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Deutschland - ein gesuchter Partner für China

7. Dezember 2009

Als erstes Mitglied der Schwarz-Gelben Koalition reiste Rainer Brüderle ins Reich der Mitte. DW-WORLD.DE sprach mit dem China-Experten Eberhard Sandschneider über die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen.

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Prof. Dr. Eberhard Sandschneider, Otto Wolff-Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) (Foto: DGAP)
Eberhard Sandschneider rät Mittelständlern, den Einstieg auf dem chinesischen Markt gut zu prüfenBild: DGAP/Eva Knoll

DW-WORLD.DE: Seine erste Auslandsreise als Bundeswirtschaftsminister führte Rainer Brüderle nach China. Ist damit alles über die Wichtigkeit Chinas für die deutsche Wirtschaft gesagt?

Eberhard Sandschneider: Ein bisschen schon. Natürlich stehen solche Auslandsreisen - gerade wenn ein relativ neu berufener Minister zum ersten Mal ins Ausland reist - immer unter besonderer und internationaler Beobachtung. Es ist, glaube ich, allerdings eine Binsenweisheit, dass die chinesische Wirtschaft gerade für die deutsche Wirtschaft von besonderer Wichtigkeit ist. Insofern ist diese Reise ein entsprechendes Signal. Man sollte sie allerdings auch nicht überbewerten.

Der Handel mit China hat sich zwar dynamisch entwickelt - im letzten Jahr wurde ein Rekord von über 110 Milliarden Euro erzielt -, doch macht der Export nach China weniger als zehn Prozent der Gesamtwarenausfuhr Deutschlands aus. Wo bestehen die größten Potentiale für eine engere Kooperation mit China?

Gerade in diesen Tagen, wo in Kopenhagen der berühmte Weltklimagipfel tagt, ist natürlich völlig klar, dass die Frage von Umwelt- und Klimaschutz in besonderer Weise im Vordergrund steht. Und da betonen nun sowohl der Minister als auch die mitreisende Wirtschaftsdelegation zu Recht, dass Deutschland in Anbetracht einer immer noch vorhandenen Technologieführerschaft in allen Fragen von Umwelttechnik und Klimaschutz ein besonders gesuchter Partner für China ist.

Ist in diesem Zusammenhang die Ankündigung des Entwicklungshilfeministers Dirk Niebel, die Hilfe für China zu streichen, für die Wahrung deutscher Wirtschaftsinteressen nicht eher kontraproduktiv? Durch Entwicklungspolitik könne Deutschland die Spielregeln in China besser mitgestalten, sagte auch Jürgen Hambrecht, Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft.

Ja, das ist natürlich einerseits richtig. Auf der anderen Seite ist man glaube ich schon ganz gut beraten, die Dinge so zu benennen wie sie sind. Entwicklungshilfe im eigentlichen Sinne des Wortes, wie wir das früher einmal verwendet haben, ist das, was die deutsche Wirtschaft mithilfe des entsprechenden Ministeriums tut, natürlich nicht. Es ist Außenwirtschaftsförderung. Grundsätzlich ist das Interesse der deutschen Industrie, auch mit staatlicher Hilfe auf diesen wichtigen Markt zu kommen, natürlich nach wie vor gegeben. Insofern kann man schon ernsthaft drüber nachdenken, ob Herr Niebel vielleicht mit einer anderen Diktion und einer etwas anderen Sprachweise sinnvoller agiert hätte.

Was sind die größten Störfaktoren in den deutsch-chinesischen Beziehungen?

Die Störfaktoren sind natürlich einerseits klassisch bekannt: Das ist die Debatte um geistige Eigentumsrechte, wie wir sie seit vielen Jahren mit China kennen. Und natürlich sind es immer wieder die politischen Störfaktoren: Debatten um Menschenrechte, um Tibet, mittlerweile vielleicht auch um Xinjiang. Das sind alles Dinge, die immer wieder einmal die Atmosphäre in den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen ein Stück weit belasten. Da wird man sehen müssen, wie das unter der neuen Bundesregierung weiter geht und wie sie es versteht, diese atmosphärischen Störungen im Rahmen zu halten.

Rainer Brüderle ist bei seinem Besuch in China sehr wirtschaftlich geblieben. Er wollte vor allem Türöffner für den Mittelstand sein. Die gängige Erfahrung der in China aktiven deutschen Unternehmen ist, dass man einen langen Atem haben muss. Aber viele Mittelständler können sich diesen langen Atem gar nicht leisten. Ist das Reich der Mitte als Investitionsstandort eher für die DAX-Konzerne geeignet?

Für die sowieso. Aber die Frage nach dem Mittelstand ist natürlich nur dahingehend zu beantworten, dass es keine pauschale Antwort gibt. Es gibt Mittelständler, die sind groß und finanzstark genug, die können sich ohne weiteres ein Engagement auf dem chinesischen Markt erlauben und die hohen Einstandskosten in den Markt und die hohen Vorlaufzeiten in Kauf nehmen. Für andere Mittelständler ist das ökonomisch ein ausgesprochenes Vabanquespiel. Die generelle Antwort "Der Deutsche Mittelstand sollte nach China gehen" ist sicherlich falsch. Es hängt sehr davon ab, wie das einzelne Unternehmen aufgestellt ist, wie es sich auch auf dem chinesischen Markt bewegen kann, welche finanziellen Ressourcen es hat. Es müssen nicht zwangsläufig nur die DAX-Unternehmen sein, die nach China gehen. Aber jeder Mittelständler, der das tut, muss wissen, auf der Grundlage welcher eigenen Kapazitäten er dieses kleine Abenteuer wagen kann.

Wie ist es umgekehrt? Sind chinesische Unternehmen in Deutschland wirklich willkommen?

Ich denke im Prinzip schon. Da hat es ja viele Debatten gegeben über den zu starken Einfluss. Aber wer weiß, dass wir in Zeiten der Globalisierung leben, der weiß, dass nicht nur wir auf fremde Märkte gehen, sondern dass auch Unternehmen von fremden Märkten auf unsere Märkte kommen. Das ist letztendlich Grundbestandteil dessen, was wir üblicherweise Globalisierung nennen. Chinesische Unternehmen, die auf unseren Märkten aktiv sind, werden sich einreihen in viele andere ausländische Unternehmen, die wir ja auch haben. Dass sie aus China kommen, ist dabei nachrangig.

China ist nicht nur ein wichtiger Partner für Deutschland, sondern auch ein starker Konkurrent. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis China Deutschland als Exportweitmeister ablöst. Wie viel Wert hat dieser Weltmeistertitel - oder anders gefragt: verstehen Sie die Aufregung hierzulande, jedes Mal, wenn Meldungen kommen, dass China Deutschland den Titel streitig macht?

Böse Zungen behaupten, das sei ja schon geschehen oder würde in diesem Jahr geschehen. Und wenn es im nächsten Jahr geschieht, ändert sich auch nichts daran, dass man sagen muss, bei fast 200 Volkswirtschaften weltweit Nummer zwei zu sein, ist ja auch nicht schlecht. Und ich füge gerne etwas spöttelnd hinzu, wir wissen ja aus der Welt des Fußballs, dass Vizeweltmeister zu sein, auch nicht unbedingt das Schlechteste ist. Das ist natürlich eine hochgradig von politischer Symbolik belastete Debatte, die auf die unmittelbaren Wirtschaftsaktivitäten zunächst einmal gar nicht den dramatischen Einfluss hat, wie es auf den ersten Blick aussieht.

Das Interview führte Zhang Danhong

Redaktion: Julia Elvers-Guyot

Eberhard Sandschneider ist Otto Wolff-Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)