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Deutschland sucht das Staatsoberhaupt

Wolter von Tiesenhausen30. Juli 2003

Auch wenn das Amt des Bundespräsidenten überparteilich sein soll - die Besetzung ist eine parteipolitische Entscheidung. Und so diskutiert man bereits über die im Mai 2004 anstehende Wahl des Staatsoberhauptes.

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Lust auf eine zweite Amtszeit? Bundespräsident Johannes RauBild: AP

Hört man sich um unter den politischen Parteien, so scheinen alle einer Meinung zu sein: Zehn Monate vor der Wahl des Bundespräsidenten verbiete sich jede Spekulation um die zukünftige Besetzung des höchsten Staatsamtes. Doch wer sich nicht abwimmeln lässt, kann hinter vorgehaltener Hand mit der strikten Auflage niemanden zu zitieren, schon erfahren was hier und dort gewünscht, gefordert, lanciert und spekuliert wird. Personalien sind nun einmal das Spannendste an der Politik.

Seltene Eintracht

Zwar haben Liberale und Grüne in seltener Eintracht die Direktwahl des Bundespräsidenten gefordert, doch noch gilt das Grundgesetz und das sieht die Wahl des Staatsoberhauptes durch die Bundesversammlung vor. Dieses Gremium besteht aus den 603 Abgeordneten des Deutschen Bundestages und einer gleich großen Anzahl von Delegierten der sechzehn Landtage, insgesamt also 1206 Mitgliedern. Nach den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen stellen die Christdemokraten mit 530 Delegierten zwar die größte Fraktion, doch reicht es nicht zur absoluten Mehrheit von 604 Stimmen. Die Lücke könnten - rein rechnerisch - die 80 Stimmen der FDP schließen - vorausgesetzt, man einigt sich auf einen gemeinsamen Kandidaten.

Und Kandidaten gibt es viele. Da wäre an erster Stelle der amtierende Bundespräsident Johannes Rau. Er findet offenbar zunehmend Gefallen an dem Gedanken an eine zweite Amtszeit, will sich allerdings erst nach der Sommerpause endgültig entscheiden. Bisher haben amtierende Bundespräsidenten nur dann nochmals kandidiert, wenn ihre Wahl durch entsprechende Mehrheiten gesichert war. Rot und Grün, die ihn 1999 gewählt haben, werden im Mai des nächsten Jahres dafür aber nicht mehr genügend Stimmen haben.

Suche nach Unterstützung

Guido Westerwelle
Im zweiten Glied: Kandidat Wolfgang Gerhard, hinter Parteichef WesterwelleBild: AP

Die Liberalen liebäugeln damit, nach Theodor Heuß und Walter Scheel zum dritten Mal einen Bundespräsidenten zu stellen. Wolfgang Gerhard, der Fraktionsvorsitzende im Bundestag wird genannt. Für den Parteichef Guido Westerwelle hätte das den Vorzug, dass er nach einem solchen Wechsel seines innerparteilichen Konkurrenten umso leichter auch den Fraktionsvorsitz übernehmen könnte. Doch eine solche Rechnung kann nur aufgehen, wenn man Unterstützung bei anderen Parteien findet.

Der Koalitionspartner von gestern, die Christdemokraten, haben dazu ganz offensichtlich wenig Neigung. Sie beanspruchen als stärkste Fraktion der Bundesversammlung das Amt des Bundespräsidenten für sich. Edmund Stoiber, der bayerische Ministerpräsident und unterlegene Kanzlerkandidat hat bereits energisch abgewunken. Ebenso die Vorsitzende der CDU Angela Merkel. Doch ein Name wird inzwischen nicht mehr hinter vorgehaltener Hand, sondern ganz offen genannt: der des ehemaligen Partei- und Fraktionschefs Wolfgang Schäuble. Seine Reaktion darauf war der Hinweis, man habe sich intern darauf geeinigt, die Debatte um die Besetzung des höchsten Staatsamtes nicht im Sommer 2003 zu beginnen. Das war nun alles andere als ein Dementi, höchstens ein höfliches Ausweichen.

Wer zuletzt lacht...

Für Wolfgang Schäuble, der eigentlich Helmut Kohls Nachfolger im Amt des Bundeskanzlers werden wollte, wäre die Wahl zum Bundespräsidenten eine späte Genugtuung, auch wenn die noch nicht ganz aufgelöste CDU-Spendenaffäre nach wie vor einen Schatten auf den politischen Glanz des einstigen Kanzleramts- und Innenministers wirft. Vor allem aber, seit Schäubles Name offen gehandelt wirschipanskid, werden andere mögliche Kandidaten wie der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen, Bernhard Vogel, der noch amtierende Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Erwin Teufel, oder die Präsidentenkandidatin von 1999, Dagmar Schipanski, kaum noch genannt. Bei der Papstwahl gilt das Sprichwort, wer als Papst in das Konklave geht, kommt als Kardinal heraus. Ähnliches könnte allerdings auch bei der Wahl des Bundespräsidenten gelten.