rechtspolitischen Herausforderungen der Gegenwart.  Dieser Wettbewerb wird geführt in internationalen Organisationen, bei der Entwicklungszusammenarbeit, aber natürlich gerade auch im globalen Wirtschaftsleben."

Ein Wettbewerb, bei dem das angelsächsische Recht zunehmend die Nase vorn hat. Und das, obwohl deutsche Rechtsanwälte, Richter und Notare im Schulterschluss mit der Wirtschaft und mit Unterstützung des Bundesjustizministeriums seit Jahren die Werbetrommel für die deutsche Rechtsordnung rühren. Es gibt ein "Bündnis für das deutsche Recht" und gerade erst wurde die Broschüre  "Law – Made in Germany" neu aufgelegt, in der die Vorzüge des deutschen Rechtssystems gepriesen werden.

Aktionen, die den schleichenden Bedeutungsverlust des kontinentaleuropäischen Rechts bislang nicht aufhalten konnten, wie DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann einräumen muss. "Das anglo-amerikanische Recht hat aufgrund der englischen Sprache, wie auch durch deren historisch bedingte weite Verbreitung und durch das gute Marketing amerikanischer Anwaltskanzleien zweifelsohne einen Vorsprung. Argumente in der Sache treten dabei leider dabei allzu häufig in den Hintergrund."

Mensch mit überdimensioniertem Paragrafen (Bild: Fotolia/drizzd)
Recht schwierig, die Sache mit dem richtigen RechtssystemBild: Fotolia/drizzd

Das Scheckbuch stets dabei

Eine Klage, der sich der Präsident des Deutschen Anwaltsvereins, Wolfgang Ewer, nur anschließen kann. Er plädiert daher dafür, das deutsche Recht international viel offensiver zu vertreten und zu fördern. Vor allem auch mit Blick auf den Export des deutschen Rechtssystems. Was er damit meint, macht Ewer an einem Beispiel deutlich: Wenn der Präsident der us-amerikanischen Anwaltsorganisation Staaten in Osteuropa oder im Fernen Osten besuche, dann werde er nicht nur stets vom amerikanischen Botschafter begleitet, sondern er habe sehr häufig auch einen Scheck dabei, um eine juristische Fakultät zu finanzieren. 

"Dann wird dort diese law-school eingerichtet, dann werden dort Professoren hin abgeordnet und wenn die Regierung eines solchen Landes, das ihr Rechtssystem gerade neu sortiert, irgendwelche Probleme und Fragen hat, dann wendet sie sich an die Vertreter dieser law-school.  Sie avancieren informell sehr schnell zu Beratern dieser Regierung." In der Folge werde natürlich nicht strenges europäisches Vergaberecht eingeführt, sondern US-Beschaffungsrecht. "Und dann bestellt diese Regierung irgendwann Monate später zwölf Flugzeuge und erstaunlicherweise kommen sie von Boeing und nicht von Airbus", stellt Ewer fest.

Rechtsförderung ist Wirtschaftsförderung

Die Förderung des deutschen Rechts im Ausland vereinfache daher nicht nur Investitionen im Ausland und erleichtere die Betreuung des Auslandsgeschäfts. Viel wichtiger sei doch die Tatsache, dass die Förderung des deutschen Rechts Wirtschaftsförderung sei, welche die Absatzchancen deutscher Waren und Dienstleistungen verbessere, so der Präsident des Deutschen Anwaltsvereins. Für die Geschäftsführer und die Juristen in den Rechtsabteilungen deutscher Unternehmen hält er daher eine klare Aufforderung bereit: "Treten Sie bei Vertragsverhandlungen offensiv auf, auch hinsichtlich der Frage, welches Recht Anwendung finden soll. Es ist gut, dass das deutsche Recht gegenüber dem angloamerikanischen Recht viele Vorteile hat. Die sollten wir auch beim Namen nennen und für das deutsche Recht werben."

Verträge nach deutschem Recht werden im Streitfall allerdings vor deutschen Gerichten und damit auch in deutscher Sprache verhandelt. Das schreckt Unternehmen, in denen englisch gesprochen wird, in der Regel ab. Auch Politiker fordern daher, Englisch optional als Verhandlungssprache vor bestimmten Kammern deutscher Gerichte zuzulassen.

In Nordrhein-Westfalen läuft seit Anfang 2010 ein entsprechender Modellversuch, außerdem gibt es eine Gesetzesinitiative von Seiten der Bundesländer zur Einführung von Kammern für internationale Handelssachen an deutschen Gerichten. Das stößt bei Bundesjustizministerin Leuthäuser-Schnarrenberger auf offene Ohren. Ihr Ministerium stehe dem derzeit im Bundestag beratenen Gesetzentwurf sehr aufgeschlossen gegenüber.

Von den an dem Modellversuch im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln beteiligten Juristen ist bislang überwiegend Positives zu hören. Auch die an den Verhandlungen beteiligten internationalen Unternehmen sind zufrieden. Einen Haken gibt es allerdings. Der Bundesgerichtshof, so ist zu hören, sehe sich auf längere Zeit nicht in der Lage, in Englisch zu verhandeln. Der BGH aber ist in juristischen Streitfällen die letzte und alles entscheidende Instanz in Deutschland.