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Dicke Geschäfte und geplatzte Träume

5. Mai 2009

In der Champions League sind sie wieder zu bewundern – Didier Drogba, der Star der Elfenbeinküste in Diensten des FC Chelsea, oder Samuel Eto’o, Kameruns Superstürmer beim FC Barcelona: Stoff für Träume junger Afrikaner.

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Didier Drogba (Foto: AP)
Vorbild für junge Afrikaner: Didier DrogbaBild: AP

Ein staubiger Fußballplatz, wie es viele gibt – hier in Nigerias Megastadt Lagos - und überall in Afrika. Ein Haufen junger Spieler, ein Ball, und ein Ziel: Die große Karriere in Europa. Valentine Nweke, 21 Jahre alt, geht es nicht anders als seinen Freunden. Er spielt in Lagos beim Regional-Club Real FC im halb-linken Mittelfeld. Eigentlich ist er studierter Chemotechniker, aber seine Welt ist der Fußball: "Wir wollen entdeckt werden, darum geht es", sagt er. Manchmal kommen Talentsucher vorbei und dann spielen er und seine Mannschaftskollegen zur Probe. "Du kannst hier alle fragen, wir wollen alle im Ausland spielen, Da kann man ein gutes Leben haben. Ich zum Beispiel würde gerne beim FC Chelsea spielen, das ist mein Traumverein."

Zum Fußballer geboren

Lagos (Foto: dpa)
Weg aus Lagos - Valentine träumt von der Karriere in EuropaBild: picture alliance/dpa

Doch die Konkurrenz ist riesengroß, und die Armut macht die jungen Spieler ungeduldig. In Nigeria seien alle verrückt nach Geld. Es reiche schon, als Fußballer einfach nur irgendwo in Europa zu spielen und die Ablösesumme versorge den Spieler und seine Familie für mehrere Jahre, sagt Isaac Abi Siawe von Nigerias nationalem Fußballfanclub . "Also wollen alle ins Ausland. Und diejenigen, die es schaffen, können dann die große Show abziehen, wenn sie auf Heimaturlaub sind. Fast alle Fußballer glauben fest daran, dass sie zum Fußballspielen geboren sind. Sie geben die Hoffnung niemals auf. Sie denken nur an Fußball und nichts anderes."

Illegale Transfers

Visum (Foto: dpa)
Rar: die begehrten VisaBild: picture-alliance/chromorange

Jedes Jahr werden Hunderte minderjährige afrikanische Spieler unter fragwürdigen Umständen "transferiert", Agenten und Clubs locken die Spieler mit falschen Versprechungen nach Europa, wo viele in der Illegalität stranden, ohne Aufenthaltsgenehmigung, ohne Geld. Valentine weiß das. Und er weiß auch, dass Spieler wie er billig eingekauft und teuer verkauft werden, dass die großen europäischen Clubs mit Afrikanern wie ihm gigantische Gewinne erzielen. Aber er will weg, und er will nicht mehr darauf warten, dass sich irgendwann ein Talentscout auf den staubigen Bolzplatz von Lagos verirrt. "Fußball ist ein Riesengeschäft heutzutage. Ich brauche einen Manager. Die kennen alle Mittelsmänner, sie machen die Deals, organisieren alles, Visum inklusive", sagt Valentine. Schon das ist ein heikles Geschäft, und meistens ziehen die jungen Fußballer den Kürzeren.

Kommissar Francis Bah leitet bei der Polizei in Ghana die Abteilung für Urkunden- und Visabetrug, und gerade ist er einem besonders dreisten Fall auf der Spur. Im Februar wurden 13 junge ghanaische Spieler von einer angeblich deutschen Firma zu einem Fußballcamp nach Dresden eingeladen. Jeder von ihnen hat für den Visaantrag und die Reisedokumente fast 3000 US-Dollar bezahlt. Natürlich waren die Einladungen gefälscht – bei weitem kein Einzelfall, sagt Francis Bah.

Die Polizei arbeite eng mit den ausländischen Botschaften zusammen, um herauszufinden, wo die gefälschten Dokumente herkommen. "Unabhängig davon, ob wir Erfolg haben, gehen wir mit diesen Fällen an die Öffentlichkeit, um die Leute zu warnen. Ahnungslose junge Menschen, die reisen wollen, müssen begreifen, dass sie sich nicht einem dubiosen Mittelsmann anvertrauen müssen, um ein Visum zu beantragen", sagt Bah.

Doppelte Strafe

20 bis 30 solcher zweifelhaften Anträge landen pro Woche allein auf Francis Bahs Schreibtisch. Für die jungen Fußballer platzen die Träume wie Seifenblasen – doch Fußball hin oder her: Für den Polizisten sind es zunächst einmal Betrugsdelikte. Die Opfer werden sogar doppelt bestraft. "Manchmal können wir den Betrogenen ihr Geld zurückgeben, manchmal ist das aber auch schwierig, denn sie stecken ja oft mit drin", sagt Bah.

Manche der Ausreisewilligen wüssten, dass ihre Dokumente gefälscht sind. "Nach dem Gesetz machen sie sich damit strafbar, aber sie haben natürlich viel Geld bezahlt und wollen nach Europa, koste es was es wolle. Wir müssen dann leider den Opfern nochmal Geld abknöpfen, denn der Besitz solcher falschen Einladungspapiere ist eine Straftat."

Tägliche Dramen

Isaac Abi Siawe von Nigerias nationalem Fußballfanclub kennt solche Fälle auch aus seinem Land. Und er kennt die Dramen, die sich abspielen, wenn das Geld weg ist, und der Traum von Europa ausgeträumt. "Ich sage den jungen Spielern immer, dass sie nicht verzweifeln und auf keinen Fall um jeden Preis ins Ausland gehen dürfen. Wenn Leute sehen, dass du deinen Erfolg erzwingen willst, werden sie deine Situation gnadenlos ausnutzen. Und dann wird es schlimm." Mittelfeldspieler Valentine Nweke aus Lagos weiß, worauf er sich einlässt. Er kennt das Risiko. Aber Aufgeben gilt nicht. Er will schließlich zum FC Chelsea.

Autor: Alexander Göbel

Redaktion: Christine Harjes