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Deutschland im Abseits

Alexander Kudascheff5. Februar 2003

Die europäische Außenpolitik ist schwer angeschlagen. Von einer gemeinsamen Haltung kann man angesichts der Irak-Krise nicht sprechen. Stattdessen geht ein Riss durch die EU, maßgeblich ausgelöst durch Deutschland.

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Die Außenpolitik der Europäer erlebt zur Zeit eine tiefe Krise. Der Grund: Die Europäer sind zerstritten, wie man sich in der Irakkrise verhalten soll. Soll man an der Seite der USA stehen, soll man mit ihnen möglicherweise in einen Krieg gegen den irakischen Despoten ziehen? So wie es acht europäische Länder in einem gemeinsamen Manifest gefordert haben, darunter Spanien, England und Italien. Oder soll man sich weiterhin kritisch gegenüber dem amerikanischen Kurs verhalten - eindeutig mit Nein zu einem möglichen Krieg optieren wie Deutschland, oder diplomatisch geschickter, aber in der Substanz ebenso entschieden wie Frankreich ?

Der Riss geht tief - und er scheint zur Zeit nicht zu kitten, schon gar nicht mit Formelkompromissen. Deswegen ist ein Gipfeltreffen der EU, selbst wenn es zustande kommen sollte, wenig erfolgversprechend, denn die Differenzen, die Dissonanzen - sie bleiben erhalten. Die Frage - "Krieg - Ja oder Nein" - ist dabei nur vordergründig die entscheidende.

Umgang mit Saddam

Dahinter steckt ein grundsätzlicher Unterschied, wie man mit einem Diktator und Tyrannen wie Saddam Hussein umgehen soll. Soll man, selbst wenn man ahnt, er baue an Massenvernichtungswaffen, unendlich geduldig auf diplomatische Mittel setzen, auf jeden Fall einen Präventivkrieg ausschließen? Oder soll man entschlossen und entschieden eingreifen, wenn möglich an der Seite Washingtons? Es sind die historischen Prägungen, die diese Frage beantworten. Für die Deutschen ist "Nie wieder Krieg" die Erfahrung des 20. Jahrhunderts. Für die Engländer beispielsweise ist "Nie wieder München" die Schlüsselerfahrung, als der damalige britische Premier Chamberlain glaubte, mit dem Münchner Abkommen mit Hitler einen Krieg verhindert zu haben, der dann ein Jahr später doch ausbrach.

Und Frankreich? Es teilt eigentlich die englische Erfahrung, steht aber traditionell durch den Gaullismus den USA kritisch gegenüber. Und mitten in diesen Einschätzungen schwimmen alle anderen Europäer mal auf dieser, mal auf der anderen Seite mit: die Ost- und Mitteleuropäer beispielsweise, die Balten, die Tschechen, die Polen oder Ungarn. Für sie ist nach Jahrzehnten sowjetischer Unterdrückung die Freiheit das höchste Gut. Und sie sind davon überzeugt, nur die USA können die Freiheit verteidigen, was sie automatisch an die Seite Londons und Madrids gebracht hat.

Ungemütliche Situation

Für Deutschland ist die Lage besonders ungemütlich. Denn Frankreich hat sich immer alle Optionen offen gehalten und niemand rechnet damit, dass Paris, wenn es zum Schwur kommt, Nein sagt und sein Veto einlegt. Deutschlands rot-grüne Regierung dagegen hat sich festgelegt. Sie wird auf keinen Fall mit Ja stimmen - und wird sich zum Schluss vielleicht an der Seite Syriens im Sicherheitsrat der UN wiederfinden. Dann wird die Abseitsstellung Deutschlands besonders deutlich werden.

Eine Sackgasse übrigens, in die sich die rot-grüne Regierung ohne jeden diplomatischen Zwang hineinmanövriert hat und die sie spätestens nach der Bundestagswahl hätte verlassen müssen - und wohl auch können. Aber Berlin hat sich verrannt - und denkt nicht an einen Kurswechsel.

Unmut über Verweigerungskurs

Das ist übrigens der wirkliche Grund für die tiefe Spaltung der EU. Nicht das Manifest der Acht hat Europa gespalten, es war der eigensinnige, halsstarrige Verweigerungskurs Berlins, der zum Unmut der Anderen geführt hat. Denn weder Schröder noch Fischer haben für ihre jeweilige Position irgend jemanden konsultiert, sondern meistens auf einer Wahlkampfbühne lapidar verkündet, was ihnen ins wahltaktische Konzept passte. Die Folge: Deutschland isolierte sich, die Zeit der Formelkompromisse in der Irakrise ging zu Ende. Und das sorgt wenigstens für Klarheit in der EU.

Das Manifest der Acht jedenfalls hat die Spaltung der europäischen Außenpolitik nur deutlich gemacht - mehr nicht. Bitter aber für Berlin ist etwas ganz anderes: Bis jetzt war die deutsche Außenpolitik, weil sie vernünftig transatlantisch war, also weder zu pro- noch zu antiamerikanisch, der Maßstab einer eigenständigen europäischen Politik in ihrem Verhältnis zu Washington. Das harsche, das rigorose Nein hat diese Politik beschädigt und das politische Gewicht Deutschlands drastisch verringert.