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Deutsche Hilfe für C-Waffenvernichtung

Alexander Drechsel9. April 2014

Der Bundestag hat den Einsatz einer Fregatte gebilligt. Im Mittelmeer soll sie die Zerstörung syrischer Chemiewaffen auf See schützen. Bei der Abstimmung über das Bundeswehr-Mandat war die Linksfraktion erstmals uneins.

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Die deutsche Fregatte "Augsburg" (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Deutschland wird einen weiteren Beitrag zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen leisten. Nach Zahlungen in Sonderfonds der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) und der Zusage, Abfälle aus dem Zerstörungsprozess zu entsorgen, beschloss nun der Bundestag mit großer Mehrheit, die Vernichtung auch militärisch zu schützen. Die Fregatte "Augsburg" mit 190 Männern und Frauen Besatzung soll im Mittelmeer das US-Spezialschiff "Cape Ray" geleiten. An Bord des amerikanischen Schiffes sollen in den kommenden Monaten auf hoher See Senfgas und Komponenten für andere Kampfstoffe, die aus Syrien stammen, zersetzt werden.

Linksfraktion erstmals uneins

535 Abgeordnete waren für den Einsatz der "Augsburg", 35 votierten dagegen und 19 enthielten sich. Erstmals stimmte diesmal die Linksfraktion nicht geschlossen gegen ein Bundeswehr-Mandat, obwohl die Partei Auslandseinsätze programmatisch ausschließt. Fünf Linksfraktionsmitglieder befürworteten sogar den Einsatz und 18 enthielten sich der Stimme. "Da schlagen wirklich zwei Herzen in meiner Brust", sagte der außenpolitische Sprecher der Linken, Jan van Aken, der Deutschen Welle. "Es ist natürlich wunderbar, dass das syrische Chemiewaffenprogramm komplett vernichtet wird. Und natürlich muss diese Vernichtung auf hoher See bewacht werden." Nur so könne verhindert werden, dass die "Cape Ray" angegriffen werde und Kampfstoffe beispielsweise in die Hände der Mafia oder von Terroristen gelangten. Van Aken, der früher als Biowaffeninspektor für die Vereinten Nationen arbeitete, enthielt sich bei der Abstimmung.

Sein Fraktionskollege und Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss, Alexander Neu, stimmte dagegen mit Nein. Für ihn ist die Entsendung der deutschen Fregatte Symbolpolitik und operativ nicht begründbar: "Welche Staaten könnten ein Interesse daran haben, die 'Cape Ray' zu überfallen und hunderte Tonnen von Giftgas zu entführen? Das ist logistisch nicht möglich. Wenn wir von asymmetrischen Akteuren sprechen, also von Terroristen oder der Mafia, welche logistischen Möglichkeiten hätten diese Gruppen, auch nur eine Tonne zu entführen? Das geht gar nicht."

Das US-Schiff MV Cape Ray (Foto: US Navy)
An Bord der "Cape Ray" sollen syrische Chemiewaffen zerstört werdenBild: U.S. Navy photo by Chief Mass Communication Specialist Mikel Bookwalter/Released

Deutsche Fregatte als Sicherungsschiff

Während die Linksfraktion erstmals uneins in der Frage eines Auslandseinsatzes war, herrschte in den anderen Fraktionen große Einigkeit, dass die "Cape Ray" geschützt werden müsse. "So ein Schiff kann möglicherweise Angriffsziel sein und deshalb kam die Anfrage ans Bundeskabinett, ob dieses amerikanische Schiff schutzwürdig wäre", sagte der CDU-Parlamentarier Ingo Gädechens der Deutschen Welle. Gleichwohl hält Gädechens, der den Verteidigungsausschuss über Marineangelegenheiten informiert, einen Angriff für unwahrscheinlich. Der deutsche Beitrag sei dennoch sinnvoll. "Die 'Cape Ray' befindet sich auf einem Transfer, wo sie die Hydrolyse nur bei ruhiger See durchführen kann. Unsere Fregatte 'Augsburg' ist dann auch so etwas wie ein Sicherungsfahrzeug, das zusätzlich navigatorische Aufgaben übernimmt."

Der Bundestagsabgeordnete Ingo Gädechens (Foto: dpa)
Ingo Gädechens ist Berichterstatter Marine im VerteidigungsausschussBild: picture-alliance/dpa

Anders ausgedrückt: Das deutsche Kriegsschiff sorgt vor allem dafür, dass die Fahrt der 'Cape Ray' nicht gestört wird. Die Aufgabe ist ein bisschen vergleichbar mit der Absicherung eines Schwerlasttransporters auf der Autobahn durch Polizeifahrzeuge. Die Fregatte achtet darauf, dass das US-Spezialschiff nicht ausweichen muss, weil ein anderes Schiff auch nur versehentlich seinen Kurs stört. Denn die Vernichtung der syrischen Kampfstoffe kann nur erfolgen, wenn die "Cape Ray" ohne nennenswerte Eigenbewegungen fährt. Damit scheidet auch Ankern aus, denn ein fahrendes Schiff liegt ruhiger im Wasser, als wenn es vor Anker unkontrolliert von Wind und Wellen bewegt wird.

Erfüllung militärischer Aufgaben

Sollte die Arbeit auf der "Cape Ray" gestört werden, so wird ein in die Schutzzone eindringendes Schiff zunächst angefunkt und gegebenenfalls von der "Augsburg" abgedrängt. Und da es sich um Kriegswaffen handelt, die vernichtet werden, ist es auch eine militärische Aufgabe, den Prozess zu bewachen. Sollte sich auf der "Cape Ray" ein Unfall mit Chemiewaffen-Komponenten ereignen, so sind Kriegsschiffe für den Schutz der Mannschaft ausgerüstet. Die "Augsburg" kann beispielsweise luftdicht verriegelt werden und mittels Filteranlagen sowie einem leichten atmosphärischen Überdruck verhindern, dass Giftstoffe durch die Luft ins Innere gelangen.

Der amerikanische Frachter MV Cape Ray (Foto: dpa)
Syriens Chemiewaffen werden in Hydrolyseanlagen zersetzt.Bild: picture-alliance/dpa

Die "Augsburg" liegt seit etwa anderthalb Wochen im Mittelmeer. Dort wird voraussichtlich auch die "Cape Ray" operieren. In internationalen Gewässern sollen innerhalb von maximal 90 Tagen rund 560 Tonnen gefährlicher Chemikalien aus Syrien mittels Hydrolyse zersetzt werden. Wann es genau losgeht, hängt davon ab, wann das Senfgas und andere Kampfstoff-Komponenten aus Syrien herausgeschafft sind. Eigentlich hätte dieses Kapitel schon vor Monaten abgeschlossen werden sollen, aber bislang ist nur ein Drittel der besagten Stoffe verladen. Inoffiziell heißt es nun, dass im April oder Anfang Mai alle Chemiewaffen aus Syrien herausgebracht sein sollen.

"Cape Ray" kommt auch nach Deutschland

Es geht aber nicht nur um die 560 Tonnen, die für die "Cape Ray" bestimmt sind. Insgesamt sollen nach OPCW-Angaben 1300 Tonnen Chemikalien unter internationaler Aufsicht vernichtet werden, damit Syrien von Chemiewaffen frei ist.

Nach übereinstimmenden Angaben des US-Militärs und der OPCW wird das norwegische Schiff "Taiko" vom syrischen Hafen Latakia aus 500 Tonnen Chemikalien zu kommerziellen Verbrennungsanlagen in Finnland und die USA bringen. Ein weiteres Frachtschiff, die dänische "Ark Futura", wird die Ladung für die "Cape Ray" in den süditalienischen Hafen von Gioia Tauro transportieren, wo sie auf das US-Spezialschiff umgeladen werden sollen. Anschließend fährt die "Ark Futura" weitere 150 Tonnen Chemie nach England, wo sie in einer Entsorgungsanlage in Ellesmore Port zerstört werden.

Die Abfälle, die bei der Zersetzung auf der "Cape Ray" anfallen, werden zunächst an Bord gelagert und nach Abschluss der Arbeiten von dem Spezialschiff selber nach Deutschland und nach Finnland gebracht. 370 Tonnen dieses sogenannten Hydrolysats werden in einer Spezialanlage im niedersächsischen Munster entsorgt.

Arbeiter entsorgen chemi­scher Kampfstoffe und Munition in Munster (Foto: DW/Alexander Drechsel)
In Munster sollen Abfälle aus der Chemiewaffenzerstörung entsorgt werden.Bild: DW/A. Drechsel