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Goethe in Indien

Sandra Petersmann7. Juli 2007

Deutsche Sprache, schwere Sprache - doch immer mehr Indier nehmen den Kampf mit der deutschen Grammatik auf sich und stürmen die Kurse der indischen Goethe-Institute.

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Inder liest die Zeitschrift Spiegel in der Bibliothek des Goethe-Instituts in Neu Delhi
Deutsch ist In(dien)Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Draußen vor dem Eingang sammeln zwei kleine, dreckige Jungs in Lumpen alles auf, was sie für ein paar Rupien beim Recycling verkaufen können. Drinnen, hinter den Mauern des weißen Anwesens schnurrt die Klimaanlage und macht aus 40 Grad 25. Das große grüne 'G' im modernen Design über dem Eingangstor an der mehrspurigen Straße verrät, wer hier zu Hause ist.

Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn in Indien haben die Goethe-Institute ganz besondere Bei-Namen: Max Müller Bhavan. Und so wird aus dem Goethe-Institut das Müller-Haus. Max Müller, 1823 in Dessau geboren und 1900 in Oxford gestorben, ist einer der Begründer der Sanskrit-Forschung und Vater der modernen Indologie.

Wissensdurstig nach der deutschen Sprache

Max Müller würde sein Indien wohl nicht mehr wiedererkennen. Das Land steht neben China im Zentrum des asiatischen Wirtschaftsbooms. Die durchschnittliche Wachstumsrate der vergangenen zehn Jahre liegt bei mehr als sieben Prozent. Es gibt eine wachsende, sehr gut ausgebildete Mittelschicht, die wissenshungrig ist und Erfolg haben will. Dazu gehört auch ein wachsendes Interesse an Sprachen - mit neuer Motivation: "Wenn die Inder noch vor zehn Deutsch lernen wollten, um Kant, Brecht, Grass oder natürlich auch Goethe im Original zu lesen, so ist es heute ganz anders", erklärt Dreyer. "Wir haben ganz viele junge Leute, die Deutsch lernen wollen, weil sie diese Sprache unmittelbar und durchaus gewinnbringend im Berufsleben einsetzen können."

Indische Germanistikstudenten lesen in der Bibliothek des Goethe-Instituts in neu Delhi
Gut besucht: Bibliothek im Goethe-Institut in Neu DelhiBild: picture-alliance/ ZB

Sechs Goethe-Institute gibt es in Indien, ein Ausbau ist in Planung. Denn die Nachfrage nach Deutschkursen ist inzwischen so groß, dass es hinten und vorne nicht mehr reicht. Allein am Max Müller Bhavan in Neu Delhi studieren pro Jahr 2200 Schüler. So beispielsweise auch der 34-jährige Ranjan. Der Versicherungsangestellte lernt seit drei Jahren Deutsch in Abendkursen. "Ich dachte, wenn ich meine Versicherungskenntnisse mit einer Fremdsprache verbinden würde, hätte ich vielleicht eine größere Chance, mich zu beweisen und könnte mich so bei einer deutschen Firma hier in Indien bewerben."

Ranjan wartet ungeduldig auf seine Chance. Und wundert sich darüber, dass die deutschen Versicherungsunternehmen nicht mit ausgefahrenen Ellenbogen auf den indischen Markt drängen. Aber er vertraut auf die ungeschriebenen Gesetze der globalisierten Welt. "Das ist kein neues Konzept, dass Arbeitsplätze in Billiglohnländer versetzt werden. Wenn Deutschland daran nicht denken würde, würde es viele Geschäfte verlieren."

Deutsch poliert den Lebenslauf auf

Ein anderes Beispiel: Kriti, 21 Jahre alt, Intensivkurs-Schülerin am Max Müller Bhavan in Neu Delhi. Der Erfolg nach nur einem Jahr und drei Monaten kann sich wirklich sehen lassen. "Ich lerne Deutsch, um meine Berufschancen zu verbessern. Zuerst wollte ich eine Englischlehrerin sein, aber jetzt möchte ich eine Deutschlehrerin sein, am Max Müller vielleicht.”

Die Goethe-Institute profitieren davon, dass die neue Garde der indischen Schüler die deutsche Sprache als Waffe auf dem globalen Markt einsetzen will. "Alle Fremdsprachen sind wichtig für Indien, weil Indien in der Welt immer bedeutender wird", sagt Kriti. "Deutschland ist ein neues Land für Indien, deutsch ist eine neue Sprache und verbessert unsere Berufschancen."

Kriti ist eine Einser-Schülerin auf der ganzen Linie. Wenn sie so weitermacht, winkt bald ein Stipendium für eine Deutschlandreise. "Ich möchte die Berliner Mauer sehen, auch Currywurst probieren - ist doch das liebste Gericht der Deutschen, oder?"