1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Klima-Aktionstag 24.10.2009

24. Oktober 2009

Der Klimawandel scheint aus der politischen Debatte verschwunden. Und dass, obwohl der entscheidende Klimagipfel in Kopenhagen vor der Tür steht. Deshalb schlugen Klima-Aktivisten jetzt Alarm: mit einer Quiz-Show.

https://p.dw.com/p/KEXp
Aufführung zum Klima-Aktionstag (Foto: Giulia Carboni)
Ja oder Nein zu mehr Klimaschutz: die Quiz-Klimakanzlerin musste wählenBild: Giulia Carboni

Der Platz vor dem Brandenburger Tor in Berlin ist eine große Bühne. Das wissen auch die Klima-Aktivisten der Kampagne "Klimakanzlerin gesucht". Vor einer lautstark skandierenden Menge nutzen sie den weltweiten Klima-Aktionstag am Samstag(24.10.2009), um der neuen deutschen Bundesregierung ins 'Klimagewissen' zu reden. Im Zentrum der Aufmerksamkeit der etwa 400 Klimaschützer: das Double von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie wurde von 300 Demonstranten mit Angela Merkel-Masken über ihre klimapolitischen Zielen ausgequetscht. Wird die selbsternannte 'Klimakanzlerin' auf dem UN-Klimagipfel im Dezember in Kopenhagen sich auf weitreichende CO2-Minderungsziele für die Industriestaaten einlassen? Werden die Entwicklungsländer, die besonders drastisch unter den Folgen der Klimaerwärmung leiden, von den Staats- und Regierungschefs der reichen Industrieländer genügend finanzielle Hilfszusagen erhalten?

Bild von Kanzlerin Merkel (Foto: Giulia Carboni)
Sie stand im Mittelpunkt: die Kopie von Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: Giulia Carboni


Ist Merkel wirklich eine Klimakanzlerin?

Im Stil der bekannten Quiz-Show "Wer wird Millionär" muss sich das Kanzlerinnen-Double den zentralen Fragen der Klimapolitik stellen. Dazu gehört auch, ob Deutschland die aktuelle Zusage der 27 EU-Mitgliedsstaaten, bis 2020 die CO2-Emissionen um 30 Prozent zu reduzieren, noch erhöhen könnte. "Werden Sie ihr ganzes politisches Gewicht in die Waagschale werfen, damit die EU ihre Position ändert und in Kopenhagen eine CO2-Reduktion von mindestens 40 Prozent bis 2020 zusagt," fragt der Quizmaster die Klimakanzlerin. Schon in wenigen Tagen müsste sie auf dem EU-Gipfel am 29. und 30. Oktober in Brüssel ihre EU-Regierungskollegen von einem solchen ambitionierten Ziel überzeugen, damit die EU geschlossen in die UN-Klimaverhandlungen gehen könne.

(Foto: Giulia Carboni)
Klima-Aktionstag in Berlin: Deutschland sucht nicht den Superstar, sondern die KlimakanzlerinBild: Giulia Carboni

Die allzu zögerliche Quiz-Klimakanzlerin wird von zwei Jokern bei der Entscheidungsfindung beraten. Rechts und links um die Kanzlerin haben sich eine als Engelchen und eine als Teufelchen verkleidete Umweltaktivistin postiert – ihr fiktives Gewissen. "Das wirst du natürlich nicht machen, Angela", rät ihr das Teufelchen. "Schön abwarten und erst mal schauen, wie der Wind sich dreht." Das Engelchen dagegen fordert mehr Mut, und hat natürlich die versammelten Klimaaktivisten auf seiner Seite: "Stell dir vor wie es sein wird, Angie. Du ziehst aus nach Brüssel und überzeugst die anderen, denn du weißt, dass der Kampf für dieses Ziel richtig ist".

Klima-Aktivisten: Die Zeit des "Jein-Sagens" ist vorbei


350 Merkel-Masken werden johlend in die Höhe gerissen. Die Spannung, ob das Merkel-Double die richtige Antwort auf die Klimafrage gibt, lässt die Menge raunen. Enttäuschte Blicke dann, als ein nachdenkliches "Jeeiiiin" die Ratlosigkeit der gespielten Bundeskanzlerin deutlich macht. "Ganz ehrlich", erhebt der fassungslose Quizmaster seine Stimme, "wenn das so weitergeht, werden sie keine Klimakanzlerin".

Straßentheater (Foto: Giulia Carboni)
Die Klimapiraten fordern mehr Einsatz von der Klima-QueenBild: Giulia Carboni

Genau das müsse aber verhindert werden, sagt David Wagner von den Mitorganisatoren der Gruppe 'Die Klimapiraten' ernst. Denn gerade Deutschland habe als einer der Hauptverursacher des Klimawandels nicht nur eine moralische Verpflichtung, den Entwicklungsländern bei der Anpassung an die Folgen der Erderwärmung zu helfen, sagt er, und blickt auf die vor ihm noch immer zaudernde Quiz-Kanzlerin. Und um das zu erreichen, seien eben deutlich mehr als die von der EU bislang für Klima-Anpassung vorgesehenen zwölf Milliarden Euro pro Jahr nötig: "Völlig zurecht sagen die Schwellenländer und auch die ärmeren Länder des Südens, dass sie nicht den ersten Schritt tun werden." Erst wenn die größten CO2-Verschmutzer wie Europa und die USA eine wirkliche Vorreiterrolle übernehmen würden, könnten in Kopenhagen auch von den anderen Ländern Zugeständnisse erwartet werden, ist sich der Klimapirat sicher.

Klima-Aktivisten verhindern 350 Tonnen CO2-Ausstoß


Doch bei Appellen an die Klimakanzlerin wollten es die Klima-Aktivisten nicht belassen. Im Beisein der Quiz-Klimakanzlerin wurde ein großer, weißer Heliumballon vor der Kulisse des winterlichen Brandenburger Tores zum Platzen gebracht. Darin: Zertifikate über 350 Tonnen Verschmutzungsrechte, gekauft von der Gruppe "TheCompensators". Sie nutzt das System des EU-Emissionshandels aus, um aktiv Klimaschutz zu betreiben. Denn die Gruppe kauft – finanziert durch Spenden - die dort sonst von energieintensiven Unternehmen gehandelten Verschmutzungsrechte auf und löscht sie aus dem Emissionsregister. Die Firmen können auf die Rechte dann nicht mehr zugreifen – und diese Emissionen nicht mehr ausstoßen. Damit soll Klimaverschmutzung langfristig teurer werden. Denn erst dann, so das Kalkül der Gruppe, würde es sich wirklich wirtschaftlich lohnen, in saubere, klimafreundliche Technologien zu investieren.

Symbol-Ballon mit CO2-Aufschrift (Foto: Giulia Carboni)
CO2-Emissionen löschen - das kann der Verein "The Compensators"Bild: Giulia Carboni
Symbolisch rät das Teufelchen der Klimakanzlerin von mehr Klimaschutz ab. (Foto: Giulia Carboni)
Symbolisch rät das Teufelchen der Klimakanzlerin von mehr Klimaschutz ab. Wird in der Realität das Engelchen siegen?Bild: Giulia Carboni

Ob die Quiz-Klimakanzlerin an diesem Tag ebenfalls noch eine Tonne Verschmutzungsrechte gekauft hat, blieb auch nach dem Ende der Veranstaltung offen. Sicher ist jedenfalls, dass es wohl nicht die letzte Casting-Show gewesen sein dürfte, um wirkliche Klimavorreiter zu finden.

Autor: Richard A. Fuchs
Redaktion: Susanne Eickenfonder