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Deutschstunde bei Günter Grass

2. April 2002

Was bitte ist ein "Plattenprojekt"? Wie übersetzt man ostpreußischen Dialekt in eine andere Sprache und was bedeutet "Gesülze"? Diese Fragen klärte Günter Grass bei einem Treffen mit Übersetzern seines neuen Buches.

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Bild: AP
Buchcover: Grass - Krebsgang

Einfach ist es nicht, einem französich sprechenden Leser klar zu machen, dass ein Flüchtlingstreck nichts mit Abenteuerurlaub zu tun hat. Eine korrekte Übersetzung des Wortes "Beziehungskiste" zu finden, ist ebenfalls kein leichtes Unterfangen. Drei Tage lang besprach Grass mit Übersetzern aus aller Welt im Lübecker Buddenbrookhaus linguistische Spitzfindigkeiten wie diese. Der Grund: seine erfolgreiche Novelle "Im Krebsgang" wird demnächst in 31 Sprachen übersetzt.

"Im Krebsgang" wird rasant übersetzt

Die Palette reicht von Arabisch bis Russisch. Auf Chinesisch wird man "Im Krebsgang" ebenso lesen können, wie auf Lettisch, Slowenisch oder Koreanisch. Das Interesse an der Übersetzung ist schon nach kurzer Zeit enorm. Die neue Novelle des Literatur-Nobelpreisträgers über den Untergang der "Wilhelm Gustloff" am Ende des Zweiten Weltkriegs ist seit ihrem Erscheinen Anfang Februar 2002 nach Angaben des Steidl Verlags bereits in 33 Länder verkauft worden.

Was "verrutschende Jungenstimme" bedeute, war eine weitere Frage, die beim Treffen auftauchte. "Das bezieht sich auf den Stimmbruch", erklärte der Lektor Helmut Frielinghaus, der das Treffen leitete. Als der Chinese Honjun Cai noch immer nicht verstand, machte Freilinghaus es vor. "Ein Junge spricht ganz hoch und ein Mann ganz tief", sagte er mit Piepsstimme und im tiefen Bass. "Ah, ich verstehe", nickte Cai, und Günter Grass flachste: "Ich befürchtete schon, in China gebe es den Stimmbruch nicht."

Den spezifischen Sprachstil treffen

Jede Literaturübersetzung ist ein Nachschaffen des Werks in der Fremdsprache. Umgangssprache muss in Umgangssprache übersetzt werden. Wo Grass sprachschöpferisch tätig ist, muss auch der Übersetzer Wendungen finden, die beim ausländischen Leser den gleichen Aha-Effekt hervorrufen. Doch zugleich darf man den Autor nicht instrumentalisieren. Der Übersetzer hat eine Monopolstellung, ein Privileg, das man nicht missbrauchen darf.

Neben den verschiedenen Szene-Sprachen müssen die Übersetzer auch Entsprechungen für im Deutschen geläufige Sprachbilder finden. Das ist nicht immer einfach. "Um zu zeigen, dass Tulla Pokriefkes Dialekt für ihre geographische und soziale Herkunft steht, kann ich zum Beispiel einen levantinischen Dialekt benutzen. Da weiß jeder Leser im arabischen Sprachraum, was gemeint ist, auch wenn er einzelne Worte nicht unbedingt versteht", sagte Gisela Waller-Hajjar, die das Werk ins Arabische übersetzen wird.

Trotz dieser Schwierigkeiten ist das Buch "Im Krebsgang" für die Übersetzer eines der einfacheren Werke von Grass. Der Literatur-Nobelpreisträger ist einer der wenigen Autoren, die in dieser Form mit ihren Übersetzern zusammenarbeiten. Der Grund dafür sind offenbar schlechte Erfahrungen. In den 70er Jahren ist in Schweden eine sehr fehlerhafte Übersetzung des Romans "Der Butt" erschienen. Seither besteht Günther Grass auf solche Treffen. dpa/(fro)