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Gemeinsam gegen Wirtschaftsspionage

Kay-Alexander Scholz28. August 2013

In den kommenden Jahren wollen der deutsche Staat und die Unternehmensverbände einen zukunftsweisenden Wirtschaftsschutz etablieren. Die NSA-Affäre spielt dabei nur indirekt eine Rolle.

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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, sowie Eric Schweitzer, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) unterzeichnen einen Vereinbarung zum Schutz vor Wirtschaftsspionage in Berlin (Foto: DW / Scholz)
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, sowie Eric Schweitzer, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK)Bild: DW/K.-A. Scholz

Die Bundesregierung hat mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft am Mittwoch in Berlin im Beisein von 200 Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Behörden eine Vereinbarung gegen Wirtschaftsspionage und -sabotage geschlossen. Unterzeichner waren Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, sowie Eric Schweitzer, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Die Verhandlungen zu diesem "Letter of Intent" begannen bereits Ende 2012, also vor der Affäre um die Tätigkeit des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA. Doch dank der NSA-Affäre sei die Sensibilität für dieses wichtige Thema in Politik und Wirtschaft gestiegen, sagte BDI-Präsident Grillo.

Die gemeinsame Erklärung trägt den Titel "Wirtschaftsschutz in Deutschland 2015 - Vertrauen, Information, Prävention". Deutschland möchte eine nationale Wirtschaftschutzstrategie erarbeiten, die dann auch als Vorbild für ähnliche Maßnahmen in Europa dienen könne, wie Bundesinnenminister Friedrich ankündigte.

Roter Faden für den Wirtschaftsschutz

Zentraler Baustein der Strategie soll eine gemeinsame Sicherheitsplattform von Wirtschaft und Sicherheitsbehörden mit zentralen Ansprechpartnern werden. Dafür bedürfe es einer stärkeren Sensibilisierung in den Unternehmen, mehr gegenseitigem Vertrauen und einer neuen Qualität des Informationsaustausches, heißt es in der Vereinbarung.

Besonders die erfolgreichen kleinen und mittelständischen Unternehmen müssten sensibler für das Thema Spionage werden, sagte DIHK-Präsident Schweitzer. Diese "Hidden Champions" hätten einen erheblichen Anteil an Deutschlands Innovationskraft, böten aber bei ihren weltweiten Aktivitäten oftmals eine gute Angriffsfläche für Spionage. Von den staatlichen Sicherheitsbehörden erwarte Schweitzer, als wirklicher Partner und nicht nur "als verlängerter Arm einer staatlichen Sicherheitsstrategie" eingebunden zu werden.

Acht von zehn Unternehmen, die Opfer von Spionage-Angriffen wurden, sähen bislang von einer Anzeige absehen, sagte BDI-Präsident Grillo, da sie die Konsequenzen nicht absehen könnten. Doch die staatlichen Behörden bräuchten diese Informationen, um die Unternehmen besser schützen zu können. Eine Meldepflicht für Spionagefälle halte er dennoch für die falsche Vorgehensweise. Der nun eingeschlagene Weg eines freiwilligen Ansatzes sei deshalb zu begrüßen. Bundesinnenminister Friedrich pflichtete Grillo im Grundsatz bei, sagte aber, dass er dennoch eine Debatte über eine Meldepflicht für Unternehmen der kritischen Infrastruktur wie Strom- und Wasseranbieter angestoßen habe. Grillo forderte darüber hinaus, Wirtschaftsspionage völkerrechtlich zu ächten.

Auf rund 50 Milliarden Euro schätze die Bundesregierung die Schäden durch Wirtschaftsspionage, so Friedrich. Dabei liege die Dunkelziffer wahrscheinlich noch wesentlich höher. Dies sei eine leise, aber mächtige Bedrohung, sagte Friedrich weiter. Die Auswirkungen von Spionage zeigten sich oftmals erst später, zum Beispiel auf einer Messe, wenn ein Konkurrent plötzlich das neuentwickelte Produkt an seinem Stand präsentiere.

Spionage aus dem Osten

Russland und China seien die beiden Hauptakteure bei Wirtschaftsspionage, sagte Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. Der deutsche Inlandsgeheimdienst ist für die Abwehr von politischem Extremismus und Wirtschaftsspionage zuständig. Maaßen berichtete von aufgedeckten Spitzeln des chinesischen Geheimdienstes, die als Wissenschafter oder Journalist in Deutschland arbeiteten. Auch würden deutsche Mitarbeiter angeworben, vor allem "frustrierte Mitarbeiter" seien im Fokus der Geheimdienste, warnte Maaßen.

Dem Verfassungsschutz lägen weiterhin "keinerlei Erkenntnisse vor, die die These einer Wirtschaftsspionage aus dem Westen stützen könnte", sagte Maaßen zur Diskussion um Enthüllungen über Internetspionage des Whistleblowers Edward Snowden. "Tatsächlich wurde bis zum heutigen Tage in ganz Europa kein Fall von amerikanischer oder britischer Wirtschaftsspionage nachgewiesen", so Maaßen weiter. "Wir sind nicht naiv und auch nicht blind und gehen auch weiter allen Verdachtsmomenten nach", versprach der Verfassungsschutzpräsident.

Auch DIHK-Präsident Schweitzer ging auf die Abhöraffäre ein. Er warnte davor, in der Diskussion um die Aktivitäten der NSA die Freundschaft zwischen den USA und Europa in Frage zu stellen. Diese sei eine "entscheidende Grundlage für die positive wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, Europa und der Welt". Keinesfalls dürften dadurch die Verhandlungen für ein transatlantisches Freihandelsabkommen aufgehalten werden, warnte Grillo.