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Bosnien: Und nach der Flut - die Minen

Monika Griebeler, Iveta Ondruskova26. Mai 2014

Außenminister Steinmeier ist zu Besuch in Sarajevo, spricht dabei auch über die Folgen der Flut. Neben humanitärer Hilfe kündigt er weitere Unterstützung an. Und da muss gehandelt werden, sonst endet es tödlich.

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Minenwarnschild steht tief im Wasser (Foto: AP Photo/Amel Emric)
Bild: picture-alliance/AP Photo

Frank-Walter Steinmeier war kaum gelandet, da wurde bekannt: Deutschland stockt seine Hilfe für die Opfer der Flutkatastrophe auf. Eine Million Euro hatte Deutschland bereits zur Verfügung gestellt, jetzt kommen weitere fünf Millionen dazu. Und - besonders wichtig: Die Bundesregierung will nach Auskunft des Auswärtigen Amtes außerdem gut eine Million Euro für die Beseitigung von Minen und Munitionsrückständen zur Verfügung stellen.

Bosnien-Herzegowina gehört weltweit zu den Ländern, wo sich noch die meisten Landminen befinden. Sie sind die explosiven Altlasten des jugoslawischen Bürgerkrieges von 1992 bis 1995. Nach Einschätzung von Experten ist eine Fläche von mehr als 1200 Quadrat-Kilometern kontaminiert, rund 2,3 Prozent des gesamten Landes. Etwa 120.000 Landminen lägen hier, heißt es.

"Das größte Problem seit dem Krieg"

"Wir hatten eine relativ gute Eingrenzung, wo die Minen liegen", sagte Stuart Maslen, Experte für Minenräumung und Mitglied der internationalen Kampagne zur Verbannung von Landminen. Doch die Flut verkompliziert die Suche: Bereits markierte Flächen wurden zerstört, Warnschilder weggetrieben. Und mit den Wassermassen und durch Erdrutsche wurden auch die explosiven Altlasten selbst möglicherweise kilometerweit in bisher unverminte Gebiete geschwemmt.

Ein Bundeswehr-Soldat hält eine Landmine in den Händen (Foto: picture-alliance/dpa)
Tödliche Altlast: Seit Ende des Bosnien-Krieges sind etwa 600 Menschen durch Landminen getötet wordenBild: picture-alliance/dpa

"Das ist ein Riesenproblem, das größte seit dem Krieg", sagt Ahdin Orahovac vom bosnischen Minenaktionszentrum (BHMAC). Besonders die Gegenden um Doboj und Olovo im Nordwesten Bosnien-Herzegowinas sind stark vom Hochwasser betroffen - und stark vermint. Vergangene Woche war an anderer Stelle im Norden des Landes bereits eine frei gespülte Landmine explodiert.

Plastikminen schwimmen wie kleine Boote

Das ist eine Gefahr auch für die Nachbarländer: "Einige dieser Minen sind aus Plastik und damit sehr leicht, doch auch die schweren aus Eisen können leicht weggeschwemmt werden", so Fikret Smajis vom BHMAC. Wie kleine Boote könnten sie so über Flüsse wie die Save und die Donau in andere Länder Südosteuropas gelangen, nach Ansicht der Experten sogar bis ins Schwarze Meer.

Infografik: Flussverläufe in Bosnien Herzegowina (Quelle: DW)
Flußverläufe in Bosnien

Ähnliches sei etwa vor einigen Jahren in Mosambik passiert, sagte der Minenexperte Thomas Küchenmeister der Deutschen Welle: "Auch dort wurden Minen, die noch nicht geräumt waren, weggeschwemmt und tauchten plötzlich in Gebieten auf, die nicht als vermint galten und auf eine völlig unvorbereitete Bevölkerung trafen, die nicht vorgewarnt war." Mehrere Menschen starben, weitere wurden schwer verletzt. Denn auch wenn Minen lange im Wasser lagen und der Zündmechanismus feucht geworden ist, können sie noch explodieren.

Minenräumung: Alles auf Anfang

Bosnische, serbische und kroatische Experten haben sich in einem Komitee zusammengeschlossen, tauschen täglich Information aus: "Alle Minen-Zentren werden einen speziellen Fokus auf Aufklärung der Bevölkerung legen, um sie vor der zusätzlichen Gefahr zu warnen", heißt es aus dem BHMAC. Denn auch im Schlamm, der Häuser zerstört hat, können nun Minen liegen. "Es ist sehr gefährlich zum Beispiel diesen Schlamm alleine selbst zu entfernen. Da muss zuerst das Militär hin. Es muss entmint werden", sagte auch der hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien, der Österreicher Valentin Inzko.

Wie weitreichend der Schaden tatsächlich ist, lasse sich aber erst absehen, wenn das Wasser ganz zurückgegangen ist. Dann müsse die klassische Aufräumarbeit von vorne beginnen: verminte Gebiete markieren, Minen finden, Minen entschärfen.

Ein Mann fährt auf einem Fahrrad eine Straße entlang, am Rand liegen Trümmer (Foto: Xinhua)
Nach der Flut: Zurück bleiben Trümmer, Schlamm und Minen - viele Bosnier haben alles verlorenBild: imago/Xinhua

Aufbauhilfe durch Technologie und Geld

Aktuell sind aber noch andere Fragen wichtiger. "Trinkwasser ist ein großes Problem, Wasserreinigungsanlagen werden gebraucht und natürlich auch Pumpen", so Valentin Inzko. Von deutscher Seite sind bereits mehrere humanitäre Hilfsorganisationen, wie das Technische Hilfswerk (THW), vor Ort. Mehr als 70 THW-Mitarbeiter befreien derzeit mit Hochleistungspumpen geflutete Häuser und Städte vom den enormen Wassermassen. Und eine schnelle Einsatztruppe sorgt mit mobilen Trinkwasseraufbereitungsanlagen dafür, dass in den Überschwemmungsgebieten schnell wieder sauberes Wasser zur Verfügung steht.

"Deutschland steht solidarisch an der Seite der Notleidenden und hat nach der Flutkatastrophe schnell reagiert", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes anlässlich des Besuchs von Außenminister Steinmeier der Deutschen Welle. Die zusätzliche Hilfe soll vor allem Privatleute und kleinere Betriebe beim Wiederaufbau unterstützen.

Aber auch die bosnische Regierung kann die Unterstützung gut gebraucht. Denn eigentlich war ihr Ziel, bis 2019 alle Minen im Land zu beseitigen. Nun wird es nach Angaben aus Sarajevo deutlich länger dauern: noch mindestens 20 bis 30 Jahre.