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Deutsch-chinesischer Honeymoon

1. Juni 2017

Um das deutsch-amerikanische Verhältnis ist es unter Donald Trump nicht allzu gut bestellt. Umso besser scheint sich hingegen das deutsch-chinesische Verhältnis zu entwickeln. Treibender Faktor: die Wirtschaft.

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Deutschland Besuch chinesischer Premierminster Li Keqiang in Berlin
Bild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Es ist noch nicht lange her, da standen China und die EU kurz vor einem Handelskrieg. China wollte unbedingt formal als Marktwirtschaft anerkannt werden, was eine Reihe von Privilegien mit sich bringen sollte. Sogar die Androhung von Strafzöllen stand im Raum. Nur ein paar Monate später scheint der Streit vergessen. Beim Treffen zwischen dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang und Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin trübte jedenfalls kein Misston die gute Stimmung.

Ein Stück weit ist das sicherlich der aktuellen Weltlage geschuldet. Die USA scheren unter Donald Trump aus der internationalen Gemeinschaft aus und Deutschland sucht sich neue Partner. "Wir leben in Zeiten globaler Unsicherheiten", so Merkel. Deutschland und China sähen sich deshalb in der Verantwortung, die Zusammenarbeit auszubauen "und uns für eine regelbasierte Ordnung der Welt einzusetzen".

Angetrieben von der Wirtschaft

Jenseits der politischen Lage ist es aber vor allem die gute bilaterale Wirtschaftslage, die Merkel und Li zum Schulterschluss bringt. Kein Land der Welt kauft mehr deutsche Waren als China. Im vergangenen Jahr belief sich das Handelsvolumen auf 170 Milliarden Euro. Die Volksrepublik ist damit der wichtigste Wirtschaftspartner Deutschlands noch vor den USA und Frankreich. "In den nächsten fünf Jahren wollen wir Waren im Wert von zehn Billionen US-Dollar nach China importieren", kündigt Li Keqiang an. "Hoffentlich wird ein Großteil dieser Importe aus Deutschland kommen."

Die Bundeskanzlerin hört aufmerksam zu, was Li zu sagen hat. "Die beeindruckende Entwicklung hin zu einer der größten Volkswirtschaften der Welt verfolgen wir in Deutschland mit allergrößter Aufmerksamkeit", so Angela Merkel. "Entwicklungen in einem so großen Land wie China sind für eine so offene und global vernetzte Volkswirtschaft wie die deutsche von unmittelbarer Bedeutung."

China drängt nach vorne

"Deutschland ist ein hochindustrialisiertes Land und wir befinden uns erst in einem mittleren Stadium der Industrialisierung", gibt sich Li bescheiden, holt dann aber weit aus. "Made in China 2025" sei die Zielvorgabe, China will in ein paar Jahren ebenfalls vorne mitmischen. Die Volksrepublik gehört bereits jetzt zu den wichtigsten Forschungsnationen der Welt und baut seine Innovationskapazität weiter systematisch aus. Einerseits entwickelt sich das Land damit zum Konkurrenten für Deutschland. Doch viel mehr als das will die Bundesregierung China als Forschungs- und Entwicklungspartner sehen. Vor allem bei den Themen Industrie 4.0 und Elektromobilität.

Dieter Spath, Präsident der acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, findet das richtig. "Leider ist es ja so, dass bei den Menschen in Deutschland oft Sorgen und Ängste im Vordergrund stehen, wenn sie über die Zusammenarbeit unserer Länder nachdenken", sagt er unter Verweis auf gestohlene Betriebsgeheimnisse, massive Umweltprobleme und billige Massenproduktion. Die deutsch-chinesische Zusammenarbeit sei aber viel mehr als nur das. "Die strategische Partnerschaft ist Chance für neue Geschäfte und Geschäftsmodelle, für Wertschöpfung und für Arbeitsplätze in beiden Ländern."

Partner auf allen Ebenen

Schon jetzt setzt das Bundesforschungsministerium jährlich etwa 20 Millionen Euro die Umsetzung seiner China-Strategie 2015-2020 ein. Bei einem deutsch-chinesischen Innovationsgipfel hat Bundeskanzlerin Merkel nun zusätzlich die Einrichtung eines gemeinsamen Forschungsfonds vorgeschlagen. Dieser Fonds soll 2018 starten und ab 2020 jährlich mit bis zu vier Millionen Euro von jeder Seite ausgestattet sein.

Ministerpräsident Li Keqiang hört das gerne. "Wir wollen mit Deutschland im Industrialisierungsbereich, in der Fertigungsindustrie mehr Innovationszusammenarbeit gestalten." Insgesamt elf Verträge und Absichtserklärungen für Kooperationen wurden in Berlin unterzeichnet. Beispielsweise auf den Gebieten Luftfahrttechnik, Elektromobilität und Recyclingtechnik sowie im Bereich künstliche Intelligenz. Partner auf deutscher Seite sind sowohl Großunternehmen wie Airbus, Daimler, VW und Bosch, als auch mittelständische Betriebe und Forschungseinrichtungen.

Kompromiss bei Elektroautos

Daimler und VW haben damit erste Weichen zum Bau neuer Elektroautos in China gestellt. Li Keqiang sagte, man habe mit den deutschen Automobilherstellern bei der Einführung von Quoten für Elektroautos einen Kompromiss gefunden habe. "Ich glaube, wir haben eine Lösung. Seien Sie versichert, die chinesische Regierung wird weiter daran arbeiten, dass vor allem in China hergestellte deutsche Autos gut verkauft werden", sagte er. Details nannte Li nicht. China will ab 2018 Autokonzerne verpflichten, eine jährlich steigende Quote an Elektroautos zu verkaufen. Deutsche Autohersteller wie VW oder Daimler, die in China hohe Marktanteile haben, hatten eine Verschiebung der Quote gefordert.

"Alle ausländischen, auch deutsche Unternehmen sind herzlich nach China eingeladen, investieren Sie bitte mehr in China", warb Li Keqiang in Berlin. Im vergangenen Jahr hätten die deutschen Investitionen bereits um rund 70 Prozent zugelegt. "Ich hoffe, dass diese Zahl in diesem Jahr weiter ansteigt." Vor allem auch mittelständische Unternehmen seien willkommen, betonte der chinesische Ministerpräsident, der sein Land in Berlin demonstrativ als Freihandelsnation präsentierte.

Alles soll besser werden

Kritikern der Investitionsbedingungen vor Ort  versprach Li ein "faires Handelsumfeld und ein besseres Geschäftsumfeld". Man werde Kooperationen rechtlich schützen. "Wir werden dafür sorgen, dass das geistige Eigentum ausländischer Unternehmen nicht kopiert wird und wir bestrafen diejenigen, die das Gesetz brechen." Ausländische Unternehmen würden wie chinesische behandelt, beide seien gleichrangig. Versprechen, von denen aber auch der chinesische Ministerpräsident weiß, dass sie de facto noch auf sich warten lassen. "Natürlich braucht die Öffnung Zeit", fügt er daher hinzu und: "Bitte haben Sie Verständnis dafür."