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Deutschland als Krisenkatalysator?

18. April 2011

Die harte Haltung Berlins gegenüber Europas Sorgenkindern hat die Krise eher verschäft und die Rettung noch teurer gemacht. Dabei sollten die Länder an der südlichen Peripherie eher gestärkt werden, raten Experten.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto:AP)
Hat Angela Merkel die Eurokrise verschlimmert?Bild: AP
Angela Merkel und Peer Steinbrück (Foto: dpa)
Der legendäre Auftritt von Angela Merkel und Peer Steinbrück am 5. Oktober 2008Bild: picture-alliance / dpa

Es war Anfang Oktober 2008, auf dem Gipfel der Finanzkrise, da stellte sich Kanzlerin Angela Merkel vor die Fernsehkameras und versicherte den Sparerinnen und Sparern, "dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein." Die Bundesregierung garantiert für alle privaten Spareinlagen - so etwas hatte es bis dahin noch nie gegeben. Die Kanzlerin und der damalige Finanzminister Steinbrück versuchten dadurch, die Menschen zu beruhigen und Panik zu vermeiden, was ihnen auch gelang.

Solch eine schnelle und entschiedene Reaktion hätte man sich ein Jahr später auch im Falle Griechenlands gewünscht. Athen konnte nicht länger die Fälschung seiner Haushaltsstatistiken leugnen, und die Risikoprämien für griechische Staatsanleihen stiegen langsam. "Hätte man Ende 2009 sehr schnell den Rettungsschirm aufgespannt und eine Garantie ausgesprochen: Wir lassen Griechenland nicht fallen", hätte man die Spirale höherer Zinsen und Risikoprämien verhindern können, urteilt Thomas Fricke, Chefökonom der Financial Times Deutschland.

Zu lange gezögert

Thomas Fricke, Chefökonom von Financial Times Deutschland (Foto: G+J)
Thomas Fricke, Chefökonom von Financial Times DeutschlandBild: G+J

Stattdessen habe die Bundeskanzlerin monatelang gezögert, teilweise aus wahltaktischen und teilweise aus moralischen Gründen, da man die Sünder nicht einfach laufen lassen wolle, sagt Fricke gegenüber DW-WORLD.DE: "Von daher glaube ich, dass die Bundesregierung mit einem gut gemeinten Kurs am Ende die Krise nur verschlimmert hat."

Eine schnelle Entscheidung der Bundesregierung wurde zusätzlich erschwert durch eine niveaulose Kampagne einiger deutscher Medien: "Die Bild-Zeitung, die hier einer der Vorreiter war, hat sicherlich großen Einfluss", meint der Wirtschaftspublizist Norbert Häring. Es sei schwer, gegen die Bild-Zeitung zu regieren. "Sie hat die Griechen, aber auch die Portugiesen zu Sündenböcken gestempelt, die sie gar nicht sind."

Die Peripherieländer in den Abstieg treiben

Norbert Häring, Buchautor und Korrespondent des Handelsblatts (Foto: Handelsblatt GmbH)
Norbert Häring, Buchautor und Korrespondent des HandelsblattsBild: Handelsblatt GmbH

Denn zu der misslichen Lage der Peripherieländer hat auch Deutschland beigetragen. Ohne die hohen deutschen Überschüsse hätte es die Defizite in diesem Ausmaß nicht gegeben, so Häring. Die Rosskur, die sich Deutschland selber verordnet hatte und nun den südeuropäischen Ländern vorschreibt, werde diese Länder nicht ebenso wettbewerbsfähig machen wie Deutschland, sondern sie in den Abstieg treiben, prognostiziert er: "Der große Unterschied ist, dass Deutschland das Industrieland par excellence ist. Die Exporte machen bei uns 50 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus." In den peripheren Südländern sei dieser Anteil hingegen gerade mal halb so hoch oder noch kleiner. Das bedeute, dass wenn man ein bisschen wettbewerbsfähiger wird im Export, dann mache es in den Südländern viel weniger aus als bei uns. "Aber umgekehrt schlägt der Kaufkraftverlust viel stärker durch, wenn die Löhne sinken", sagt Häring zu DW-WORLD.DE.

Etwas Großzügigkeit schadet Deutschland nicht

Von daher reicht Sparen allein nicht aus. Man müsse die verschuldeten Länder vielmehr dabei unterstützen, einen Industriesektor aufzubauen, fordert Häring. Um Investitionen anzulocken, solle den Peripherieländern erlaubt werden, niedrige Körperschaftssteuersätze einzuführen: "Aber man hat ja gesehen, wie schwer es Irland hatte, seine niedrigen Steuersätze für Unternehmen zu verteidigen." Der Wille scheine nicht da zu sein, ein bisschen Industrie abzugeben, damit Griechenland und Portugal nicht völlig deindustrialisiert werden.

Ein blauer Schirm mit dem EU-Zeichen (Foto: dpa)
Der Schirm ist nicht sturmfest, kritisieren ExpertenBild: picture alliance/dpa

Auch der dauerhafte Rettungsschirm, der ab 2013 gelten soll und 700 Milliarden Euro umfasst, widerspreche der Finanzmarktlogik, da er einen langen Entscheidungsprozess impliziert, während die Finanzmärkte viel kurzfristiger reagieren, meint Thomas Fricke: "In dem Moment, wo ein Land unter den Schirm kommen könnte, nährt man die Spekulation dadurch, dass man überhaupt so einen langen Prozess macht."

Gefährliche Entwicklung

Auch hier spiegelt sich nach Frickes Meinung die deutsche Grundhaltung wider: Die Krise sei eine gerechte Strafe gegenüber Ländern, die geschludert haben und die Hilfe solle keiner gratis erhalten.

Wenn sich an dieser Haltung und den darauf basierenden Lösungsansätzen nichts ändert, laufe die Europäische Währungsunion Gefahr, entweder auseinanderzubrechen oder in eine Transferunion zu münden, warnt Norbert Häring: "Wenn zum Beispiel in Griechenland die Schmerzen so groß werden, dass sich eine Partei formiert, die für den Austritt ist." Der Druck der Straße könnte dann so groß werden, dass das Land tatsächlich austritt. "Wenn man das vermeiden will, dann wird man Griechenland durchfüttern müssen und durch Transfers dafür sorgen, dass die Griechen dabei bleiben."

Der Autor Nobert Häring veröffentlichte im September 2010 sein Buch: "Markt und Macht: Was Sie schon immer über die Wirtschaft wissen wollten, aber bisher nicht erfahren sollten".

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Henrik Böhme