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Deutschlands Medienmarkt wird neu aufgeteilt

Thomas Kirschning7. Februar 2002

Die Erben von Kirchs Medienimperium könnten Murdochs News Corp, Vivendi Universal oder Berlusconis Mediaset heißen. Ein DW-Kommentar von Thomas Kirschning.

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Wie kein anderer hierzulande erkannte Leo Kirch schon in den fünfziger Jahren, dass Medien nicht nur Macht bedeuten. Im Nachkriegsdeutschland schaute man nämlich nach grausamer Erfahrung vor allem auf die politische Bedeutung von Massenmedien: Hitler, der Diktator, hatte seinen mörderischen Größenwahn mit der "Gleichschaltung" der Medien auf die Massen übertragen.

Leo Kirch aber, der Händler, war der erste, der in Deutschland Film vor allem als Ware begriff: Höchst erfolgreich kaufte er zunächst in Europa, dann in großem Stil in Hollywood Ausstrahlungsrechte. Später produzierte er selbst Medien und schaffte sich in seiner Kette durch Werbung finanzierter Sender zusätzliche Vermarktungsmöglichkeiten: Sat1, Pro7, Kabel1, Deutsches Sportfernsehen, der Nachrichtenkanal N24, um nur einige zu nennen. Kirch drehte ein immer größeres Rad. Aber die Finanzierung stimmte.

Dann machte er seinen vielleicht größten Fehler: In Deutschland, wo so zahlreich wie nirgends sonst auf der Welt -noch- vergleichsweise hochwertige Programme im sogenannten "Free-TV" gegen eine relativ geringe Rundfunk-Gebühr "frei" zu empfangen sind, wollte Kirch am "Pay-TV" verdienen. Er glaubte, genügend Zuschauer würden Geld locker machen, um beispielsweise selbst entscheiden zu können, aus welchem Blickwinkel sie den entscheidenden Treffer beim Fußball betrachten wollen. Schon die Einführung dieses Pay-TV kostete Kirch Unsummen. Dann blieben die Kunden aus: Der unrentable Betrieb saugt seit 1998 stets neue Millionen aus Kirchs Konzernkasse. Noch fanden sich Financiers für dieses und andere mediale Abenteuer von Leo Kirch - allen voran die Bayerische Landesbank unter der Kontrolle der Landesregierung des jetzigen Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber.

Im vergangenen Jahr aber stürzten die Börsennotierungen und die Konjunktur ging baden. Entsprechend sanken finanzielle Bewertung und Bonität des Hauses Kirch, seine Einnahmen schmolzen dahin. Die Banken, die bislang stillgehalten hatten, drängen nun immer lauter auf die pünktliche Bedienung ihrer Kredite. Desgleichen andere Geldgeber: Der australisch-amerikanische Medienmagnat Rupert Murdoch und der deutsche Springer-Konzern hatten sich bei Kirch eingekauft. Mit Austrittsrecht: Beide wollen nun ausgezahlt werden. Kirchs Kasse aber ist leer. Er steckt endgültig in der Klemme.

Wie soll es weitergehen? Zwei Szenarien zeichnen sich ab - ein nationales und ein internationales: Entweder übernimmt Murdoch mit seiner News Corp insgesamt das Sagen bei Kirch. An Kirchs TV-Sendern seien auch Vivendi Universal aus Frankreich und Berlusconis Mediaset in Italien interessiert, heißt es. Oder Kirch lässt eine Aufteilung seines Imperiums zu und verkauft sein Tafelsilber zu Hause: Seine Übertragungsrechte der werbeträchtigen Autorennen der Formel 1 an DaimlerChrysler etwa und seine 40prozentige Beteiligung am Springer-Verlag an eine Gruppe anderer deutscher Großverlage.

Bundeskanzler Gerhard Schröder favorisiere einmal mehr eine "nationale Lösung", ist zu hören. Ob er sein Bestreben durchhalten kann, ausländischen Einfluss auf deutsche Konzerne einzugrenzen, bleibt abzuwarten. Seine fortgesetzten Händel mit dem Wettbewerbskommissar der EU schaden dem deutschen Standing in der Gemeinschaft.

Andererseits steht im Fall Kirch auch das sorgfältig austarierte Verhältnis zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland auf dem Spiel und damit die Frage, wie pluralistisch die hier frei empfangbaren Programme künftig sein werden. Murdoch, so viel ist sicher, kämpft mit härteren Bandagen um Renditen als Kirch. In England hat er mit seinen Verlagen zudem aktiv in den Wahlkampf eingegriffen.

Dass kommerzielle Programmanbieter zur Steigerung der Gewinne ihre Produkte immer billiger und populistischer gestalten, ist ärgerlich genug. Auf Medienmogule mit politischen Ambitionen sollten wir aber gänzlich verzichten - aus Erfahrung. Und mit sorgenvollem Blick nach Italien, wo sich ein Regierungschef mit hoheitlicher Macht anschickt, kritische Konkurrenz mundtot zu machen - zugunsten der ihm selbst gehörenden Massenmedien.