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'Schuldenbremse' in Sicht

Bernd Gräßler6. Februar 2009

In das Grundgesetz soll eine 'Schuldenbremse' eingebaut werden. Demnach darf sich der Staat künftig (fast) nicht mehr verschulden. Bund und Länder sind sich im Prinzip einig, doch das föderale System hat seine Tücken.

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Die Vorsitzenden der Foederalismuskommision II, der Ministerpraesident von Baden-Wuerttemberg, Guenther Oettinger, links, und der Fraktionsforsitzende im Deutschen Bundestag der SPD, Peter Struck, vor der Bundespressekonferenz in berlin (AP Foto/Michael Sohn)
Günter Oettinger (links) und Peter Struck leiten die Föderalismuskommssion IIBild: AP

Als die Ministerpräsidenten der Bundesländer am Donnerstag (05.02.2009) auf dem Berliner Flughafen Tegel einschwebten, um mit den Vertretern des Bundes in einer nahen Bundeswehrkaserne über Schuldengrenzen und Milliardenhilfen zu feilschen, war noch nicht klar, wie die Sache ausgehen würde. Tags darauf verkündeten SPD-Fraktionschef Peter Struck und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger, die Föderalismuskommission II habe den Durchbruch geschafft.

"Sternstunde" des Föderalismus

Es habe sich erwiesen, dass der deutsche Föderalismus solidarisch und zu vernünftigen Lösungen in der Lage sei, sagte Struck nach achtstündiger Sitzung stolz: "Es war aus meiner Sicht eine Sternstunde des kooperativen Bundesstaates ".

Von 2016 an soll der Bund nur noch Schulden von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen dürfen. Zum Vergleich: Im Euro-Raum dürfen sich EU-Mitglieder derzeit mit maximal 3 Prozent verschulden. Die 16 deutschen Bundesländer wollen ihre Neuverschuldung jedoch sogar auf Null bringen, allerdings erst ab 2020.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (Archiv, Quelle: AP)
Letzte Details werden bis zum kommenden Donnerstag geklärt, meint Bayerns Ministerpräsident SeehoferBild: AP

Beides soll im Grundgesetz und in den Landesverfassungen verankert werden. Bis Ende Juli könnten Bundestag und Bundesrat darüber entscheiden. Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte die "fundamentale Weichenstellung" , von der kommende Generationen profitieren würden und die auch zukunftsweisend für Europa und andere Länder der Welt sein könne.

Die in diesem Jahr drohende Rekordverschuldung des Staates wegen der Bankenkrise hatte den letzten Anstoß für die Einigung gegeben: In der 2007 gebildeten Föderalismuskommission zur Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern arbeitete man fortan hektisch an diesem Problem.

"Bis jetzt ist nie zurückgezahlt worden"

In der angestrebten "Schuldenbremse" im Grundgesetz werde es auch Ausnahmen geben, erläuterte Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger. Bei Naturkatastrophen, Weltwirtschaftskrisen oder auch konjunkturellen Krisen soll der Staat höhere Kredite aufnehmen können. Diese müssten aber in Jahren des Wachstums ausgeglichen werden, erläuterte Oettinger: "Das heißt, sie müssen symmetrisch eins zu eins innerhalb einer Konjunkturperiode zurückgeführt werden." Dies ähnelt der 2001 im Nachbarland Schweiz per Volksentscheid beschlossenen "Schuldenbremse", die bei den Eidgenossen in den letzten Jahren das öffentliche Minus in den Kassen eingedämmt hat.

Generell solle in Deutschland gelten, dass Neuverschuldungen nur zusammen mit einem genauen Tilgungsplan beschlossen werden, sagte Oettinger. Ob es nicht normal sei, dass Schulden so zurückgezahlt werden, fragte eine erstaunte Journalistin auf der Pressekonferenz. "Bis jetzt ist nie zurückgezahlt worden", entgegnete Oettinger.

Ungebremst auf abschüssiger Piste

In der Tat ist Deutschland in den letzten Jahrzehnten wie ein ungebremstes Auto auf abschüssiger Straße in die Staatsverschuldung gerast, mit immer höherer Geschwindigkeit. Seit Ende der 60er Jahre gab es kaum noch einen ausgeglichenen Haushalt. Gründe für neue Schulden gab es immer: von den staatlichen Ausgabeprogrammen in der ersten Ölkrise über die Kosten der deutschen Einheit bis zum Bankenrettungsschirm und dem Konjunkturpaket in der jüngsten Krise..

Derzeit sind die öffentlichen Kassen mit 1,5 Billionen am Kapitalmarkt verschuldet. Doch das ist nicht alles: Die Belastungen des Staates durch künftig zu zahlende Beamtenpensionen und Zuschüsse in die gesetzliche Altersversorgung machen ein Vielfaches aus.

Auch Bayern solidarisch

Die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler in Berlin (29.1.2009, Quelle: DPA)
Die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler in Berlin tickt: mit 1,5 Billionen Euro ist der Staat verschuldetBild: picture-alliance / dpa

Bis zuletzt drohte der Pakt gegen die Neuverschuldung daran zu scheitern, dass ärmere Bundesländer sich außer Stande sahen, irgendwann ohne neue Schulden auszukommen. Das Saarland, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Bremen und Berlin erhalten nun Hilfen vom Bund und den reicheren Ländern, um wenigstens die laufenden Zinsen ihrer Altschulden begleichen zu können. Auch Bayern erklärte sich nach langem Widerstreben solidarisch. Allerdings gebe es bis zum 12. Februar noch Details zu klären, hieß es vor allem aus dem Kreis der Bundesländer.

Die ganz große Lösung für die Finanzprobleme der ärmeren Länder wurde erneut auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben: Ihre Fusion mit größeren, starken Nachbarländern. Damit werde sich möglicherweise eine nächste Kommission befassen, sagte SPD-Fraktionschef Peter Struck.