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Politik

"Deutschland bleibt Europas Rückhalt"

Richard A. Fuchs
27. Januar 2017

Es steht nicht gut um die EU. Brexit, Nationalismus und das Thema Flüchtlinge spalten sie. Rainer Wend, Präsident der Europäischen Bewegung Deutschland, blickt auf eine zerrissene EU. Aber er sieht Grund zur Hoffnung. 

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Griechenland Zerissene Europa-Flagge im Hafen von Vathy auf der Insel Samos
Bild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

Deutsche Welle: Herr Wend, die britische Regierungschefin Theresa May lotet mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump in Washington aus, ob Großbritannien einen neuen Handelsvertrag mit den USA schließen kann. Ist der neue britisch-amerikanische Schmusekurs eine Gefahr für die Europäischen Union? 

Rainer Wend Präsident Europäische Bewegung
Rainer Wend: Deutschland hat eine Schlüsselrolle Bild: Imago

Rainer Wend: Diese Sonderbeziehung gibt es seit uralten Zeiten. Das hat auch historische Gründe. Ich finde, wir sollten jetzt nicht ängstlich darauf starren, was sich da möglicherweise an Beziehungen entwickelt. Wir sollten auf uns selber schauen - auf Europa. Und wir sollten selbstbewusst mit der Situation umgehen. Unsere Stärke hängt nicht davon ab, wie sich andere verhalten, sondern wie wir selber miteinander klar kommen.

Genau dabei scheint es aber erhebliche Probleme zu geben. Großbritannien will die EU verlassen, nationalistische Bewegungen stehen möglicherweise vor Wahlerfolgen in Frankreich, den Niederlanden und Österreich. Und die Flüchtlingsdebatte spaltet weiter. Europa ist in der schlechtesten Verfassung seiner Geschichte, sagen manche. Stimmt das? 

Ich fürchte, da ist was dran. Wenn man Le Pen in Frankreich und Wilders in den Niederlanden sieht oder nach Polen oder Ungarn schaut, dann ist es nicht so, dass wir in Euphorie verfallen könnten. Was mich zuversichtlich stimmt: In Deutschland steht die Mehrheit der Menschen immer noch hinter der Idee der Europäischen Union. Wir haben also einen breiten Konsens über alle gesellschaftlichen Kräfte, die nach wie vor Ja zur europäischen Idee sagen. Und wir sollten das eigentlich als Ansporn sehen, jetzt nach vorne zu schauen. Deutschland bleibt Europas stabiler Rückhalt.

Die Mehrheit der Deutschen denkt weiterhin pro-europäisch. Aber, auch in Deutschland werden nationalistische Töne lauter. Beispielsweise durch Parteien wie die Alternative für Deutschland. Wie groß ist die Gefahr, dass Deutschland als Brandmauer gegen die EU-Skeptiker versagt?

Wenn man schaut, was die Alternative für Deutschland zu bieten hat - sowohl inhaltlich als auch personell, dann sage ich: Es liegt an uns, an Demokraten, selbstbewusst und gemeinsam aufzutreten gegen Populismus und ja, Rechtsextremismus in dieser Partei. Daher würde ich nicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.

BERLIN Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Francois Hollande besuchen Breitscheidplatz
Die deutsch-französische Achse - vereint in Trauer am Breitscheidplatz in Berlin. Ein Terroranschlag tötete hier zwölf Menschen im DezemberBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

In den vergangenen 60 Jahren der europäischen Einigung hat das deutsch-französische Tandem oft als Motor für die Gemeinschaft agiert - besonders in schwierigen Zeiten. Es sind jetzt wieder schwierige Zeiten, in denen Frankreichs Präsident Hollande am Freitag Bundeskanzlerin Merkel getroffen hat. Welches Signal soll davon ausgehen?

Wir brauchen das Signal: Ohne das ganz enge Bündnis von Frankreich und Deutschland wird die EU nicht funktionieren. Deswegen ist das schon symbolisch sehr wichtig, dass die beiden sich in so einer Situation treffen. Ich kann an beide nur appellieren: Zeigt Selbstbewusstsein und keine devote Haltung  gegenüber Trump oder Großbritannien. Es bleibt dabei: Man kann keine Rosinenpickerei  betreiben, wenn man die EU verlässt.

Können die europäischen Institutionen etwas tun, um das, was Europa eint, wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken?

Ja, das können sie. Zum Beispiel, indem sie manche Dinge sein lassen. Wenn ich heute in der Zeitung gelesen habe, dass die Europäische Kommission vorschreiben will, welche Buntstifte Kinder in der Europäischen Union benutzen sollen, dann kann ich nur sagen: Einige EU-Bürokraten haben den Schuss nicht gehört. Die haben immer noch nicht verstanden, dass sie nicht Micro-Management betreiben sollen, sondern sich auf die großen Fragen konzentrieren müssen - sowohl was die Wirtschaftsfragen angeht, als auch was die Werte-Fragen angeht. Das Zweite, was mir wichtig ist: Wir müssen genau hinschauen, ob wir mit der Sparpolitik der vergangenen Jahr richtig lagen. Gerade im Süden Europas gibt es doch sehr viel Perspektivlosigkeit - auch deshalb. Wir sollten also selbstkritisch fragen, ob dieser Kurs wirklich richtig war.

Die britische Premierministerin Theresa May spricht am 26.01.2017 in Philadelphia
Großbritanniens Premierministerin May versucht die "Special Relationship" mit den USA wieder zu belebenBild: Picture-Alliance/dpa/S. Rousseau

Wird denn der Politikstil eines Donald Trump all jenen zum Vorbild, die Europa weiter spalten wollen? 

Es kann tatsächlich eine Ermutigung für die Orbans und Le Pens in Europa sein. Es kann aber auch ein Auslöser dafür sein, dass die demokratischen, pro-europäischen Kräfte wieder Mut fassen, aus der reinen Verwaltung Europas herauszutreten und mit Kraft wieder an einer gemeinsamen Europapolitik zu arbeiten, wo die Menschen auch spüren, dass es für sie Vorteile gibt, im sozialen Bereich, im Bereich von Menschenrechten und Werten. Es kann in beide Richtungen gehen. Und wir sollten als Gesellschaft alles dafür tun, dass es in die letztere Richtung geht. Wer ist dabei gefragt? Neben den politischen Parteien muss die breite Gesellschaft für Europa kämpfen - und wenn sie das tut, dann ist das eine Riesenchance, die in dieser Krise liegt.

Rainer Wend ist seit 2012 Präsident der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD). EBD ist das größte Netzwerk für Europapolitik in Deutschland. Es ist ein überparteilicher Zusammenschluss von 246 Verbänden aus Gesellschaft und Wirtschaft. Rainer Wend ist außerdem Leiter der Politik-Abteilung bei der Deutschen Post DHL.

 

Das Gespräch führte Richard A. Fuchs.