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Klima-Report 2009

28. April 2010

Es gibt wohl kaum ein Thema, über das so viel geredet wird, wie über das Wetter. Mit seinem aktuellen Klima-Report sorgt der Deutsche Wetterdienst für neuen Gesprächsstoff.

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Oberfläche der Sonne (Foto: AP)
Bild: AP

"Von wegen Klimawandel" - dachten im Winter viele Leute - "sollte sich die Erde nicht erwärmen?" Denn der Winter in Deutschland war bitterkalt, und Schnee gab es auch genug. In den Städten kamen die Winterdienste mit dem Räumen nicht mehr hinterher, ganze Ortschaften waren eingeschneit und von der Außenwelt abgeschnitten.

Wolfgang Kusch, Präsident des Deutschen Wetterdienstes. (Foto: DWD)
Wolfgang KuschBild: DWD

Wolfgang Kusch kann diese Frage trotzdem bald nicht mehr hören. Er ist der Präsident des Deutschen Wetterdienstes (DWD). "Kaum erleben wir mal ein Jahr ohne neue Wärmerekorde, gilt das schnell als Beleg für ein Ende des Trends zu höheren Temperaturen", sagt Kusch. "Aber das ist falsch." Kusch vergleicht die Entwicklung des Klimas mit der Reise in einem Zug: Mal geht es bergauf, mal bergab, aber die allgemeine Fahrtrichtung, die ist klar: Die Reise geht nach oben. "Nur wer die gesamte Reise im Blick hat, kann sagen, wie viele Höhenmeter der Zug überwunden hat und noch zurücklegen wird. Ein einzelner Fahrtabschnitt hilft da nicht weiter". Sinnvolle Wetterbetrachtungen gehen deshalb immer über mindestens 30 Jahre, sagt Kusch.

Deutscher Wetterdienst: Deutschland wird wärmer. (Infografik; DWD)
TemperaturentwicklungBild: DWD

2009 war zu warm - trotz des strengen Winters

"Wer heute 15 Jahre alt ist, hat so einen Winter wie 2009 noch nie gesehen", sagt Gerhard Müller-Westermeier, der Leiter des Bereiches Klimaanalyse beim DWD. "Der letzte Winter war so kalt wie seit Mitte der 90er Jahre nicht mehr". Aber das dürfte in den kommenden Jahren seltener werden. "2009 war wieder zu warm" sagt Müller-Westermeier. Denn die Durchschnittstemperatur in Deutschland lag im vergangenen Jahr bei 9,2 Grad Celsius. Nach Aufzeichnungen des Deutschen Wetterdienst waren nur zwölf Jahre seit Beginn des 20. Jahrhunderts noch etwas wärmer.

Das letzte Jahrzehnt war weltweit sogar das wärmste seit 1881 - da begannen die Aufzeichnungen in Deutschland. Auch wenn noch nicht ganz klar ist, wie natürlich dieser Prozess ist: Das Wetter wird nicht nur wärmer, es wird auch regional unterschiedlicher.

Der Süden Deutschlands, also zum Beispiel das Saarland, erwärmt sich doppelt so schnell wie Mecklenburg-Vorpommern. Die Daten des DWD ergeben außerdem, dass es in Sachsen immer seltener regnet, während der Rest der Republik immer mehr Regen abbekommt. Diese Entwicklungen sind vor allem für die Bauern ein Problem. Sie werden sich zukünftig umstellen müssen, sagt Paul Becker vom DWD. "Die deutschen Landwirte werden im Verlauf dieses Jahrhunderts zunehmend Wärme liebende Pflanzen einsetzen."

Dr. Paul Becker, Leiter des Geschäftsbereichs Klima und Umwelt und Mitglied des Vorstands des Deutschen Wetterdienstes. (Foto: DWD)
Paul BeckerBild: DWD

Nordafrikanisches Getreide in Deutschland?

In seiner landwirtschaftlichen Zukunftsvision geht Becker sogar noch weiter. "Man kann künftig neue Pflanzenarten wie zum Beispiel Hirse oder das Sudangras auf unseren Feldern erwarten". Die Hirseart Sudangras wächst - wie der Name bereits andeutet - normalerweise in Nordostafrika.

Agrarmeteorologen wie Becker rechnen auch damit, dass Bauern in Zukunft zur Zweitkultur-Nutzung übergehen. Das bedeutet, dass Landwirte zweimal im Jahr ernten: Zum Beispiel Wintergetreide im Mai und Mais im Herbst. "Entscheidend wird allerdings sein, ob dafür ausreichend Wasser vorhanden sein wird".

Der Klimawandel ist real, und er ist nicht mehr aufzuhalten. Man kann ihn höchstens noch abmildern, darin sind sich alle Wetterforscher einig. Doch auch das wird noch lange dauern, rechnet Müller-Westermeier vom DWD vor: Selbst wenn die Menschheit sofort den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid einstellen könnte, bräuchte es noch 100 Jahre, bis man davon etwas merken würde. Entwickele sich das Klima aber weiter wie bisher, werde die Erwärmung in Deutschland im Schnitt etwa drei Grad betragen. "Ganz extreme Modelle kommen sogar bis auf fünf Grad bis zum Ende des Jahrhunderts".

Das Wetter wird also noch lange Gesprächsthema Nummer eins bleiben - und ein strenger Winter wie der jüngste wird wohl bald der Vergangenheit angehören.

Autor: Samuel Jackisch
Redaktion: Hartmut Lüning