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"Deutschland braucht den Zensus"

10. Mai 2011

Die erste gesamtdeutsche Volkszählung hat begonnen. In Berlin gab es den Startschuss für den "Zensus 2011". In den nächsten Wochen werden statistische Daten über die Deutschen per Fragebogen und Interview erhoben.

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Passanten in einer Fußgängerzone (Foto: dapd)
Erste Ergebnisse des Zensus sollen 2012 vorliegenBild: dapd

Wenn es an der Haustür klingelt, kann es in den nächsten Tage einer der offiziellen Interviewer zu "Zensus 2011" sein.

Auftaktveranstaltung in Berlin

Denn am Montag (09.05.2011) hat die erste gesamtdeutsche Volkszählung begonnen. Auskunft geben müssen die gut 17,5 Millionen Immobilienbesitzer sowie Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften und zehn Prozent der übrigen Einwohner. Wer das sein wird? Das bestimmt der Zufall. Zudem werden Daten aller Bürger erhoben, die über das System der öffentlichen Verwaltungen, wie beispielsweise das Melderegister der Kommunen, abrufbar sind.

Doch wozu sind diese genauen Daten überhaupt notwendig? Bei der Pressekonferenz zum Start des Befragungsmarathons erklärte der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Roderich Egeler: "Deutschland braucht den Zensus", denn nur so könne die Zukunft besser geplant werden. Als Beispiel beschrieb Egeler, dass nach der Volkszählung 1987 im Westen über eine Milliarde Deutsche Mark in andere Regionen investiert wurden. Denn nach den damaligen Erhebungen war klar geworden, dass es in neuen Gebieten Handlungsbedarf gab.

Erste gesamtdeutsche Zählung

Plastisch stellte Egeler dar, dass die Einwohnerzahl von 81 Millionen Deutschen mittlerweile nicht mehr belegt werden kann. Denn als Basis gelten immer noch die Zahlen der Volkszählungen von 1987 in Westdeutschland und 1981 in der ehemaligen DDR. Zuzüge, Geburten, Sterbezahlen haben sie verändert, aber mit der Zeit auch ungenauer gemacht. Diese Fehler in den Fortschreibungen sollen nun behoben werden. Egeler schloss auch nicht aus, dass die Ungenauigkeit der aktuellen Zahlen in einem Unterschied von einer Millionen Menschen mehr oder weniger liegen könnte.

Roderich Egeler hält den Fragebogen hoch (Foto:dpa)
Statistiker Egeler erhofft sich viel vom "Zensus 2011"Bild: picture alliance/dpa

Die exakte Einwohnerzahl für Deutschland ist wichtig, um beispielsweise Wahlkreise richtig zuzuschneiden und auch die Zahlungen im staatlichen Länderfinanzausgleich gerecht zu machen. Auch die Sitze eines Bundeslandes im Bundesrat könnten sich verändern.

Erste Ergebnisse des Zensus sollen Ende 2012 vorliegen. In zwei Jahren sollen alle Daten des Zensus vorhanden sein. Egeler rechtfertigte die Gesamtkosten für die Volkszählung von 710 Millionen Euro als gute Investition. Zudem muss der "Zensus 2011" durchgeführt werden, da eine Verordnung der Europäischen Union vorsieht, dass bestimmte Daten europaweit erhoben werden.

Stichtag 9. Mai 2011

Alle Angaben, die auf den Fragebögen und im Interview gemacht werden, sollen sich auf den 9. Mai 2011 beziehen. Das ist der Stichtag für die Befragung. Die ersten Fragebögen wurden aber auch schon Anfang Mai verschickt, einige werden erst später eintreffen. Jeder, der um Auskunft gebeten werde, sei laut Gesetz dazu verpflichtet, so das Statistische Bundesamt. Verweigere sich jemand, folgten Mahnungen und Bußgelder.

Wie viele Personen leben in Ihrer Wohnung? In welcher Branche arbeiten Sie? Welchen Schulabschluss haben Sie? Das sind unter anderen Fragen auf dem zehnseitigen Bogen für die Haushaltsbefragung. Neben den klassischen Haushalten werden etwa zwei Millionen Menschen in Studentenwohnheimen, Altenheimen, Gefängnissen, Klöstern und anderen Gemeinschaftsunterkünften befragt. Zusätzlich sollen rund 17,5 Millionen Eigentümer von Häusern und Wohnungen Auskunft über ihr Eigentum geben.

Symbolbild Schriftzug 'Zensus 2011' und Stift unter der Lupe (Foto: dpa)
Viele Änderungen könnten sich mit den neuen Daten ergebenBild: picture-alliance/dpa

Kritiker der Volkszählung hatten datenschutzrechtliche Bedenken angeführt. Der "Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung" kritisiert unter anderem, dass auch Fragen gestellt werden, die über den von der EU geforderten Umfang hinausgehen. Darunter beispielsweise die Frage zum Migrationshintergrund und zur Religion, auch wenn diese Frage freiwillig beantwortet werden kann. Zudem fürchtet der Arbeitskreis, dass mit den zusammengetragenen Daten konkrete Rückschlüsse auf den einzelnen Bürger möglich sind.

Bundesamt: Daten werden nicht weitergegeben

Das Statistische Bundesamt weist diese Kritik allerdings zurück und trat datenschutzrechtlichen Bedenken entgegen. Die erhobenen Daten würden sicher verwahrt. Kein Befragter müsse Nachteile durch den Zensus befürchten, wenn er zum Beispiel nicht korrekt an seinem Wohnort gemeldet sei, erklärte Egeler. Die Daten würden nicht weitergegeben – auch nicht an Finanzämter, Sozialämter, Einwohnermeldeämter oder Sicherheitsbehörden. Egeler glaubt, dass die Situation heute im Vergleich zur Zählung von 1987 anders ist: "Wir rechnen nicht damit, dass dem Zensus ein Widerstand entgegengesetzt wird, der das Ergebnis infrage stellt." Egeler rief die Bürger zur Teilnahme auf. Die Daten kämen allen Menschen in Deutschland zugute.

Autorinnen: Naima El Moussaoui (dpa, afp, epd)

Redaktion: Marion Linnenbrink